Im Land der untergehenden Zinsen

Assenagon: Der Sommer nähert sich dem Ende und mit ihm die Ruhe an den Bondmärkten. Die Emittenten beeilen sich, die Niedrigstzinsen zu nutzen und sich reichlich mit finanzieller Liquidität einzudecken.

Seit Beginn der Woche begaben eine kaum noch überschaubare Zahl von Firmen Anleihen, darunter Apple, Coca-Cola, Hewlett Packard, Walt Disney, Caterpillar, John Deere, Danaher, Wirecard, Suez und viele mehr.

Im Jahresverlauf wurde bereits die magische Marke von EUR 1 Billion neuer Schuldtitel geknackt. Klar ist, dass in den nächsten Wochen noch unzählige weitere folgen werden. Trotz dieser Flut neuer Schuldverschreibungen scheint die Nachfrage danach ungebrochen.

Angesichts der über die vergangenen zwölf Monate beeindruckenden Wertzuwächse von Corporate Bonds, beispielsweise von Ausstellern mit besserer Bonität, den Investment Grade-Unternehmensanleihen, ist das ungebrochene Interesse auch leicht nachvollziehbar.

 

 

Während also die Anleger bislang dafür belohnt wurden, in möglichst langlaufende Anleihen zu investieren, bedarf es nun einer Neubewertung der Situation. Denn während der auf Euro lautende Index für Investment Grade-geratete Anleihen zu Jahresbeginn noch eine Rendite von 1,25 % aufwies, sind heute nur noch magere 26 Basispunkte zu erzielen.

Eine steigende Zahl von Corporate Bonds rentiert nun also negativ – die Investoren zahlen dafür, dass sie diesen Unternehmen Kredit gewähren dürfen. Das klingt nicht nur absurd, das ist es auch.

Doch Staatsanleihen oder Pfand-briefe sind da keine Alternative, auf Fälligkeit betrachtet erhält der Anleger garantiert noch weniger Kapital zurück. Bei 5-jährigen Bundesanleihen sind das derzeit immerhin knapp 5 %, die dem Anleger mit Gewissheit aus der Tasche gezogen werden.

So gesehen agieren Investoren rational, wenn sie in Anleihen investieren, die zwar keinen Beitrag mehr zu Erreichung ihrer Zielrenditen mehr stiften, aber eben auch weniger kosten. Die allgemeine Erwartung, dass die Zinsen länger niedrig bleiben und von dort keine Gefahr droht, unterstreicht zusätzlich die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise.

Die Abschwächung der globalen Wirtschaft bis hin zu Rezessionsängsten bindet den Zentralbanken die Hände und lässt ihnen keine andere Wahl, als die Konjunktur weiter geldpolitisch zu stimulieren.

Dabei ist es alles andere als sicher, dass die Geldpolitik ihr Ziel der Reanimierung der Preissteigerung erreicht. Diese Zweifel, auch als “Quantitative Failure” bekannt, sind nach einer Umfrage der Investmentbank Bank of America Merrill Lynch zu Recht aktuell die größte Sorge der Investoren.

Mehr vom Selben scheint also der falsche Weg zu sein. Zudem wehren sich die Notenbanker gegen den Verlust ihrer Unabhängigkeit und daher dagegen, von ihren Regierungschefs als währungspolitisches Druckmittel zweckentfremdet zu werden und halten sich möglicherweise schon aus diesem Grund mit Zinssenkungen zurück.

 

 

Während es also verfrüht erscheint, vor steigenden Zinsen zu warnen, ist auch die Erwartung weiter sinkender Zinsen immer schwerer zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die Absicherung der Zinsen bei dem vorherrschenden Zinsniveau erstmals kostenfrei ist.

Eine Anleihe der Deutschen Telekom mit einem Kupon von 0,875 % und Fälligkeit im März 2026 bietet bei einem Kurs von aktuell EUR 105,60 zwar einen Renditeaufschlag von 91 Basispunkten, aber nur eine Rendite von 0,02 %. Das liegt daran, dass das Zinsniveau so niedrig ist, dass es nahezu den gesamten Risikoaufschlag auffrisst: Die Bundesanleihe mit vergleichbarer Fälligkeit rentiert mit -0,88 % negativ.

Die Absicherung der Zinsen, bei dem der feste Kupon gegen einen variablen getauscht wird, resultiert in einem Renditeaufschlag von 48 Basispunkten über dem 3-Monats-Euribor und damit einer Rendite von exakt 0,02 %.

Bei der höher rentierlichen Netflix-Anleihe mit einem Kupon von 4,625 und einer Laufzeit bis 2029 steht eine feste Rendite von 3,10 % einer variablen von 3,09 % gegenüber. Zwar profitiert die zinsgesicherte Anleihe nicht von einem weiteren Rückgang der Renditen. Gleichzeitig verliert der Anleger aber auch nicht – er gewinnt sogar durch die höhere Basisverzinsung, wenn es doch noch zu einer Trendwende an den Zinsmärkten kommt.

Bei der beschriebenen Anleihe der Deutschen Telekom entspricht ein Anstieg der Zinsen um 1 % einem Kursverlust von nahezu 6,5 % – das entspricht 323 Jahren Zinseinkommen.

Wer also das Zinsrisiko jetzt nicht kostenfrei absichert, drückt damit implizit eine klare Erwartung weiter sinkender Zinsen aus – und nimmt dafür das Risiko von Kursverlusten aufgrund einer Gegenbewegung bei den Renditen in Kauf, obwohl die Absicherung dagegen den laufenden Ertrag nicht schmälert.

Möglich wurde dies erst durch den Zinsrutsch in diesem Jahr. Der daraus entstandene Bedarf an Anleihen mit höherem Renditeaufschlag, also höherrentierliche Netflix statt renditearme Deutsche Telekom, wird möglicherweise die Risikoprämien noch weiter abschmelzen lassen.

 

Themen im Artikel

Infos über Assenagon Asset Management

    Assenagon Asset Management:

    Assenagon ist einer der am schnellsten wachsenden unabhängigen Asset Manager in Europa. Die Gesellschaft bietet Anlagelösungen in verschiedenen Asset-Klassen für Investoren und Vertriebspartner an. Seit Firmengründung 2007 haben Investoren dem Unternehmen ein Vermögen von 28 Milliarden Euro an...

    Disclaimer & Risikohinweis

    Assenagon Asset Management News

    Weitere Trading News