Interview mit Rainer Riess: Xetra – Vorteile des größten deutschen Handelsplatzes

Im Rahmen der Börsenplatz-Woche sprach broker-test.de mit Rainer Riess, Managing Director des Bereichs Xetra Market Development der Deutsche Börse AG, über die Liquiditätsvorteile eines großen Handelsplatzes, Spekulationen um die Abschaffung des Parketthandels und Teilausführungen als Kostentreiber für Privatanleger.

Herr Riess, welche Vorteile hat Xetra gegenüber anderen Börsen?

Rainer Riess: “Die Vorteile von Xetra sehe ich vor allem in puncto Angebot und Liquidität. Aktuell sind rund 500.000 Wertpapiere auf Xetra handelbar: Aktien, Fonds, ETFs, ETCs, Anleihen und Zertifikate. Das Handelsvolumen – also die Liquidität – ist auf Xetra wesentlich größer als an anderen Handelsplätzen.”

Und was genau bedeutet das hohe Handelsvolumen für Anleger?

Rainer Riess: “Ein hohes Handelsvolumen senkt die Kosten aller Teilnehmer: egal ob das Profis oder Privatanleger sind. Die Transaktionsentgelte sind schließlich noch lange nicht die gesamten Kosten. Die Preisbewegungen bis zur Orderausführung und die Spreads, also die Spannen zwischen Kauf- und Verkaufspreis, verursachen den Löwenanteil der Gesamtkosten im Börsenhandel. Was auf den ersten Blick der beste Kurs ist und was wie die günstigsten Transaktionsentgelte aussieht, führt am Ende oft nicht zu den niedrigsten Gesamthandelskosten. Die Liquidität, die die Profis auf die Xetra-Plattform bringen, ist deshalb auch für Privatanleger ein echter Vorteil. Wo die Liquidität am höchsten und die Ausführung am schnellsten ist, kann ich als Anleger sicher sein, dass die angezeigten Preise auch die tatsächlichen Handelspreise in dem Moment sind, in dem ich meine Handelsentscheidung treffe.”

Sie sagen also, dass Privatanleger im Xetra-Handel Geld sparen können.

Rainer Riess: “Ja, denn auch bei kleinen Anlagebeträgen können Kursbewegungen bis zur Ausführung und die Spreads den vermeintlichen Vorteil günstiger Orderentgelte zunichte machen. Anleger, die nur die Orderentgelte berücksichtigen, vernachlässigen wichtige Kostenpunkte. Übrigens sollte jeder auch auf die Höhe der Bankspesen achten – die sind meist um einiges höher als die Börsenentgelte! Grundsätzlich gilt: Ein gemischtes Orderbuch mit Aufträgen von Profis und Privatanlegern ist ein Qualitätskriterium für eine Börse. Darin unterscheidet sich Xetra von anderen Börsen in Deutschland und Europa. Auf Xetra können auch Privatanleger von der Liquidität profitieren, die die Programmhändler und die institutionellen Investoren auf die Plattform bringen.”

Im Xetra-Handel kommt es aber immer wieder zu Teilausführungen. Sind das nicht wahre Kostentreiber für den Anleger?

Rainer Riess: “Nein, das sind sie nicht. Teilausführungen auf Xetra führen oft insgesamt zu einem besseren Preis als eine Vollausführung zu einem späteren Zeitpunkt. Die Deutsche Börse berechnet Teilausführungen auch gar nicht. Den Banken der Anleger stellen wir nur die Ausführung einer Order in Rechnung – die Zahl der Teilausführungen ist dabei unerheblich. Einige Banken berechnen ihren Kunden die einzelnen Teilausführungen dann wieder separat. Viele Onlinebroker und die meisten Banken berechnen die Teilausführungen aber mittlerweile auch nicht mehr. Darauf sollte man bei der Wahl seiner Bank achten.”

Kleinanleger haben oft kein Vertrauen in den Computerhandel und fühlen sich nur da sicher, wo der Mensch zur Not einschreiten kann, also im maklergestützten Handel.

Rainer Riess: “Auch der Handel an Parkettbörsen mit Maklern ist computerbasiert! Und auf Xetra gibt es unterschiedliche Marktmodelle: hochliquide Werte werden fortlaufend und vollelektronisch gehandelt. Die weniger liquiden Werte werden auf Xetra von Spezialisten betreut. An der Börse Frankfurt läuft der Handel mit Investmentfonds und bei Scoach der Handel mit Zertifikaten schon seit 2008 erfolgreich mit Xetra und den Spezialisten, die den Handel betreuen. Ab Ende Mai 2011 werden auf dem Frankfurter Parkett dann alle Wertpapiere mit der Xetra-Technologie gehandelt: teils vollelektronisch, teils mit Spezialisten, die für ausreichend Liquidität sorgen. Xetra kann also alle Anlegerinteressen bedienen.”

Wird der Parketthandel 2011 wirklich abgeschafft, wie es in einigen Medien zu lesen war?

Rainer Riess: “Nein, der Handel auf dem Parkett wird nicht eingestellt, sondern umgestellt. Das Handelsmodell mit dem bisherigen Xontro-System und den Skontroführern wird überführt in ein voll elektronisches Handelsmodell mit Xetra und Spezialisten. Der Betrieb im bekannten Handelssaal der Börse Frankfurt wird also weitergehen. Die Xetra-Spezialisten werden dort tätig sein und den Handel betreuen. Die Neuigkeit ist eben, dass ab 23. Mai 2011 alle Werte in Frankfurt mit der Xetra-Technologie gehandelt werden. Anleger können nach wie vor die Börse Frankfurt als Handelsplatz und die persönliche Unterstützung bei der Ausführung auswählen. Gleichzeitig werden sie aber von den Vorteilen von Xetra profitieren: vom internationalen Netzwerk, der Liquidität, der Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und der Geschwindigkeit des Systems. Übrigens wird auf dem Frankfurter Parkett wie gehabt von 8 bis 20 Uhr gehandelt werden.”

Worin unterscheiden sich Xetra und der Direkthandel, den Onlinebroker anbieten?

Rainer Riess: “Auf jeden Fall in der Transparenz, den Regeln und der Überwachung. Öffentlich-rechtliche Börsen haben klare und transparente Regeln, die für alle Handelsteilnehmer gleichermaßen gelten. Eine unabhängige Handelsüberwachungsstelle überwacht den Handel. Auch vor dem Hintergrund der mit der MiFID verabschiedeten EU-Richtlinien über Märkte für Finanzinstrumente werden Transparenz und Überwachung von immer größerer Bedeutung. Zentraler Punkt ist hierbei u.a. eine angestrebte Verbesserung des Anlegerschutzes. Im Direkthandel außerhalb der Börsen, den Onlinebroker in ihren Ordermasken anbieten, unterscheiden sich die „Spielregeln“ von Anbieter zu Anbieter. Außerdem fehlt dort das unabhängige Überwachungsorgan.”

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