USA dürften auf steigende Zinsen weniger empfindlich reagieren als erwartet

LGIM: Die Zusammensetzung der Schulden in den USA hat sich stark verändert. Während die Verschuldung des öffentlichen Sektors deutlich gestiegen ist und in den kommenden Jahren aufgrund der Haushaltspläne weiter ansteigen dürfte, ist der Anteil der Verschuldung des privaten Sektors am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesunken.

„Dies ist vor allem auf die geringere Verschuldung der Haushalte zurückzuführen“, sagt Tim Drayson, Head of Economics bei Legal & General Investment Management (LGIM). Seiner Ansicht nach dürfte  diese Verlagerung der Schulden vom privaten hin zum öffentlichen Sektor die US-Wirtschaft weniger anfällig für höhere Zinsen machen.

„Höhere Zinssätze werden letztendlich das öffentliche Defizit weiter belasten, weil die Zinsaufwendungen für Schulden steigen. Darauf wird der Kongress mit großer Wahrscheinlichkeit nur sehr langsam reagieren, denn die Finanzpläne erscheinen relativ unflexibel, zumindest bis zur nächsten Präsidentschaftswahl. Im Gegensatz dazu könnte der private Sektor die Ausgaben angesichts höherer Zinsen schneller anpassen“, erklärt Drayson.

Mehrheit der Haushalte hat Hypotheken auf 30 Jahre festgelegt

Darüber hinaus gebe es dem Experten zufolge zwei weitere Faktoren, die die US-Wirtschaft weniger anfällig für kurzfristig höhere Zinsen machen könnten: Erstens sei der Anteil variabel verzinslicher Hypotheken, sogenannter Adjustable Rate Mortgages (ARM), seit dem Ende des Immobilienbooms stark gesunken.

„Während der Hochkonjunkturjahre im Immobiliensektor waren über 40 Prozent an neuen Hypotheken direkt betroffen, wenn die variablen Zinssätze sich in Folge einer Erhöhung der Leitzinsen durch die Federal Reserve anpassten. Teilweise war sogar ein regelrechter Anpassungsschock zu verzeichnen, wenn die Hypotheken ursprünglich ausschließlich zinsbasiert waren oder eine negative Amortisation aufwiesen. Derzeit dürften Schätzungen zufolge nur noch rund 15 Prozent der ausstehenden Hypothekenschulden variabl verzinslich sein“, so Drayson.

Stattdessen habe die überwiegende Mehrheit der Haushalte die Hypotheken auf 30 Jahre festgelegt. Nach Ansicht des Experten sei folglich das Risiko kurzfristiger Zinsänderungen gering , und Immobilienkäufer seien nur beim Abschluss einer neuen Hypothek direkt von höheren Zinsen betroffen.

Zweitens besteht Drayson zufolge der größte Teil der gestiegenen Unternehmensverschuldung in Unternehmensanleihen. Da diese Anleihen fast alle festverzinslich sind, unterliegen sie keinen kurzfristigen Zinsänderungen. „Die provokante Schlussfolgerung liegt nahe, dass die USA deutlich weniger empfindlich auf Zinsanhebungen der Federal Reserve reagieren könnten, als während des letzten Zinserhöhungszyklus“, sagt der Experte von LGIM.

Gleichzeitig sei jedoch die Ausgangssituation ähnlich wie während der beiden vorangegangenen Zyklen. Diese Parallele dürfte für die US-Zentralbank laut Drayson keinen großen Trost darstellen, musste sie doch die Zinsen im letzten Zyklus senken, um den Druck auf Hypothekenrückzahlungen zu mindern. Und selbst das konnte eine Krise nicht verhindern. Im Zyklus Ende der 1990er Jahre hob die Fed die Leitzinsen jedoch auf ein klar restriktives Niveau über fünf Prozent an, um die Konjunktur zu bremsen.

Höher als erwartete Zinsschritte könnten sich auf globale Finanzmärkte auswirken

„In der aktuellen Situation haben die Marktakteure damit begonnen, den von der US-Notenbank prognostizierten Zinspfad gut zu heißen“, sagt Drayson. Doch nach Meinung des Experten könnte die Federal Reserve ihre eigenen Schätzungen nach oben korrigieren müssen, falls schrittweise Zinserhöhungen die Überhitzung der Wirtschaft nicht verhindern können, die teilweise auf das zu diesem Zeitpunkt unpasssende Konjunkturpaket der Regierung Trump zurückzuführen sei. Möglicherweise wären Länder außerhalb der USA anfälliger für höher als erwartete Zinsanhebungen der Fed.

„Ein stärkerer Dollar löst eventuell weitere Marktturbulenzen in den Schwellenländern aus. Generell könnte es auch auf den Finanzmärkten, die nicht auf eine Normalisierung der Zinssätze vorbereitet sind, zu Verwerfungen kommen. Sollte sich dieser Schock als ausreichend groß erweisen, hätte er natürlich wiederum negative Auswirkungen auf die US-Realwirtschaft“, erklärt Drayson. „Es könnte der Federal Reserve folglich nicht möglich sein, die Volatilität an den globalen Finanzmärkte auf einem überschaubaren Niveau zu halten und gleichzeitig den Weg für eine weiche Landung, je weiter der Zyklus fortschreitet.

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