Bundestagswahl hat wohl wenig Einfluss auf die Finanzmärkte

BlackRock Asset Management: Während Kandidaten und Wahlkampfhelfer sämtlicher Parteien noch einmal die Ärmel hochkrempeln, richten Anleger bereits den Blick auf die Zeit danach und damit die Frage, mit wem Angela Merkel in ihrer vierten Amtszeit als Bundeskanzlerin regieren wird.

In einer Hinsicht nämlich gilt die Wahl als entschieden: Obwohl es in den letzten Jahrzehnten öfter starke Aufholjagden der SPD gegeben hat, wird die Union gewinnen und die SPD auf Rang zwei verweisen. Bei den letzten drei Landtagswahlen, alle in diesem Jahr, schnitt die CDU sogar besser ab als die Umfragen vorausgesagt hatten.

Spannender wird es vermutlich beim Kampf um Platz drei, insbesondere bei der Frage, mit welchem Ergebnis die FDP nach vier Jahren Abstinenz wieder in den Bundestag einziehen wird.

 

Deutschen sind unsicher
Dabei ist bemerkenswert, daß sich bei einer Befragung vor wenigen Tagen (Infratest Dimap Deutschlandtrend, 13. September 2017) nur etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten (57%) sicher waren, wem sie am 24. September ihre Stimme geben würden. Die Unentschiedenheit ist so hoch wie in den vergangenen 20 Jahren nicht.

 

Vor der Wahl 2013 waren es zum selben Zeitpunkt 39 Prozent, bei den zwei Wahlen zuvor etwa ein Drittel der Wähler. Damit scheint der Wahlausgang möglicherweise doch noch offener, als er auf den ersten Blick erscheint.

Außerdem suggeriert eine derart hohe Zahl Unentschlossener zu einem so späten Zeitpunkt in der Wahlkampagne eine gewisse Politikverdrossenheit. Das zur Abstimmung stehende Angebot an politischen Inhalten und/oder Personen überzeugt die Wähler nicht wirklich.

 

Die Wahlbeteiligung könnte den niedrigen Wert der letzten Bundestagswahl 2013 (71,5%), eventuell sogar das bisherige Allzeittief (70,8% im Jahr 2009) noch unterschreiten.

Bei den Koalitionsmöglichkeiten, die sich aus der Wahl ergeben, zeichnet sich ein enges Rennen ab. Sollte es für Union und FDP reichen, dürfte es wohl zu einer Neuauflage der Koalition von 2009- 2013 kommen. Dieses Szenario liegt näher als man glauben möchte und ist zu einem guten Teil von der Stärke der "Sonstigen", also des zusammengerechneten Ergebnisses der Parteien unterhalb der 5%-Hürde, abhängig.

 

Kommen die Sonstigen zum Beispiel auf 4%, dann brauchen Union und FDP zusammen nicht mehr 50%, sondern nur noch 48% aller Zweitstimmen.

 

CDU liegt (noch) vorne
Zurzeit liegt die Union im Schnitt der wichtigsten Umfrageinstitute bei 37%, die FDP bei 9,4%, zusammen also 46,4%. Da die Sonstigen nach aktuellen Umfragen auf 4,2% der Zweitstimmen kommen, liegt die Mehrheitsschwelle bei 47,9%, also 1,5 Prozentpunkte oberhalb des gemeinsamen Umfrageanteils von Union und FDP.

 

Nun sind 1,5 Prozentpunkte ein sehr kleiner Abstand, der sehr wohl am Wahlabend verschwinden, sich aber auch ausweiten könnte. Die Frage, ob es für Schwarz-Gelb reicht, darf also als vollkommen offen bezeichnet werden.

Abstand Union vs. SPD - 15 Wochen vor der Wahl


Sollte ein Bündnis aus Union und FDP keine Mehrheit haben, halten wir eine Neuauflage der Großen Koalition für wahrscheinlich. Innerhalb der Union, die dann in der glücklichen Position wäre, ihren oder ihre Partner wählen zu dürfen, ist die Große Koalition ungefähr genauso beliebt wie die einzig denkbare Alternative, ein Dreierbündnis mit FDP und Grünen. 45% der CDU/CSU-Anhänger votieren für die SPD, 46% ziehen FDP und Grüne vor.

 

Vermutlich würde bei einer derartigen Abwägung der enge Führungszirkel der CDU/CSU, und ganz besonders Kanzlerin Angela Merkel, eine entscheidende Rolle spielen. Angesichts der Erfahrungen, die Frau Merkel in ihren bisherigen drei Amtszeiten jeweils mit der SPD und der FDP als Koalitionspartner gemacht hat, glauben wir an eine Präferenz der Kanzlerin für die Sozialdemokraten.

 

Große Koalition
Unterm Strich haben die Großen Koalitionen 2005-2009 und 2013-2017 recht störungsfrei funktioniert. Zudem wäre die Union in einem Dreierbündnis mit FDP und Grünen quasi automatisch in einer Vermittlerposition zwischen zwei Parteien, die sich in vielen wichtigen Themen (Europa, Migration, Klima etc.) geradezu diametral gegenüberstehen.

 

Es ist aus unserer Sicht schwer vorstellbar, daß Angela Merkel und die restliche Führungsmannschaft der CDU/CSU diese schwierige Moderatorenrolle als attraktiv betrachten. Dies gilt umso mehr, als Angela Merkel in ihre vierte und vielleicht letzte Kanzlerschaft geht und vermutlich beginnt, auf ihren Platz in künftigen Geschichtsbüchern zu achten.

Es dürfte aus Frau Merkels Sicht mit der SPD an der Seite einfacher erscheinen, Europa zusammenzuführen, die Flüchtlingsproblematik zu entschärfen und die Energiewende zu gestalten als mit zwei kleineren Koalitionspartnern, die sich gerade in diesen wichtigen Fragen im heftigen Wettstreit befinden.

Aus diesem Grund halten wir eine Fortsetzung der Großen Koalition für das Wahlergebnis mit der größten Wahrscheinlichkeit (50%), gefolgt von einem inzwischen auch sehr gut möglichen Bündnis aus Union und FDP (40%). Für die Dreierkombination aus Union, FDP und Grünen sehen wir nur eine kleine Restwahrscheinlichkeit von 10%. Andere Optionen scheiden aus, darunter sowohl jede Art von SPD-geführten Koalitionen als auch jede Kombination, die AfD oder Linkspartei einschließen würde.

Wahlbeteiligung Deutschland 1949-2013 (in Prozent)

 

Finanzmärkte
Was die Reaktion der Finanzmärkte betrifft, halten wir die Auswirkungen der Wahl für überschaubar. Für die Märkte wäre vermutlich eine Fortsetzung der jetzigen Koalition so unspektakulär, daß ein entsprechendes Ergebnis die Kurse kaum bewegen dürfte. Ausschläge sind allenfalls zu erwarten, wenn sich an der Regierungskoalition etwas ändert.

 

So könnte etwa ein Wahlergebnis, welches ein Bündnis aus Union und FDP rechnerisch möglich macht, an den Aktienmärkten für Hoffnung sorgen, da die FDP als wirtschaftsfreundlich gilt, Steuersenkungen und Deregulierung aufgeschlossen gegenübersteht und somit Optimismus bezüglich höherer Unternehmensgewinne befördern könnte.

 

Dagegen dürften die Anleihemärkte, insbesondere jene für südeuropäische Staatsanleihen, eine Regierungsbeteiligung der FDP mit Skepsis sehen, hatten sich doch führende FDP-Vertreter für eine sehr harte Auslegung des Fiskalpaktes und sogar ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ausgesprochen. Die südeuropäischen Renditeaufschläge könnten somit ansteigen.

Kurzfristige Reaktionen an dem Märkten
Insgesamt dürften sowohl Aktien- als auch Anleihemärkte eventuelle Kurzfristreaktionen relativ schnell wieder korrigieren, da sich die FDP als Regierungspartei kaum mit allen Forderungen wird durchsetzen können, und zwar weder im positiven Sinne, also etwa mit dem Ruf nach Steuersenkungen für Unternehmen, noch negativ, zum Beispiel mit der Forderung nach einem Euro-Ausschluß Griechenlands.

Trotz dieser Relativierung wäre es wohl verfehlt, die Bundestagswahl als unbedeutend für die Kapitalmärkte zu bezeichnen. Immerhin werden am 24. September Weichen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, zum Teil sogar Europas, gestellt. Insofern bestimmt die Wahl den Rahmen, innerhalb dessen zumindest in den nächsten vier Jahren das Wohl und Wehe auch für die Kapitalanlage entschieden wird.

 

Autor: Dr. Martin Lück und Felix Herrmann

 

 

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