Geldanlage: Die Finanzmärkte sind nicht kalkulierbar

Quirin Privatbank: Ein Apfel fällt immer vom Baum.

Er wird nicht nach links schweben oder nach rechts fliegen, er wird nicht in die Lüfte steigen oder einfach hängen bleiben.

Wenn er reif ist, löst er sich vom Zweig und fällt – ob er will oder nicht – nach unten auf die Erde. Zu verdanken hat er dieses unausweichliche Schicksal der Erdanziehung.

Das ist eine physikalische Gesetzmäßigkeit, an der es nichts zu deuten oder zu rütteln gibt.

Auf A (der Apfel ist reif und löst sich vom Zweig) folgt unausweichlich B (er fällt zur Erde).

Schmidts Tagebuch: Newtonsches Gravitationsgesetz

 

An den Finanzmärkten wird gerne so getan, als wenn hier ähnliche physikalische Zusammenhänge bestünden, als wenn auf A ebenfalls immer B folgen müsste, auf B immer C und so weiter. Doch dem ist nicht so, ganz im Gegenteil.

Physikalische Gesetzmäßigkeiten wie die der Optik, der Gravitation, der Wärmelehre, der Mechanik etc., die wir aus vielen Bereichen unseres täglichen Lebens kennen, existieren an den Finanzmärkten nicht.

 

 

Und doch wird das gerne suggeriert – vielleicht ist Ihnen eines der nachfolgenden Beispiele schon einmal untergekommen?

  • Wenn die Zinsen steigen, fallen die Aktienkurse.
  • In Krisen sind Immobilien und Gold die sicheren Häfen.
  • Wenn Aktien gut performen, schwächeln Anleihen – und andersherum.
  • Wenn die Inflation steigt, führt das zu einer Rezession.
  • Wenn ein Unternehmen sich über die letzten fünf Jahre vielversprechend entwickelt hat, wird es das bestimmt auch in den nächsten fünf Jahren tun.

All diese (und noch viele weitere) vermeintlich klaren Zusammenhänge haben gemein, dass es so sein kann, aber nicht so sein muss. Es gibt keine volkswirtschaftliche Gesetzmäßigkeit, die es in ihrer Verlässlichkeit und Unausweichlichkeit mit physikalischen Gesetzen aufnehmen könnte.

Auf steigende Zinsen folgte in der Vergangenheit immer wieder eine Rezession. Das kann so sein, deswegen muss es aber eben nicht immer so sein. Es liegt keine physikalische Gesetzmäßigkeit zugrunde, die das eine bewirkt, wenn das andere eintritt, sondern lediglich eine in der Vergangenheit oft zu beobachtende Konstellation.

Diese (mono-)kausalen Zusammenhänge, dieses „Wenn A passiert, dann folgt immer und zwingend B“ wie beim Apfelbaum – das gibt es an den Finanzmärkten nicht.

 

Physik macht das Leben kalkulierbar

Physikalische Gesetze haben eine wichtige Funktion in unser aller Leben: Sie machen Entwicklungen absehbar und kalkulierbar – ich weiß, was passiert, wenn ich Wasser erhitze, ich weiß, was passiert, wenn es regnet und parallel die Sonne scheint, ich weiß, was passiert, wenn ich ein Glas Wasser in der Hand loslasse.

Die physikalischen Gesetze erleichtern unser Leben dergestalt, dass klar ist, was auf bestimmte Situationen oder Handlungen folgt, weil es einen unverrückbaren physikalischen Zusammenhang gibt.

Absehen können, was passiert, das erhoffen sich viele Menschen auch wenn es um ihre Finanzen, um ihre Geldanlage geht. Und manche Finanzexperten neigen dazu, diesen Wunsch bedienen zu wollen. Sie wollen absehbar machen, was an den Finanzmärkten nun einmal nicht (verlässlich) absehbar ist.

Und so werden aus vergangenen Entwicklungen Projektionen für die Zukunft abgeleitet und es wird so getan, als handle es sich um so etwas wie einen physikalischen Zwang, dass es so kommen müsse.

 

Die Finanzmärkte reagieren

Warum die Finanzmärkte keine Gesetzmäßigkeiten mit der Zuverlässigkeit der Physik kennen können, ist dabei eigentlich ganz klar. Der Fall des Apfels spielt sich vollkommen ohne unser Zutun ab.

Der Vorgang kann durch unsere Worte, Taten, Erwartungen und Pläne nicht beeinflusst werden. Menschen können mit dem, was sie sagen, denken und tun, den Fall des Apfels nicht beeinflussen. Der Apfel wird trotzdem fallen, immer.

An den Finanzmärkten hingegen ist das ganz anders. Hier haben wir es nicht mit einem System zu tun, das sich von uns nicht beeinflussen lässt, sondern es reagiert (zum Teil sogar ganz empfindlich) auf Aussagen von Experten, auf Unternehmensneuigkeiten, Wachstumsprognosen, Konjunkturaussichten, Gerüchte, Spekulationen.

Das, was Experten, Unternehmer, wir alle über die Finanzmärkte sagen und denken und wiederum in Tun umsetzen, beeinflusst selbige.

Durch die Interaktion der Menschen ändert sich am Finanzmarkt etwas, was in der physikalischen Lebenswelt nicht zu beeinflussen ist: der Fall des Apfels – bzw. hier dann z. B. der Fall eines Kurses.

 

Physik ist weniger kompliziert

Dazu vielleicht noch eine kleine Anekdote: Ein Freund aus Kindertagen hat sich nach der Schule für ein Physikstudium entschieden, weil ihm Wirtschaft nach eigener Aussage „zu kompliziert“ war. Seine Argumentation war genau die eben besprochene: weil es in der Wirtschaft eben keine Zusammenhänge gibt, die wie physikalische Gesetzmäßigkeiten funktionieren.

Das macht das Ganze ungleich komplizierter und damit auch weniger berechenbar – ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.

Auch ein Zitat des Wirtschaftsministers und dann Wirtschaftswunder-Kanzlers Ludwig Ehrhardt schlägt in dieselbe Kerbe – er sagte einmal, dass die Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie sei. Mit anderen Worten: Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, liegt weder am Glas noch an der Füllmenge, sondern einzig am Betrachter.

Alles, was in der Wirtschaft passiert, ob Investitionen oder Konsum, wird immer von psychologischen Faktoren beeinflusst. Genau daher ist eine Gemengelage im wirtschaftlichen Geschehen gerade keine Schablone – vielmehr können sich aufgrund der Komplexität von Wirtschaftsprozess und menschlicher Interaktion selbst identische Ausgangssituationen komplett verschieden entwickeln.

Es ist also nicht zuletzt unsere Interpretation dessen, was wir erleben und sehen, was das Marktgeschehen – grundsätzlich unvorhersehbar – beeinflusst.

 

 

Fazit

Und was ist die Moral von der Geschichte? Lassen Sie sich nicht verrückt machen. Vertrauen Sie auf die Kraft der Märkte, auch wenn es mal ruckelt, und ignorieren Sie Prognosen, die gern als „physikalische Zusammenhänge“ getarnt daherkommen wollen.

Denn diese gibt es an den Finanzmärkten schlichtweg nicht – das Geschehen dort ist unvorhersehbar. Nutzen Sie stattdessen die Erkenntnisse der Finanzmarktforschung und investieren Sie in ein breit diversifiziertes Portfolio, das Sie durch alle Aufs und Abs diszipliniert beibehalten.

Wenn Sie physikalische Zusammenhänge erleben wollen, dann suchen Sie sich lieber einen Apfelbaum – und genießen Sie den Fall des Apfels.

 

Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion

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