Ukraine-Krieg: Antworten auf die wichtigsten Fragen (zur Geldanlage)

Quirin Privatbank: Unsere Welt ist heute eine andere als vor einer Woche: der Einmarsch Russlands in die Ukraine ist ein schwerer Schlag gegen die Grundwerte der freiheitlichen westlichen Welt, eine Katastrophe für die betroffenen Menschen und er verunsichert Anleger.

Die meisten Themen, die vorher wichtig erschienen, treten angesichts des Leids bei unseren europäischen Nachbarn in den Hintergrund.

Viele unserer Kundinnen und Kunden sind in den letzten Tagen verständlicherweise dennoch mit Fragen rund um ihre Geldanlage auf uns zugekommen – wir haben die wichtigsten für Sie beantwortet und hoffen so, zumindest in diesen Themen zu etwas mehr Klarheit beitragen zu können.

 

Wie haben die Aktienmärkte bislang generell auf den Krieg reagiert?

Die weltweiten Kapitalmärkte haben nervös und mit spürbaren Abschlägen reagiert, wir sind aber weit entfernt von Börseneinbrüchen, wie wir sie vor zwei Jahren beim Ausbruch der Corona-Pandemie erleben mussten.

Zudem ging es seit Kriegsbeginn keineswegs nur abwärts. Richtig schwere Erschütterungen sind bislang ausgeblieben. Das kann sich aber natürlich auch jederzeit ändern.

Darüber hinaus gilt auch: Den konkreten Einfluss des Krieges kann man nicht so einfach benennen, weil viele andere Einflussfaktoren die Aktienbörsen bewegen.

 

Auch wenn die Märkte noch nicht so heftig reagiert haben: Sollte ich als Anleger jetzt nicht lieber vorsichtshalber aussteigen, ehe es noch schlimmer kommt?

Nein, sollten Sie nicht. Diese Frage erreicht uns in Krisen regelmäßig und die Antwort ist und bleibt dieselbe: Steigen Sie nicht aus, sondern bleiben Sie investiert. Bewahren Sie Ruhe und treffen Sie bitte keine überhasteten Entscheidungen, das ist in Krisen essentiell.

Denn das fundamentale Problem eines Ausstiegs ist: Sie zementieren damit die bisherigen Verluste und verlieren die Chance, diese durch die über kurz oder lang einsetzenden Gegenbewegungen wieder wettzumachen.

Die verbreitete Vorstellung, „dann wieder einzusteigen, wenn die Märkte sich beruhigt haben“, ist eine Illusion, weil dies beinhaltet, dass man rechtzeitig einsteigen kann, bevor sich die Kurse wieder deutlich erholen.

Es gibt aber niemanden, der den richtigen Einstiegszeitpunkt ankündigen kann.

 

 

Es widerspricht meinem Gefühl, tatenlos zuzusehen, wenn die Kurse doch noch in den Keller gehen, was ja durchaus passieren kann, wenn die Lage noch dramatischer wird …

Wir sind uns dessen bewusst, dass das eine unglaublich schwere Übung für jeden Anleger und jede Anlegerin ist. Ja, die Märkte könnten noch stärker einbrechen – entscheidend ist hierbei das Wort „könnten“.

Und deshalb bleiben wir dabei: Wir halten einen Ausstieg aus den Aktienmärkten auch in der aktuell unübersichtlichen Situation für falsch, wohl wissend, dass Anlagedisziplin insbesondere in Zeiten militärischer Auseinandersetzungen emotional alles andere als leicht ist.

Denn gerade in solchen Phasen fühlen sich viele Anlegerinnen und Anleger fast schon zum Handeln gedrängt, was ja auch zutiefst menschlich ist. Schließlich erlebt man im Alltag ständig, dass schnelles und aktives Reagieren in kritischen Situationen meistens doch besser ist als bloßes Abwarten.

Im Gegensatz dazu sollte sich aber eine erfolgreiche Aktienanlage nie von Emotionen leiten lassen, so schwer das in der aktuellen Situation auch fällt.

 

Müssen wir uns auf langfristige Turbulenzen einstellen?

Geopolitische Konflikte – oder deren schlimmste Ausprägung, kriegerische Auseinandersetzungen – verunsichern Anleger wie Börsianer und führen meist auch zu Verwerfungen an den Kapitalmärkten. Aber – und das muss man leider in aller Deutlichkeit so sagen – die Börsen sind im Gegensatz zu uns Menschen wenig empathisch.

Das heißt, die kurzfristigen Turbulenzen legen sich meist schnell wieder und langfristig haben geopolitische Konflikte und selbst Kriege – sofern sie geografisch begrenzt sind – kaum Einfluss auf die Wertentwicklung einer international breit gestreuten Kapitalmarktanlage. Das wurde empirisch schon häufig belegt.

Die derzeitige Lage bleibt aber unübersichtlich und kann sich jederzeit ändern, sie bleibt damit auch für Experten insgesamt schwer einschätzbar.

 

Kann der Krieg in der Ukraine zu einem Börsencrash wie im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, führen?

Die weltweiten Aktienmärkte haben auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine zwar mit Abwärtsbewegungen reagiert, wir sind momentan aber weit davon entfernt, ähnliche Börseneinbrüche wie beim Ausbruch der Coronakrise zu erleben. Angesichts der momentan noch regional begrenzten wirtschaftlichen Auswirkungen sollte es auch dabei bleiben.

Da die Lage aber äußerst dynamisch und damit unberechenbar ist, bleibt sie auch weiterhin schwer einschätzbar.

 

Sind in den Portfolios der Quirin Privatbank russische Titel enthalten?

Ja, in der Vermögensverwaltung „Markt“ und der Vermögensverwaltung „Verantwortung“ sind Kunden der Bank über Schwellenländer-ETFs auch am russischen Markt investiert, allerdings nur mit einem minimalen Anteil. Dieser lag bereits vor dem Krieg in der Ukraine bei weit unter einem Prozent.

Durch die Entwicklungen seit Kriegsbeginn betrug der Anteil russischer Investments in unseren Strategien zuletzt maximal noch 0,21 Prozent.

 

Können Sie die russischen Anteile nicht zeitnah veräußern?

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist der russische Aktienmarkt stark eingebrochen und inzwischen können an der Börse in Moskau fast keine Wertpapiere mehr gehandelt werden.

Als Reaktion darauf hat der führende Indexanbieter MSCI mittlerweile angekündigt, russische Aktien aus seinen Indizes zu entfernen. Weitere Anbieter tun das ebenfalls.

Die ersten ETF-Anbieter haben angekündigt, die in den entsprechenden Anlageprodukten enthaltenen Russland-Anteile wertmäßig auf null zu setzen. Weitere Anbieter dürften folgen.

 

 

Hat der Ausschluss russischer Werte aus dem MSCI Emerging Markets Index Einfluss auf mein Quirin-Portfolio?

Nein, auf die Portfolios der Quirin Privatbank hat das kaum Einfluss, da das Russland-Exposure wie schon erläutert zuletzt nur bei deutlich weniger als 1 Prozent lag. D. h., selbst der komplette Wertverlust ist für die Portfolios absolut verkraftbar.

 

Unterstütze ich Russland, wenn ich bei Ihnen investiert bin?

Die Investitionen in den Vermögensverwaltungsstrategien unterstützen Russland nicht. Dies würde nur durch die bei Ausgabe neuer Anleihen und Aktien unmittelbare Zeichnung der Titel geschehen, mit der dem russischen Staat bzw. russischen Unternehmen frisches Kapital zufließen würde.

Das ist aufgrund der geltenden Sanktionen aktuell aber nicht möglich.

 

Wenn es so weitergeht an der russischen Börse, verliere ich doch alles. Gibt es keine Alternativen zu den russischen Anteilen, sprich, kann das Geld nicht umgeschichtet werden?

Der bereits erwähnte aktuelle Verlust durch russische Wertpapiere in den Strategien beläuft sich auf maximal gut 0,2 %. Dies entspricht nur ca. der Hälfte der durchschnittlichen negativen Tagesschwankungen des MSCI World Index im Jahr 2021 in Höhe von minus 0,4 Prozent.

So bedenklich die derzeitigen Entwicklungen in anderer Hinsicht auch sind, so untergeordnet fallen sie in Bezug auf unsere Portfolios aus.

 

Russland wurde im Rahmen der weltweiten Sanktionen aus SWIFT ausgeschlossen. Was heißt das für das Land?

Wer über Grenzen hinweg Geld sicher und schnell überweisen will, kommt um Swift nicht herum. SWIFT ist der internationale Standard für grenzüberschreitende Interbankentransaktionen, eine Überweisung von Deutschland nach Russland wird beispielsweise über SWIFT abgewickelt.

Im Zuge der Sanktionen gegen Russland wurden zunächst nur einzelne Banken von SWIFT ausgeschlossen. Das hat zur Folge, dass direkte Auslandsüberweisungen unmöglich werden.

Nun sollen alle russischen Banken den Zugang zu SWIFT verlieren. Das würde bedeuten, dass das Senden und Empfangen von internationalen Zahlungen, z. B. auch im Zusammenhang mit dem Außenhandel, unmöglich wird.

Das hat weitreichende Konsequenzen und trifft dann natürlich auch Handelspartner von Russland, da Geld z. B. für aus Deutschland exportierte Waren nicht nach Deutschland überwiesen werden kann.

Allerdings lässt sich diese Sanktion prinzipiell auch umgehen, das wurde beispielsweise im Kalten Krieg bereits praktiziert: Eine russische Bank überweist dann Geld in einen Drittstaat, mit dem eine anderweitige technische Kommunikationsmöglichkeit besteht. Aus diesem Drittstaat kann dann per SWIFT weiterüberwiesen werden.

Trotz dieser Möglichkeit, die Sanktion zu umgehen, bleibt diese sehr wirksam, weil die Finanzflüsse extrem behindert werden. Vor allem deshalb, weil den russischen Banken die Einlagen von außerhalb Russlands abgezogen wurden oder sie darauf nicht mehr zugreifen können.

Die russischen Banken werden dadurch destabilisiert, EU-Töchter der Institute sind teilweise schon zahlungsunfähig und die (Bar-)Geldversorgung in Russland gerät ins Stocken.

 

Es war zu lesen, dass die russischen Zentralbankreserven eingefroren wurden. Was bedeutet das?

Die Zentralbankreserven eines Landes sind wie eine Art Notgroschen, nur eben ein sehr großer Groschen. Über die genaue Höhe der Zentralbankreserven eines Landes (auch der russischen) gibt es aufschlussreiche Statistiken, weniger gut ist die Informationslage hinsichtlich der Frage, wo diese Reserven gehalten werden.

Grundsätzlich können die Zentralbankreserven in Form von Wertpapieren (meist Anleihen), Gold oder auch als Liquidität, also Bar-/Buchgeld auf Konten, gehalten werden.

Von den gut 600 Milliarden US-Dollar an russischen Zentralbankreserven werden etwa 450 Milliarden in US-Dollar, Euro oder Yuan und damit im Ausland gehalten, immerhin drei Viertel aller Reserven.

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa die Hälfte aller russischen Reserven, also ca. 300 Milliarden US-Dollar, in Ländern gehalten werden, die diese Reserven eingefroren haben – die USA, Kanada, die EU und Großbritannien beispielsweise.

Auch die bei der „Zentralbank der Zentralbanken“ BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) in der Schweiz gehaltenen Reserven der russischen Zentralbank sind gesperrt.

Das bedeutet konkret, dass die russische Zentralbank auf die Liquiditätskonten nicht zugreifen und die Wertpapiere nicht handeln darf und kann.

D. h., die russische Regierung dürfte derzeit keinen Zugriff auf etwa die Hälfte der Reserven haben – das ist eine weitere massive ökonomische Einschränkung der Handlungsfähigkeit.

 

 

Einige Experten haben vor einer möglichen Krise gewarnt. Warum haben Sie als Bank nicht reagiert?

In den vielen Jahren unserer Praxiserfahrung wurden wir tatsächlich in mehr oder weniger jedem einzelnen dieser Jahre mit unterschiedlichsten Szenarien irgendwelcher Untergangspropheten konfrontiert. Es gibt daher zu jedem Zeitpunkt Ökonomen und Finanzanalysten, die eine Katastrophe an die Wand malen.

Tritt dann eine Krise tatsächlich ein, fühlen sich diese Leute in vollem Umfang bestätigt. Tritt sie nicht ein, spricht niemand mehr darüber, denn es folgt ja keine Schlagzeile.

Das Problem für Vermögensverwalter wie uns, die in operativer Verantwortung stehen, besteht nun darin, dass wir – wenn wir auf solche Untergangspropheten hören würden – niemals investieren könnten. Denn es gibt immer – selbst in den erfreulichsten Börsenphasen – Sachverhalte und Entwicklungen, ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge, die besorgniserregend sind.

Das sogenannte fundamentale Umfeld von Finanzmarktinvestitionen ist nie so, dass alle darin übereinstimmen, dass nun alles in Ordnung sei und man investieren könne.

Umgekehrt gibt es auch in Krisenphasen stets stichhaltige Argumente, die für wieder steigende Kurse sprechen – nur werden diese in der Krise normalerweise nicht gehört.

Da es zu jeder Marktphase also Argumente für fallende wie auch für steigende Kurse gibt, ist unsere Strategie, investiert zu bleiben.

Denn die Erfahrung zeigt, dass der Versuch, zum richtigen Zeitpunkt aus- und wieder einzusteigen, meist nicht gelingt und die Verluste dadurch größer sind, als wenn man durchweg investiert gewesen wäre.

 

Müsste ein Depot nicht grundsätzlich mit Puts gegen Kurseinbrüche abgesichert werden?

Absicherungen mit sogenannten „Short-Positionen“ am Terminmarkt oder speziellen Optionen verursachen teilweise hohe Kosten, welche die Wertentwicklung eines Depots in „normalen“ Zeiten dramatisch schmälern würden. Darum raten wir von einer permanenten Absicherung grundsätzlich ab.

Sollten Sie dennoch an eine Absicherung in der jetzigen Börsenphase denken, dann möchten wir auf zwei Aspekte hinweisen. Zunächst sind die erwähnten Absicherungskosten dramatisch angestiegen. Und zudem würde das effektiv auf einen (Teil-)Ausstieg aus dem Aktienmarkt hinauslaufen.

Es gelten daher alle Argumente, aufgrund derer wir vor einem Ausstieg warnen, auch in diesem Fall.

 

War eine Eskalation der Situation in der Ukraine nicht absehbar?

Das ist eine schwierige Frage, die jeder Experte wahrscheinlich anders beantworten würde – und wir sind zudem keine Politik-Experten.

Letztlich spielt es aus unserer Sicht aber – zumindest was Ihre Finanzen betrifft – kaum eine Rolle, denn es ändert nichts daran, wie Sie investiert sein sollten, in Krisen wie in Nichtkrisen: kostengünstig, prognosefrei, weltweit breitestmöglich gestreut.

 

Auch wenn die Börsenkurse (noch) nicht so stark nachgegeben haben wie in der Coronakrise: Haben wir es hier nicht mit einer Krise noch nie dagewesenen Ausmaßes zu tun, in der man seine Anlagestrategie unbedingt anpassen sollte?

Wir sind uns bewusst, dass man vor allem während einer besonders einschneidenden Krise das Gefühl hat, diesmal tatsächlich einer Katastrophe gegenüberzustehen, die sämtliche Erfahrungswerte, ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und gültigen Anlageregeln auf Dauer außer Kraft setzt.

Dieses Gefühl hatten Anleger gewiss auch während der großen Depression in den 1930er Jahren oder auch während der Weltfinanzkrise 2008 und zuletzt während der Coronakrise, um nur drei Beispiele zu nennen.

Die aktuelle kriegerische Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine scheint dem noch die Krone aufzusetzen.

Bisher haben die Märkte reagiert, aber nicht in dramatischem Ausmaß. Ob das so bleibt, ist maßgeblich vom weiteren Kriegsverlauf abhängig.

Grundsätzlich gibt es aber in jeder Krise letztlich keine bessere Anlagestrategie, als weltweit und breit gestreut dort investiert zu sein bzw. zu bleiben, wo Wohlstand entsteht, sprich im Produktivkapital der weltweiten Unternehmen.

Dies gilt in Krisen- und auch in Kriegszeiten.

 

Sollten die Märkte deutlich einbrechen: Kaufen Sie nach, um günstige Kurse mitzunehmen?

Um ein stärkeres „Verrutschen“ der Anlagequoten kümmern wir uns automatisch: Im Rahmen einer sinnvollen, regelbasierten Vorgehensweise führen wir im „Markt“-Baustein die Aktien- und Anleihequoten (aber auch alle anderen Quoten) bei groben Abweichungen von ihren vereinbarten Sollgrößen, interessewahrend wieder zurück auf ihre Ursprungsquoten (Rebalancing).

Wir tun dies, um für unsere Kunden das aus gutem Grund vereinbarte Rendite-Risiko-Profil wiederherzustellen.

Dieses rationale, bewusst unemotionale und antizyklische Vorgehen zahlt sich langfristig letztlich aus, da Wertpapiere günstiger gekauft werden, wenn der Markt tief steht.

 

Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion

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