US-Wahlen: Jetzt wird‘s ernst!

Helaba: Am 3. November wird in den USA gewählt. Ob wir bereits am Tag danach absehen können, wer in Zukunft in Washington D.C. regiert, steht auf einem anderen Blatt. Es geht um viel. Selten waren die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten so krass wie in diesem Jahr – ihre einzige Gemeinsamkeit dürfte sein, dass sie beide weiße Männer über siebzig sind. Ein Präsident Joe Biden würde so ziemlich alles anders machen als sein Amtsvorgänger – insbesondere, wenn er eine demokratische Mehrheit im Senat hinter sich hätte.

 

Trump hat uns schon einmal „kalt erwischt“

Vor vier Jahren hatten wir Donald Trump nur eine rund Ein-Drittel-Wahrscheinlichkeit eingeräumt, Präsident zu werden. Zwar hatte er damals nicht die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewonnen, aber das ist aufgrund des Wahlkollegiums, das den Präsidenten bestimmt, auch nicht erforderlich.

 

 

Die landesweiten Umfrageergebnisse, die 2016 die Demokratin Hillary Clinton klar vorne sahen, zeigen auch diesmal wieder einen Vorsprung des Demokraten. Kurz vor der Wahl 2016 hatte Clinton allerdings an Boden verloren, u.a. wegen der FBI-Ermittlungen gegen sie.

Bidens Führung hingegen ist eine knappe Woche vor dem Wahltermin solide und bewegt sich in den landesweiten Umfragen im Schnitt bei rund acht Prozentpunkten.

Da es jedoch letztlich auf die Ergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten ankommt, sind die nationalen Umfragen selbst dann nur eingeschränkt aussagekräftig, wenn die Meinungsforscher ihre Methoden seit 2016 spürbar verbessert haben. Umfragen in den Staaten, die wahrscheinlich das Zünglein an der Waage sein werden, sprechen allerdings ebenfalls für Biden.

Die Analysten von Realclearpolitics charakterisieren Staaten mit 181 der 538 Stimmen im Wahlkollegium als „toss-ups“, wo das Ergebnis statistisch gesehen sehr unsicher ist. Biden hat 232, Trump nur 125 Stimmen „sicher“ – 270 gilt es zu erreichen.

Den größten Einfluss unter den „toss-ups“ werden Texas (38 Stimmen), Florida (29), Pennsylvania (20) und Ohio (18) haben. Dass Biden hier die Nase vorn hat, signalisieren auch die Wettquoten, die ihm aktuell fast eine Zwei-Drittel-Chance geben.

Wahlergebnis könnte auf sich warten lassen

Ob wir allerdings schon am Mittwoch (oder überhaupt in der Berichtswoche) absehen können, wer im Januar den Amtseid leisten wird, ist fraglich. Donald Trump hat wiederholt Zweifel genährt, ob er im Fall einer Niederlage das Wahlergebnis anerkennen würde. Einen demokratischen Erdrutschsieg, in dem Biden klar davonzieht, würde Trump wohl nicht mit Wahlbetrug wegerklären können.

Wenn es knapper ausgehen sollte, ist aber ein anderes Szenario unangenehm plausibel: Wahlbezirke mit wenigen Stimmberechtigten sind in der Wahlnacht die ersten, die Ergebnisse melden. Diese liegen meist in ländlichen Gebieten, wo Trump dominiert. Größere Wahlbezirke und solche, wo verstärkt per Briefwahl gewählt wird, brauchen länger. Sie liegen in der Regel in Städten und favorisieren die Demokraten.

Es ist also denkbar, dass Trump gemäß Hochrechnungen in der Wahlnacht vorne liegt und seinen Sieg ausruft, nur um dann mit ansehen zu müssen, wie sein Vorsprung immer mehr zusammenschrumpft und sich gegebenenfalls ganz auflöst. Wie würde er in dieser Situation reagieren?

Pennsylvania wird per Briefwahl abgegebene Stimmen bis zu drei Tage nach dem Schließen der Wahllokale auszählen. Sollte die Wahl landesweit sehr knapp ausgehen, könnte dies allein ausreichen, um ein eindeutiges Ergebnis entsprechend zu verzögern. Zwar ist also nicht ausgeschlossen, dass es noch in der Wahlnacht klare Sieger und Verlierer gibt, darauf zählen sollten wir jedoch nicht.

Wenn wie im Jahr 2000 wiederholte Stimmzählrunden anstehen, könnte es erneut über einen Monat dauern, bis das Drama vorbei ist. Damals beendete der Supreme Court (oberste Gerichtshof) die Auszählungen und erklärte so de facto George W. Bush zum Sieger.

Eine Neuauflage solcher juristischen Auseinandersetzungen würde die Gräben zwischen Demokraten und Republikanern weiter vertiefen – zumal letztere gerade im Schweinsgalopp eine kürzlich verstorbene linke Richterin am Supreme Court mit einer Konservativen ersetzt haben.

 

 

Spannung auch bei den Wahlen zum Senat

Die USA sind keine Diktatur. Der Präsident braucht für eine effektive Regierungsarbeit eine Mehrheit im Kongress. Die Demokraten werden ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus wohl behalten und vielleicht sogar ausbauen.

Spannender ist es hingegen im Senat. Hier haben aktuell noch die Republikaner eine knappe Mehrheit von 53 Sitzen. In den vergangenen Wochen ist es aber immer wahrscheinlicher geworden, dass die Demokraten diese kippen könnten. Für eine Mehrheit im Senat sind entweder 50 oder 51 Sitze erforderlich, je nachdem, welche Partei den Präsidenten stellt, da der Vizepräsident als Vorsitzender des Senats bei einem Patt die ausschlaggebende Stimme hat.

Immerhin neun der Sitze gelten derzeit als „toss-ups“, von denen die Republikaner bislang sieben, die Demokraten zwei gehalten haben. Der nötige Zugewinn scheint also in Reichweite zu sein.

Dies würde einem Präsidenten Joe Biden erlauben, mehr von seiner ambitionierten Agenda umzusetzen. Oder Donald Trump hätte es in seiner zweiten Amtszeit schwerer, seine politischen Prioritäten zu realisieren. Er müsste noch stärker als bisher Verordnungen verwenden.

Wer auch gewinnt: Alle Präsidenten seit George Washington sind der Maxime „America First!“ gefolgt. Dies wäre auch unter Joe Biden nicht anders, z.B. im Hinblick auf die Diskussion über die internationale Besteuerung von (digitalen) Unternehmen. Dennoch würde sich die Zusammenarbeit mit den USA für die Europäer um einiges einfacher darstellen als unter Trump.

Im Verhältnis mit China sollte sich allerdings mehr der Ton als die Substanz ändern. Vor dem Hintergrund der pandemiebedingt sehr hohen Arbeitslosigkeit und der angeschlagenen Staatsfinanzen sowie der spürbar gestiegenen Handelsbilanzdefizite zeichnet sich auch auf demokratischer Seite ein sehr chinakritischer, wenn nicht gar protektionistischer Kurs ab.

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