Anlagejahr 2023 – Analysen zu den wichtigsten Anlagebereichen

Quirin Privatbank:

Mit 2022 ist ein wahrhaft unerfreuliches Anlagejahr zu Ende gegangen – eine Börsenphase, in der Aktien und Anleihen gleichermaßen starke Kursverluste hinnehmen mussten.

Das kam in der Kapitalmarkthistorie bislang sehr selten vor.

Verantwortlich dafür zeichnet die unglückliche Mixtur aus Russlands Einmarsch in die Ukraine, der dadurch beschleunigten Inflation und der mittlerweile sehr energischen Vorgehensweise der Notenbanken zur Umkehr des Preisauftriebs.

Dazu kommt die schon als Nach-Corona-Wehe bekannte Lieferkettenproblematik, die sich mit Ausbruch des Krieges noch einmal verschärft hat.

Diese Umstände werden auch im neuen Jahr wichtige Taktgeber an den Kapitalmärkten sein.

Da sie allesamt von extremen Unsicherheitsfaktoren überlagert sind, liegt die Erwartung nahe, dass es auch im angebrochenen Jahr zu stärkeren Marktschwankungen kommen wird.

 

Ruhige Börsenhand in unruhigen Börsenzeiten

Obwohl wir es für falsch halten, Anlageentscheidungen auf Prognosen abzustellen, halten wir gewisse Markteinschätzungen sowie eine Einordnung der derzeit vorliegenden Rahmenbedingungen trotzdem für sinnvoll.

Sie dienen als inhaltliche Leitplanken, damit man sich von womöglich stärkeren Kursschwankungen und vermeintlich heißen Anlagetipps nicht aus dem (Anlage-)Konzept bringen lässt.

Denn gerade in unruhigen Börsenzeiten ist eine ruhige Börsenhand unerlässlich.

Auch wenn im Rahmen unserer Analysen einzelne Marktsegmente ausdrücklich positiv besprochen werden, warnen wir doch davor, diesen in Ihrem Vermögen ein zu großes Gewicht zu verleihen, denn damit verlassen Sie den Pfad der strategischen Investition und bewegen sich auf spekulativem und holprigem Terrain.

Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung unserer Kapitalmarkteinschätzungen.

 

 

Leitplanken für die Kapitalmärkte im Jahr 2023

 

Geopolitik

Die bittere Wahrheit lautet auch im neuen Jahr: Lösungen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind nach wie vor nicht in Sicht.

Der Krieg wird somit fraglos ein markanter Unsicherheits- und Einflussfaktor bleiben und kann erhebliche Kursbewegungen auslösen, speziell an Europas Börsen – und zwar in beide Richtungen.

Ein weiterer geopolitischer Unsicherheitsfaktor ist der Taiwan-Konflikt. Hier bleibt zu hoffen, dass sich Chinas Ansprüche weiterhin nur auf der rhetorischen Ebene bewegen.

 

Inflation & Notenbankpolitik

Diese beiden Einflussfaktoren sind untrennbar miteinander verbunden und haben im abgelaufenen Jahr sowohl die Aktien- als auch die Anleihemärkte gehörig gestresst.

Es sprechen einige Gründe dafür, dass wir den Höhepunkt bei der Inflation bereits gesehen haben. So zeigen sich z. B. in der Energiekrise Entspannungstendenzen, was man mittlerweile auch an rückläufigen Rohstoffpreisentwicklungen an den Großhandelsmärkten ablesen kann.

Auch die schwächelnde Konjunktur trägt durch eine nachgebende Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zur Preisdämpfung bei.

Und offenbar entspannt sich auch die Lieferkettenproblematik an vielen Stellen.

 

 

Komplett gebannt ist die Gefahr sicher noch nicht, weil sich die Inflation mittlerweile schon auf ein breiteres Fundament stützt und nicht mehr nur von den Energie- und Lebensmittelpreisen getrieben wird – ein Phänomen, das in den USA sogar etwas ausgeprägter ist als in der Euro-Zone.

Somit werden die Notenbanken ihren Zinserhöhungstrend fortsetzen, dabei das Tempo aber sehr wahrscheinlich drosseln. Ein Ende des Erhöhungszyklus noch in diesem Jahr ist also durchaus möglich. Hierfür spricht auch, dass es den Notenbanken bis dato gelungen ist, zu verhindern, dass sich in der Bevölkerung hohe Inflationserwartungen festsetzen.

Denn wenn in der Breite davon ausgegangen wird, dass die Inflation hoch bleibt, könnte es z. B. zu preistreibenden Hamsterkäufen kommen – oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden branchenübergreifend versuchen, extrem hohe Lohnforderungen durchzusetzen.

Unternehmen wären dann gezwungen, als Ausgleich ihre Preise weiter zu erhöhen, und damit Forderungen nach noch höheren Löhnen auslösen.

Dann hätten wird es mit der gefürchteten Lohn-Preis-Spirale zu tun, die wir aber zur Stunde weder diesseits noch jenseits des Atlantiks beobachten können.

 

 

Die Rezessionsfrage

Die meisten relevanten Volkswirtschaften werden im laufenden Jahr kaum wachsen bzw. sogar leicht schrumpfen.

Der Inflations- und Zinsdruck ist einfach zu hoch. Faktoren wie sich entspannende Lieferketten und vergleichsweise robuste Arbeitsmärkte, die den Konsum stützen, deuten aber darauf hin, dass wir es nur mit einer kurzen und nicht allzu heftigen konjunkturellen Delle zu tun haben werden.

Sofern diese Einschätzung zutrifft, dürfte dies die Kapitalmärkte im neuen Jahr zumindest nicht weiter belasten.

 

Corona-Entwicklung, speziell in China

Mit Blick auf die Corona-Pandemie wird es 2023 darum gehen, ob die erreichten Eindämmungserfolge Bestand haben und ausgeweitet werden können. In vielen Industriestaaten erscheint dies nach aktuellem Stand der Dinge gut möglich, insbesondere auch in Deutschland.

Vorwiegend unter humanitären Aspekten, aber auch mit Blick auf die globale Wirtschafts- und Kapitalmarktentwicklung ist die entscheidende Frage, ob die chinesische Kehrtwende in der Covid-Politik gelingt.

Aufgrund der Rasanz der Kehrtwende, gepaart mit der noch deutlich unbefriedigenden Impfsituation, gibt es hier noch erhebliche Fragezeichen. Ohne schnelle Fortschritte könnten steigende Todeszahlen auch neue Lockdowns zur Folge haben.

Es bleibt sehr zu hoffen, dass dies nicht geschehen wird. Bekommt China das Virus vernünftig in den Griff, wovon wir zumindest mittelfristig ausgehen, dürfte sich der aufgestaute Konsumbedarf kräftig entfalten und die Lieferkettenproblematik sollte sich weiter reduzieren.

 

 

Aktien

Das Aktienjahr 2023 dürfte sich wie 2022 nochmals schwierig und höchstwahrscheinlich auch schwankungsintensiv gestalten. Aber es gibt auch Lichtblicke, so z. B. bei der Inflation, die auf dem absteigenden Ast zu sein scheint.

Damit sollten auch die Notenbanken auf einen zunehmend moderateren Zinserhöhungskurs umschwenken.

Aus unserer Sicht spricht einiges dafür, dass die Zinswende und die gestiegenen Preise zwar für eine unerfreuliche weltwirtschaftliche Delle sorgen, die Konjunktur aber nicht vollends aus der Bahn werfen werden.

Vor diesem Hintergrund bestehen durchaus gute Chancen, dass ein global breit gestreutes Aktienengagement am Jahresende wieder ein Pluszeichen aufweisen wird.

Apropos Wertentwicklung: Schmerzhafte Jahre wie das vergangene gehören zur Aktienanlage dazu, ja sie liegen sogar in der Natur der Börsen. Letztlich sind sie sogar der Grund, warum man auf längere Sicht mit einer attraktiven Rendite, sprich mit einer Risikoprämie, rechnen kann.

Ein weiterer Pluspunkt für die Aktienmärkte: Global gesehen dürfte das Interesse an Aktieninvestments allein deshalb wieder zunehmen, weil im letzten Jahr der allgemeine Pessimismus extrem nach oben schnellte und viele Anlegerinnen und Anleger ausgestiegen sind.

Allgemeine Entspannungssignale dürften viele aus dieser tendenziell eher stimmungsgetriebenen Gruppe veranlassen, wieder in den Aktienmarkt einzusteigen, was die Kurse stützen würde.

 

 

Anleihen

Für Unsicherheit an den Anleihemärkten dürfte zunächst noch die Unklarheit darüber sorgen, wann und auf welchem Niveau der Leitzinsgipfel erreicht sein wird und wie es in Sachen Inflation weitergeht. „Langsamer für länger“ – so lautet momentan das Motto der Notenbanken in Bezug auf weitere Zinserhöhungen.

Nichtsdestotrotz dürfte der Großteil der Leitzinsanhebungen und damit auch des Renditeanstiegs an den Anleihemärkten hinter uns liegen.

So trist das Anleihejahr 2022 auch war, bleibt andererseits für Anlegerinnen und Anleger die durchaus positive Erkenntnis: Der Zins ist zurück. Durch den rasanten Zinsanstieg der letzten Monate erzielt man bei Neuanlagen endlich wieder Renditen, die spürbar über der Nulllinie liegen.

Bei bestehenden breitgestreuten Anleihedepots profitiert man zukünftig vom sog. „Wiederanlageeffekt“, der die in 2022 aufgelaufenen Verluste nach und nach kompensieren wird.

Das Jahr 2023 sollte insgesamt deutlich ruhiger verlaufen und allenfalls leichte Renditesteigerungen mit sich bringen.

Anleihen sollten aufgrund des spürbar gestiegenen Renditeniveaus ihre langfristig nach wie vor intakte Stabilitätsfunktion mit Blick auf die in der Regel viel schwankungsfreudigeren Aktien wieder deutlich besser erfüllen können.

 

Gold

Nach einem – in Dollar gerechnet – Nullsummenspiel im letzten Jahr sind in 2023 durchaus wieder Zuwächse beim Goldpreis möglich, auch wenn diese durch die verstärkte Konkurrenz des wieder attraktiver verzinsten Anleihebereichs nicht in den Himmel wachsen dürften.

Deutliche Abwärtsrisiken sehen wir anderseits nicht, weil der nach wie vor bestehende Krisen-Mix die Goldnachfrage weiter stützen sollte.

 

Sonstige Rohstoffe

Die Wertentwicklung vieler Rohstoffe im Jahr 2022 war nochmals beachtlich. Diese starken Preisanstiege begrenzen aber unserer Meinung nach die Chancen im Jahr 2023.

Im Rahmen von Entspannungen auf der Angebotsseite (sukzessive Auflösung von Lieferkettenproblemen) und einer konjunkturell bedingt schwächeren Nachfrage rechnen wir mit einer Seitwärtsbewegung des breiten Rohstoffmarktes.

Wahrscheinlich geschieht dies unter hohen Schwankungen, da diese Märkte derzeit stark von politischen Entwicklungen geprägt sind.

Rohstoffmärkte und auch die dazugehörigen Investments sind inhaltlich sehr komplex. Zudem kann für sie – anders als für Aktien und Anleihen – auch keine wissenschaftlich nachgewiesene Risikoprämie erwartet werden.

Sie sollten von daher allenfalls als kleine, bewusst spekulative und idealerweise breit gestreute Beimischung genutzt werden.

 

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

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