Das Geschäft mit der Angst: Bei der Geldanlage nicht von Ängsten leiten lassen

Quirin Privatbank: Neulich habe ich zufällig einen ehemaligen Kollegen getroffen, der heute Vertriebsmanager bei einer mittelständischen Versicherung ist. Wir kamen ins Plaudern, ich fragte: „Wie geht’s, was macht das Geschäft?“ Er: „Prima, du weißt doch, mit Angst kann man gut verkaufen, und wenn es etwas in Deutschland gibt, dann Angst. Und die wird ja immer mehr.“

Zack, das saß! Natürlich war das keine neue Information für mich, ich bin lange genug in der Finanzbranche unterwegs, um gut genug zu wissen, wie sie funktioniert. Dennoch hat mich diese Aussage getroffen und geärgert.

Angst ist für die meisten von uns negativ besetzt, dabei ist sie per se nichts Schlechtes – im Gegenteil, sie hat evolutionär eine wichtige Funktion, sie ist ein Überlebensmechanismus.

Wenn wir Angst verspüren, konzentrieren wir uns stärker, wir werden fokussierter.

 

Instrumentalisierung der Angst

Angst wird jedoch oft instrumentalisiert, in meiner Wahrnehmung vor allem auch in Deutschland – nicht nur von Versicherungen, wie das Wiedersehen mit besagtem Vertriebsmanager zeigt, sondern generell von der gesamten Finanzbranche, aber auch von Wirtschaftsvertretern, von Politikern, von den Medien.

Nachvollziehbare Ängste und berechtigte Sorgen der Menschen werden dabei nicht selten hysterisch überzeichnet und so in der öffentlichen Wahrnehmung verschlimmert. Das schafft Dramatik und hilft so, die eigenen Interessen besser durchzusetzen.

Die Ziele liegen dabei meist auf der Hand: Es geht darum, Produkte zu verkaufen, Wählerstimmen zu gewinnen oder Auflage zu machen.

 

Es ist immer fünf vor zwölf

Diese unnötige Dramatisierung führt dazu, dass gefühlt seit Jahrzehnten immer wieder neue Katastrophen über die Menschheit hereinzubrechen drohen. Dieses Phänomen hat die WELT schon 2010 recht treffend beschrieben.

 

 

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – der Krieg in der Ukraine ist ein Alptraum und auch darüber hinaus gibt es heute mehr als genug Herausforderungen, die gelöst werden wollen: Die Schere zwischen Arm und Reich muss geschlossen, der Klimawandel gestoppt und sämtliche Konflikte auf der Welt möglichst schnell beigelegt werden.

Auf finanzieller Ebene ist die Inflation derzeit das Thema, das die Menschen beschäftigt – und zwar zu Recht, denn eine Inflation von 7,5 Prozent ist ein Fakt, der für viele Menschen existentielle Folgen hat und sich handfest im Geldbeutel bemerkbar macht.

 

Unterschied zwischen Bedrohung und Panikmache

An all diesen Problemen gibt es nichts kleinzureden oder zu beschönigen. Wichtig ist es aber, zu unterscheiden zwischen den tatsächlichen realen Bedrohungen und einer überzogenen öffentlichen Panikmache.

Denn es ist niemandem geholfen, wenn Konflikte und Probleme permanent überspitzt werden – um die Lösung, um unser entschiedenes Handeln muss es doch gehen.

 

Berichterstattung im Sekundentakt

Die Medien haben hierbei eine ganz besondere Rolle inne – sie müssen Auflage machen, und das geht offenbar besonders gut durch Dramatisierung und Zuspitzung.

So werden wir heute vor allem online im Sekundentakt mit Informationen überschüttet, wenn wir es zulassen. Auf einer Veranstaltung hörte ich kürzlich, dass wir heute an einem Tag so viele Informationen erhalten wie die Generation vor uns in einem Monat! Ich kann das leider nicht verifizieren, für mein Gefühl könnte das aber hinkommen.

So entsteht oder verstärkt sich der Eindruck, heute sei alles ganz besonders schrecklich und früher war alles viel besser. Kurzum: Heute ist mehr Krise als früher.

Auch der Fakt, dass heute jeder seine Meinung öffentlichkeitswirksam kundtun kann, verstärkt das Gefühl, heute gäbe es mehr Krisen.

Dem ist aber nicht so, wie der Blick auf historische Krisen zeigt.

 

 

Verantwortungsbewusster Umgang mit Ängsten

Und hier komme ich wieder auf die nicht böse gemeinte, aber doch etwas unbedachte Aussage des Versicherungsmanagers zurück – Angst gebe es in Deutschland immer mehr als genug.

Das gibt mir auch deswegen zu denken, weil wir seit Ende Februar noch einen weiteren handfesten Grund haben, uns Sorgen zu machen und beängstigt zu sein. Ein Krieg in Europa, der möglicherweise weitere Länder erfassen könnte – bis vor Kurzen ein undenkbares Szenario, ist jetzt zur realen Bedrohung geworden.

Daraus ergibt sich meiner Meinung nach eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, nein, eine Verpflichtung, besonders behutsam mit sämtlichen Angst-Themen umzugehen und diese nicht noch gezielt zu instrumentalisieren.

Doch das liegt jenen Akteuren, die mit der Angst Kasse machen wollen, fern.

Und damit meine ich nicht nur Versicherer, sondern auch Banken und andere Finanzdienstleister. Klar, die Versicherungsbranche ist so groß geworden – mit Angstmacherei, dem käuflich zu erwerbenden Schutz vor dem unwahrscheinlichen Schadensfall, der, wenn er eintritt, dann häufig doch nicht oder nur begrenzt abgedeckt ist.

Aber auch Banken und Finanzdienstleister nutzen Ängste und Sorgen ihrer Kunden gerne, um ihnen neue, vermeintlich bessere Produkte zu verkaufen, ihnen zu suggerieren, dass sie diesen oder jenen Trend keinesfalls verpassen dürfen, dass sie durch geschicktes Rein und Raus eine optimale Rendite erzielen können etc.

 

Bei der Geldanlage nicht von Ängsten leiten lassen …

Lassen Sie sich davon nicht verrückt machen – Angst ist selten ein guter Ratgeber, in Sachen Geldanlage ist er das nie. Übrigens bin ich sehr dankbar, dass unser Anlagekonzept genau ohne die beschriebene Angstmacherei auskommt und darauf gänzlich verzichten kann.

Denn so berechtigt viele Ängste, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen, sind, so wenig sollten Sie sich bei der Geldanlage davon leiten lassen. Auch dann nicht, wenn Angstbarometer und Angstindizes suggerieren, dass man – wenn man selbige richtig liest – die eigene Anlagestrategie danach ausrichten könnte: Das ist und bleibt Quatsch.

Derartige Barometer taugen langfristig nicht zuverlässig als Takt- oder Ratgeber für die eigene Geldanlage.

Vielmehr gilt, was wir Ihnen schon fast mantraartig immer wieder mitgeben: Der richtige Zeitpunkt für eine Anlage an den Kapitalmärkten ist immer jetzt, wichtig dabei ist, möglichst breit gestreut zu investieren und langfristig zu agieren.

 

… insbesondere nicht in Krisen

Das gilt insbesondere in echten Krisensituationen. Zudem hat dann ein weiteres Patentrezept Gültigkeit: Ruhe bewahren. Die Märkte haben sich immer erholt – und werden es immer tun.

Das heißt aber eben auch, investiert zu bleiben, wenn es mal abwärts geht.

 

 

Bleiben Sie zuversichtlich!

Ein Kollege meinte letztens, Deutschland wird immer mehr zum Angsthasenland. Wir haben Angst vor der Inflation, vor der Deflation, vor Arbeitslosigkeit, vor Fachkräftemangel, vor der Hitze, vorm Frieren, vor Exportrisiken, vor Importrisiken etc.

Wenn dem so ist, dann auch deswegen, weil Ängste und Sorgen oft gezielt instrumentalisiert werden.

Und deshalb wünsche ich mir von jedem Einzelnen, der dazu beitragen kann, weniger Panikmacherei, mehr sachliche Berichterstattung, weniger Instrumentalisierung – auch wenn das zugegeben ein wenig idealistisch klingt. Und ich wünsche mir mehr Zuversicht!

Denn bei alle Herausforderungen, die noch vor uns liegen, haben wir berechtigte Gründe, aber auch eine gewisse Verpflichtung dazu. Warum? Um diese Herausforderungen zu lösen, um unsere Welt voranzutreiben und sie für unsere Kinder besser zu machen.

Ich persönlich bin deswegen auch eher ein Freund des Hoffnungsindex – der zeigt, dass im Jahr 2020 43 Prozent der Befragten aus 41 Ländern der Meinung waren, dass 2021 besser werden würde als das Vorjahr. 26 Prozent nahmen zum Befragungszeitpunkt an, dass 2021 genauso werden würde, 24 Prozent gingen von einer Verschlechterung aus.

Insgesamt herrschte 2020 also deutlich mehr Optimismus als Pessimismus.

 

 

Zuversicht ist letztlich wie die Angst auch ein Überlebensmechanismus und deshalb besonders in schwierigen Zeiten wichtig.

Wer regelmäßig dieses Tagebuch liest, weiß, dass ich ein großer Freund der Zuversicht bin und auch unsere Anlagephilosophie letztlich auf der Zuversicht und dem Wissen basiert, dass die weltweiten Aktienmärkte sich langfristig gesehen immer nach oben entwickeln, allen kurzfristigen Turbulenzen und Krisen zum Trotz.

Das war schon immer so und wird in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung immer so sein, darauf können Sie sich verlassen, auch wenn es immer häufiger fünf vor zwölf zu sein scheint. Und: Trotz allem, was auf unserer Welt passiert: Es ist richtig, an die Zukunft zu glauben (und gemeinsam daran zu arbeiten)!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute vor allem eines: Bleiben Sie zuversichtlich!

 

Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion

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