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EZB lockert und sucht nach Alternativen
• Die EZB wird den Leitzins bei der anstehenden Sitzung vermutlich um 50 Basispunkte auf 1,0 % senken.
• Mitglieder des EZB-Rats haben einer Nullzinspolitik gleichwohl eine Absage erteilt. Die EZB wird den Lockerungskurs mit unkonventionellen Instrumenten fortsetzen.
• Als alternative Maßnahmen stehen eine Verlängerung der Fristen bei Refinanzierungsgeschäften und der Ankauf von Commercial Papers auf der Agenda.
Deflation wieder ein Thema
Die EZB wird sich in der kommenden Sitzung zunächst noch einmal auf ihr klassisches Instrumentarium konzentrieren und den Leitzins um 50 Basispunkte senken. Die jüngsten Konjunkturdaten aus dem Euroraum untermauern dieses Szenario. Die Verbraucherumfrage der Europäischen Kommission ist im März auf ein Allzeittief gefallen. Eindeutig überwiegen derzeit die Konjunktursorgen gegenüber den Inflationsängsten. Zumal die Teuerungsrate im Euroraum mit einem Wert von +0,6 % ebenfalls auf ein historisches Tief gefallen ist.
Deflationssorgen sind wieder in den Fokus gerückt und das trotz aller langfristigen Inflationsgefahren durch steigende Staatsverschuldung. Dazu hat der überraschende Rückgang der spanischen Jahresteuerung auf -0,1 % beigetragen. Der absolute Preisrückgang in einem traditionell eher inflationsgeprägten Euroland dürfte auch den EZB-Rat beeindrucken. Womöglich wird die EZB den Lockerungskurs forcieren und schneller als bislang erwartet auf „unkonventionelle Maßnahmen“ zurückgreifen.
Mitglieder der EZB, insbesondere Bundesbankpräsident Weber, haben allerdings einer weiteren Senkung des Refinanzierungssatzes unter die 1 %-Marke eine Absage erteilt. Sie begründen die Ablehnung einer Nullzinspolitik mit den negativen Erfahrungen, die die Bank of Japan in den 90er Jahren damit gemacht habe. Der Anreiz der Banken, sich untereinander Geld zu leihen und so den Interbankenmarkt wieder in Schwung zu bringen, werde durch einen Leitzins von Null konterkariert. Ein Umschwenken auf eine Nullzinspolitik wäre nach diesen Äußerungen schwer zu vermitteln und könnte das Vertrauen in die EZB beschädigen.
Kauf von Staatsanleihen bleibt außen vor
Nachdem die Notenbanken der USA, Großbritanniens und Japans zum sogenannten „quantitative easing“ übergegangen sind, ist auch der Druck auf die EZB gestiegen, alternative unkonventionelle Instrumente einzusetzen. Dabei stehen der EZB verschiedenen Optionen offen:
1. Verlängerung der Fristen von Refinanzierungsgeschäften
Geschäftsbanken können sich den niedrigen Leitzins bislang maximal sechs Monate sichern. Um die Liquiditätsbedingungen der Banken, insbesondere die Planungssicherheit zu erhöhen, könnte die Dauer der Refinanzierungsgeschäfte auf bis zu 12 Monate ausgeweitet werden. Nachteilig ist dabei, dass die Abhängigkeit des Finanzsystems von der Notenbank noch größer wird.
2. Ankauf von privaten Schuldverschreibungen
Durch den Kauf von Anleihen und kurzfristigen Schuldverschreibungen von Unternehmen kann die Liquiditätsversorgung der Firmen verbessert werden. Einer Kreditklemme im privaten Sektor wird damit spürbar entgegengewirkt. Allerdings besteht beim sogenannten „credit easing“ das Risiko, dass es zu Markt- und Wettbewerbsverzerrungen kommt. Vergleichsweise einfach umzusetzen ist der Ankauf von Commercial Papers, da es sich nur um die kurzfristige Liquiditätsbereitstellung für Unternehmen handelt. Jedoch ist auch die Wirkung relativ begrenzt. Die EZB kann mit solchen Maßnahmen nicht den langfristigen Zins beeinflussen.
3. Ankauf von Staatsanleihen
Durch den Kauf von Staatspapieren wird zusätzlich Liquidität in das Finanzsystem gepumpt und gleichzeitig das Zinsniveau am Kapitalmarkt künstlich niedrig gehalten. Auf diese Weise kann die Notenbank die Realwirtschaft mit Liquidität ausstatten und gleichzeitig den Staat refinanzieren. Die Gefahren dieses oft als „Anwerfen der Notenpresse“ bezeichneten Instruments sind langfristig steigende Inflationserwartungen und im Extremfall eine Flucht in Sachwerte.
Ein Leitzins von 1 % ist am Kapitalmarkt bereits eskomptiert. Einer echten „Nullzinspolitik“ wurde eine Absage erteilt und ein Kursschwenk könnte das Vertrauen im Krisenmanagement der EZB beschädigen. Die EZB befindet sich angesichts der immer bedrohlicheren Wirtschaftskrise unter Handlungsdruck. Präsident Trichet wird das weitere Vorgehen der EZB in dieser Ausnahmesituation erläutern müssen. Vermutlich wird der EZB-Rat bereits in der kommenden Sitzung einer zeitlichen Ausdehnung der Refinanzierungsgeschäfte zustimmen. Darüber hinaus dürften die Währungshüter auch den Ankauf von Commercial Papers in Aussicht stellen. Eher unwahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt ist der Ankauf von Euro-Staatsanleihen am Sekundärmarkt. Hier dürften die Widerstände der Falken im EZB-Rat besonders hoch sein.
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