Indiens BIP-Wachstum übertrifft Erwartungen trotz Handelskonflikten mit den USA
Die jüngsten Daten zum indischen Bruttoinlandsprodukt zeigen eindrucksvoll, dass das Land seinem Ruf als Wachstumslokomotive einmal mehr gerecht werden konnte. Für die Monate Juli bis September – dem zweiten Quartal des indischen Fiskaljahres – meldete die nationale Statistikbehörde ein BIP-Wachstum von 8,2% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies lag deutlich über den Markterwartungen und stellt sogar eine Wachstumszunahme gegenüber dem 1. Quartal dar, als das BIP um 7,8% gg. Vj. zulegte.
In einer Zeit globaler Unsicherheiten beweist Indien damit eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit.
Ende August folgte darüber hinaus ein zusätzlicher Strafzoll in gleicher Höhe, um Indien für seine anhaltend hohen Ölimporte aus Russland zu sanktionieren. Mit dem daraus resultierenden Zollaufschlag von insgesamt 50% auf Exporte in die USA gehört Indien zu den am stärksten betroffenen Ländern.

Dies hatte erwartungsgemäß Auswirkungen auf Indiens Handel mit den USA, dem wichtigsten Exportpartner des Landes, für den etwa ein Fünftel der Ausfuhren bestimmt ist. Produktion und Exporte zeigten sich im letzten Quartal stark – vermutlich wegen Vorzieheffekten vor Inkrafttreten der Zölle.
Im September und Oktober, den ersten vollen Monaten mit 50% Zollbelastung, ließen sich jedoch deutliche Rückgänge der Exporte in die USA von 12% bzw. 9% gg. Vj. beobachten. Auch mit anderen Ländern schwächelten die Exporte zuletzt, sodass selbst die starken Ausfuhren nach China die negativen Auswirkungen nicht vollständig abfedern konnten. Während bei den Gesamtexporten im September noch ein Plus von 7% zu Buche stand, gaben sie im Oktober um 12% nach.
Indiens Wirtschaft profitiert vom starken Binnenkonsum
Einen Impuls erhält die Kauflaune der privaten Haushalte aktuell durch das moderate Preisniveau. Die Inflation könnte sich im laufenden Kalenderjahr bei für Indien rekordniedrigen 3% einpendeln. Der günstige Inflationsausblick ermöglichte eine stärkere geldpolitische Lockerung: Seit Februar hat die indische Zentralbank den Leitzins viermal auf aktuell 5,25% gesenkt, was ebenfalls konsum- und wachstumsfördernd wirkt.

Auch die jüngste Steuerreform stärkt die Kaufkraft der Inder: Seit September gilt eine vereinfachte und teilweise deutlich reduzierte Umsatzsteuer (GST). Viele Grundnahrungsmittel sind seitdem steuerfrei. Für andere Güter (vor allem langlebige Konsumgüter) und Dienstleistungen wurden die Sätze verringert, während Luxusprodukte nun höher versteuert werden. Damit sollen der Konsum gesteigert und Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen entlastet werden.
Der Zeitpunkt für die Umsetzung ist äußerst günstig: Die Diwali-Feierlichkeiten im Oktober markierten den Beginn der mehrmonatigen Festsaison, in der die Inder typischerweise große Anschaffungen tätigen. Der Konsum könnte daher in der zweiten Hälfte des indischen Fiskaljahres einen deutlichen Aufschwung erfahren.
Indien und USA nähern sich im Handel wieder an
Zudem dürfte Indien von der Mitte November getroffenen Entscheidung der USA profitieren, Gegenzölle auf bestimmte Agrarprodukte zurückzunehmen. Dies gilt zwar für alle Handelspartner der USA, schafft aber gleiche Wettbewerbsbedingungen für die bisher besonders betroffenen indischen Exporteure. Das indische Handelsministerium schätzt, dass dieser Schritt Agrarexporte im Wert von rund einer Mrd. US-Dollar effektiv von der Zollpflicht befreit.

Indien peilt erneut über 6 Prozent BIP-Wachstum an
Die Einkaufsmanagerindizes unterstützen den positiven Wachstumsausblick sowohl für den Industrieals auch den Dienstleistungssektor mit Werten deutlich oberhalb der Expansionsschwelle von 50. Insgesamt rechnen wir für 2025/26 mit einem BIP-Zuwachs in Höhe von 6,5% gg. Vj. wobei die „Risiken“ nach dem äußerst starken 2. Quartal hier klar auf der Oberseite liegen.
Im kommenden Fiskaljahr halten wir ein Plus von 6,1% für möglich – vor allem wenn ein Handelsabkommen mit den USA zustande kommt. Indien bleibt damit eine der dynamischsten Volkswirtschaften weltweit.
Disclaimer & Risikohinweis
Themen im Artikel






