Länderanalyse: Italien – Erfolge vorhanden, aber Herausforderungen bleiben trotzdem

Helaba: Auch unter Georgia Meloni ist die politische Stabilität Italiens gewährleistet. Durch die Energiekrise durchlebt das Land allerdings eine konjunkturelle Schwäche, die im Laufe des Jahres überwunden werden sollte.

2023 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 % zulegen. Die europäischen Transfers helfen.

In den nächsten Jahren sind neben dem Klimaschutz Reformen des Rentensystems sowie in Bildung, Verwaltung und Justizsystem vordringlich.

Die hohe Staatsverschuldung bleibt eine Herausforderung.

Die neue Regierung unter Georgia Meloni, die seit Oktober 2022 im Amt ist, hat die anfängliche Verunsicherung abbauen und für Vertrauen sorgen können. Im Verhältnis zu Europa wird ein kooperativer Kurs gepflegt.

Italien war jahrzehntelang wachstumsschwach.

Dies hat sich zurzeit vor allem durch eine expansive Fiskalpolitik geändert.

Den im europäischen Vergleich überdurchschnittlichen Wirtschaftseinbruch durch Corona hat das Land aufgeholt.

 

 

 

Allerdings haben die hohe Inflation sowie die Verunsicherung durch den Ukraine-Krieg die Konjunktur belastet.

Das Bruttoinlandsprodukt sank im vierten Quartal 2022 leicht um 0,1%.

Nach einem nochmals schwachen ersten Quartal dürfte die Dynamik wie in den anderen europäischen Ländern wieder zunehmen, auch weil die Energiepreise den Rückwärtsgang eingelegt haben.

Nach einem Wachstum 2023 von 0,7% (Eurozone: 0,6%) dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2024 um 1,7% (Eurozone: 1,4%) erneut leicht überdurchschnittlich zulegen.

 

 

Starke Investitionstätigkeit auch dank Transfers

Großzügige Mittelzuweisungen aus Brüssel helfen, das Wachstum anzukurbeln. Das Land hat neben kohäsionspolitischen Zuweisungen der EU von rund 42 Mrd. Euro bis 2027 Anspruch auf Transfers von knapp 70 Mrd. Euro aus der Aufbau- und Resilienzfazilität.

Hinzu kommen günstige Kredite. Beides zusammengenommen sind dies über 190 Mrd. Euro oder fast 11% der italienischen Wirtschaftsleistung. Etwa ein Drittel hiervon ist bereits ausgezahlt.

Voraussetzung für die Hilfen ist, dass die vorgegebenen Reformziele z.B. in der Verwaltung eingehalten werden. Digitalisierungsprojekte und Umweltschutz können davon profitieren.

 

 

Von den Fiskalmitteln profitieren die Investitionen, obwohl Personal für die Umsetzung fehlt.

Italien kommt mit der Verausgabung der genehmigten Mittel nur schleppend voran.

Trotzdem sind die Bauinvestitionen aktuell fast 35% und die Ausrüstungen rund 15% höher als vor der Corona-Krise.

Das Geschäftsklima der Unternehmen hatte sich trotz der Krisen kaum eingetrübt und zuletzt erholt.

2023 sollten die Anlageinvestitionen weiter zulegen, aber an Dynamik verlieren.

 

 

Das Geschäftsklima im Bau ist auf hohem Niveau. Neben Infrastruktur wird auch verstärkt in den Wohnungsbau investiert, dessen jahrelanger Rückgang bereits 2015 zu Ende gegangen war.

Der Zuwachs der Wohnungsbauinvestitionen lag 2022 bei 11%.

 

Trotzdem hat die Dynamik nachgelassen.

 

Nicht nur aufgrund höherer Hypothekenzinsen und gestiegener Baukosten dürften die Antriebskräfte noch schwächer werden. So ist die extrem großzügige Sanierungsförderung „Superbonus 110“ eingeschränkt worden.

Hiermit konnten sogar mehr als die gesamten Kosten z.B. für die energetische Erneuerung, nämlich 110%, von der Steuer abgezogen werden. Wer nur wenig Steuern zahlen muss, konnte die Steuergutschrift weiterverkaufen.

Dieses System hat zu enormem Missbrauch und hohen Kosten geführt. Das Statistikamt Istat musste sogar das Staatsdefizit für 2021 von 7,2% auf 9% und für 2022 von 5,6% auf 8% anpassen.

Insgesamt betrug die Rechnung für die sehr großzügige Hilfe rund 120 Mrd. Euro. Der Weiterverkauf der Steuergutschriften ist nun abgeschafft worden.

Dies wird sich im Bestandbau negativ bemerkbar machen.

Auch die Wohnungsbaugenehmigungen sind zuletzt gefallen.

 

Private Haushalte müssen Gürtel enger schnallen

Auch in Italien stiegen die privaten Konsumausgaben 2022 aufgrund von Nachholeffekten bei Dienstleistungen mit 4,6% deutlich. Die Sparquote ist auf das Vorkrisenniveau gesunken. Weitere Rückgänge dürften sich in Grenzen halten. Umso stärker belastet die hohe Inflation.

Obwohl die Preissteigerungen bei Strom und Gas zurückgegangen sind, betrug die Rate im März in harmonisierter Rechnung immer noch 8,2%. Der Preisdruck hat sich auf viele Bereiche ausgebreitet.

Die Kernrate lag zuletzt bei 5,3%.

2023 dürfte die Inflationsrate knapp 7% erreichen.

Die Löhne können hier erneut nicht mithalten, so dass die Arbeitnehmer in realer Rechnung Verluste hinnehmen müssen.

 

 

Trotzdem hat sich das Konsumklima zuletzt etwas verbessert.

Ein Grund hierfür dürfte die steigende Beschäftigung sein.

Der Coronabedingte Einbruch von 2020 ist mittlerweile aufgeholt.

Die privaten Konsumausgaben dürften 2023 nicht stärker als das Bruttoinlandsprodukt (0,7%) zulegen.

Nach den Steuerentlastungen für Familien und Unternehmen, um hohe Energiekosten abzufedern, sind vorerst keine weiteren Hilfen geplant.

Das eingeführte Bürgergeld für Bedürftige (Reddito die Cittadinanza) läuft sogar aus.

 

 

Geplante Steuerreform

Mit der geplanten Steuerreform soll ab 2025 u.a. die Zahl der Steuersätze bei der Einkommensteuer von heute vier auf drei verringert werden.

Allein hierfür werden Kosten zwischen 4 und 10 Mrd. Euro genannt. Dies soll der erste Schritt hin zu einer Flat Tax sein.

Ob diese aufgrund der hohen Kosten wirklich bis zum Ende der Legislaturperiode 2027 realisiert werden kann, bleibt abzuwarten.

Darüber hinaus sind Entlastungen für Unternehmen wie die Senkung der Körperschaftsteuersätze sowie die Abschaffung der regionalen Wertschöpfungssteuer geplant.

 

Gegenbewegung beim Außenhandel

Der Außenhandel hat das Wirtschaftswachstum 2022 belastet. In diesem Jahr dürfte es zu einer Gegenbewegung kommen. Bereits im vierten Quartal 2022 sind die Importe – auch aufgrund des schwachen Konsums – deutlich gesunken, während die Exporte gesteigert werden konnten.

Das Ausgangsniveau für die Einfuhren zu Jahresbeginn ist damit vergleichsweise niedrig.

Zudem dürften sich wichtige Exportdestinationen konjunkturell erholen.

Das für Italien wichtigste Abnehmerland mit einem Anteil von 12,4% ist Deutschland, vor den USA (10,4%) und Frankreich (10%).

Vom zu erwartenden Post-Pandemie-Aufschwung in China wird Italien allerdings kaum profitieren.

Das Land exportiert nur 2,6% seiner Waren dorthin. Auch andere asiatische Wachstumsmärkte sind unterrepräsentiert.

 

Herausforderungen für die Wirtschaftspolitik bleiben

Die Staatverschuldung war durch die Corona-Pandemie 2020 deutlich auf 155% des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. 2022 konnte sie auch durch das starke Wirtschaftswachstum auf 145% gesenkt werden.

Dieser Abbau muss aber vor dem Hintergrund steigender Kapitalmarktzinsen fortgesetzt werden.

Die zehnjährige italienische Staatsanleihe wird aktuell mit über 4% verzinst, vor zwei Jahren lag der Satz noch bei 0,7%.

Hierfür sind möglichst positive Primärsalden, also Haushaltsüberschüsse abzüglich der Zinskosten, notwendig.

Damit sinken die Möglichkeiten, Reformen z.B. im Steuerbereich finanziell zu alimentieren.

 

Schwache Produktivitätsentwicklung

Ein Grundproblem Italiens ist die schwache Produktivitätsentwicklung, die auch das Wirtschaftswachstum bremst. Obwohl zuletzt eine Besserung eingetreten ist, müssen strukturelle Veränderungen fortgesetzt werden.

So gelten Verwaltung und Justiz als zu langsam.

Zudem muss mehr in das Bildungssystem investiert werden.

Die Regierung will nun die Bezahlung der Lehrer und die Schulausstattung verbessern.

Es bleibt allerdings die Frage, ob sich dies wirklich in den Bildungsergebnissen positiv niederschlägt.

 

 

Kostspieliges Rentensystem

Kostspielig ist das italienische Rentensystem. Das Land gibt mit 16% etwa 4 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts mehr hierfür aus als Deutschland. Die Zahl der Menschen im beschäftigungsfähigen Alter wird in den nächsten Jahren deutlich sinken, so dass die Kosten weiter zunehmen.

Weiterhin ist Italien von großen regionalen Disparitäten geprägt.

Während im Nordwesten des Landes pro Kopf ein Bruttoinlandsprodukt von über 37.000 Euro erwirtschaftet wird und das Zentrum bereits nur noch 32.000 Euro erreicht, sinkt die Wirtschaftskraft im Süden und auf den Inseln auf nur rund 20.000 Euro.

Eine Annäherung hat in den letzten Jahren trotz Transfers nicht stattgefunden. Erfreulicherweise ist zumindest die Arbeitslosigkeit tendenziell gesunken.

Sie lag in harmonisierter Rechnungsweise zuletzt unter 8%. Dies gilt auch für die Jugendarbeitslosigkeit, obgleich diese mit über 22% weiterhin sehr hoch ausfällt.

 

Italien & Erneuerbare Energien

Neben den strukturellen Veränderungen mit dem Ziel, die Produktivität zu erhöhen, muss auch in Italien die von der EU geforderte Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden.

Beim Ausbau erneuerbarer Energien ist Italien weit davon entfernt, seine Ziele zu erreichen.

Deswegen sollen nun die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Auch ist die Verbreitung der Elektromobilität besonders gering.

Es fehlt an Ladesäulen und die Fahrzeuge sind für viele zu teuer.

Die italienische Wirtschaftspolitik steht damit trotz der Stimulierung durch europäische Mittel vor enormen Herausforderungen, die nur mit einer stabilen Regierung bewältigt werden können.

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