Negative Renditen verschärfen die Jagd nach Einkommen

Allianz Global Investors: Das Sparbuch hat für mich schon lange keine Bedeutung mehr. Aber es hilft zumindest das Taschengeld der Kinder zu sammeln, wenn es auch schon längst keinen Zins mehr gibt.

Als ich kürzlich allerdings die Spardose meiner Kinder am Bankschalter entleeren wollte, wurde mir bewusst, dass ich im Begriff bin – ungewollt – die Bank mit meinen Einzahlungen zu schädigen. Denn solange Banken keine negativen Zinsen verlangen, sondern Geld mit Nullzinsen dulden, solange bedeutet jede Einzahlung einen Verlust für die Bank.

Während sie selbst auf ihre Einlagen im System der europäischen Zentralbanken Zinsen zahlen muss (!) – also für ihre Liquidität bestraft wird – und dies ihren Kunden nicht in Rechnung stellt, solange legt sie drauf.

In der 5.000-jährigen Geschichte von „Schulden und Sühne“ bewegen wir uns in dem allerersten Zeitraum, in dem die Gläubiger dafür bezahlen müssen, ihr Geld anlegen zu können (vgl. Schaubild 1).

 

 

Schaubild 1: Historische Renditen: 3.000 vor Christus bis heute

Nun bestand durchaus die Hoffnung auf ein Ende dieses Zeitabschnitts. Schwenkte doch die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) zwischenzeitlich auf einen restriktiveren Kurs ein. D. h., sie stoppte nicht nur ihr Anleihenkaufprogramm und hob den Leitzins schrittweise an, sie begann auch, ihre Anleihenbestände abzubauen.

Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) schien es eine Frage der Zeit zu sein, wann auch sie den Leitzins wieder anheben und mit zeitlichem Abstand ihre Bilanz normalisieren würde.

Doch das scheint vorbei zu sein. In einer Art Vorsorgemaßnahme („Insurance Cut“) auf eine erwartete, konjunkturelle Abkühlung der US-amerikanischen Wirtschaft – als Folge des Handelsstreits der USA mit China – hat die Fed im Sommer 2019 eine erste Zinssenkung vorgenommen, weitere nicht ausgeschlossen.

Im gleichen Zeitfenster verkündete der aus dem Amt scheidende EZB-Präsident, Mario Draghi, auf einer Tagung im portugiesischen Sintra die Abkehr von einer Normalisierung der Geldpolitik. Auch hier dienen Wachstumssorgen als Begründung. Diese machen sich u. a. an einer Inflationsrate fest, die unterhalb des EZB-Zielwerts von 2 % p. a. verharrt.

Die Mehrheit der Notenbanken in den aufstrebenden Ländern hat ebenfalls in der Zwischenzeit Zinssenkungen vorgenommen. Bei der Bank of Japan (BoJ) war ohnehin kein Kurswechsel in ihrer extrem expansiven Geldpolitik zu erwarten – wobei neue Ansätze diskutiert werden, Fiskal- und Geldpolitik enger zu verzahnen. Ein weiterer Schritt in Richtung „Helikoptergeld“?

Die Phase der finanziellen Repression, bei der die Gläubiger helfen, den Schuldenberg abzutragen, statt für ihre Sparsamkeit belohnt zu werden, geht in die nächste Runde. Die Medienverlautbarungen nehmen zu, denen zufolge Banken planen sollen, die negativen Einlagezinsen weiterzugeben. Faktisch wäre dies eine Art „Zinssteuer“, die wie eine Vermögenssteuer auf Geldeinlagen wirkt.

 

 

Ein Paradies für Schuldner, eine Hölle für Gläubiger
Der Schwenk der Geldpolitik ist längst an den Anleihenmärkten angekommen. Mittlerweile bewegt sich auch die 30-jährige deutsche Staatsanleihe auf negativem Renditeterrain. Damit ist die gesamte Renditestrukturkurve für die Benchmarkanleihen im Euroraum negativ.

Im Umfeld sieht es auch nicht viel besser aus. D. h., nicht nur knapp 100 % aller deutschen Staatsanleihen haben eine negative Rendite, auch im Euroraum sind es ca. 60 %. Im globalen Maßstab liegt die Rendite jeder dritten Staatsanleihe unter null. Das betrifft ein Anleihenvolumen von ca. 16 Billionen US-Dollar, deren Renditen „simply red“ – einfach rot – sind.

Konkret bedeutet dies: Alte Schulden werden mit der Aufnahme neuer Schulden getilgt. Bei negativen Renditen zahlen die Gläubiger dafür, dass sie ihr Geld anlegen dürfen.

Wer bereit ist, sein Geld auf 100 Jahre zu investieren, dem bietet beispielsweise die österreichische Staatsanleihe weniger als 0,8 % – bei einem entsprechend hohen Kursänderungsrisiko (Datenstand jeweils Mitte August 2019). Ein Paradies für Schuldner, eine Hölle für Gläubiger.

Dabei gilt es, zwei Effekte zu berücksichtigen:

  • Es handelt sich hier nur um die nominalen Renditen. Der Kaufkraftverlust durch Inflation muss ebenfalls einberechnet werden.
  • Negative Gesamtrenditen bedeuten i. d. R. aber dennoch positive Kuponzahlungen. Diese sind – je nach Steuerfreibetrag – zu versteuern, obwohl es durch die Kaufkurse zu einem insgesamt negativen Ertrag kommt. Die Steuer kennt auch keine Berücksichtigung der Inflation

 

 

Schaubild 2: Staatsanleihenrenditen bewegen weiterhin in Negativterrain

Generische Staatsanleihenrenditen, in %

Generische Staatsanleihenrenditen, in %

Schaubild 3: Die Jagd nach Einkommen geht weiter

Anteil weltweit umlaufender Staats- und Unternehmensanleihen mit negativen Renditen & EZB-Zinsen

Anteil weltweit umlaufender Staats- und Unternehmensanleihen mit negativen Renditen & EZB-Zinsen

Die Jagd nach Kapitaleinkommen geht weiter
Was bedeutet dies für die Anleger? Die Jagd nach Einkommen geht weiter. Dabei heißt die unterste Verteidigungslinie für die Kapitalanlage: Kaufkrafterhalt. Es gilt also nicht nur, negative Renditen zu vermeiden. Auch die Inflation – und sei sie noch so niedrig – will ausgeglichen werden. Keine leichte Aufgabe.

Dazu ein einfaches Rechenbeispiel: Angenommen ein Anleger würde zu den aktuellen Anleihenrenditen heute 100 Euro in eine 10-jährige deutsche Staatsanleihe investieren.

Den Kaufkraftverlust einberechnet, hätte er in 10 Jahren einen realen Gegenwert von weniger als 77 Euro. Dabei wird unterstellt, die Inflation bewegt sich im Durchschnitt der Jahre auf dem Zielwert der Europäischen Zentralbank von 2 % p. a.

 

 

Bezogen auf andere Länder der Eurozone sieht es auch nicht viel positiver aus, wobei Bonitätsdifferenzen zu berücksichtigen sind. Wandert man nach Großbritannien ab und nimmt – je nach eigener Heimatwährung – ggf. Wechselkursrisiken in Kauf, ist das Ergebnis nur leidlich besser.

Aus 100 Euro würden dann, in Kaufkraft gerechnet, knapp 86 Euro. Im Falle der USA würden die 100 Euro bei dem derzeit herrschenden nominalen Renditeniveau knapp verteidigt. Wie gesagt: Der Wechselkurs muss berücksichtigt werden.

Schaubild 4: Ein Paradies für Schuldner, eine Hölle für Gläubiger

Was aus 100 Euro bei 2 % Inflation wird. (Generische Staatsanleihenrenditen, in % - 2% Inflation p.a.)

Was aus 100 Euro bei 2 % Inflation wird. (Generische Staatsanleihenrenditen, in % – 2% Inflation p.a.)

Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Im Gegenteil. Die Fortsetzung ist zu erwarten. Die Geldpolitik im Kontext der Konjunkturentwicklung und die – auf Sicht der nächsten fünf und zehn Jahre – niedrigen Inflationserwartungen der professionellen Prognostiker, wie sie von der EZB befragt werden, deuten darauf hin.

Hans-Jörg Naumer, Director, Global Capital Markets & Thematic Research

 

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