Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaftslehre, über Javier Mileis Wirtschaftswunder in Argentinien und was Deutschland daraus lernen kann – Interview

David Ernsting, Chefredakteur Broker-Test, im Gespräch mit Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid, über die umfangreichen und erfolgreichen Wirtschaftsreformen in Argentinien unter Staatspräsident Javier Milei und was Deutschland daraus lernen kann.

 

Prof. Philipp Bagus und Javier Milei

Prof. Philipp Bagus und Javier Milei

Sehr geehrter Herr Bagus, Sie erwähnten bei unserem letzten Telefonat, dass Sie Javier Milei bereits 2021, also bereits 2 Jahre vor seinem Amtsantritt als argentinischer Präsident, kennengelernt haben. Wie kam es dazu und was ist Ihr persönlicher Eindruck von dem Menschen Milei?

Javier Milei und ich sind Kollegen. Wir sind beide Ökonomie Professoren und ich hatte ihn 2021 in meine Vorlesung eingeladen im Master zu Ökonomie der österreichischen Schule.

Danach habe ich ihn auch eingeladen bei einer Festschrift mitzuwirken die ich herausgegeben habe für meinen Doktorvater Jesús Huerta de Soto und so waren wir in Kontakt und haben wir uns 2022 dann persönlich das erste Mal in Madrid getroffen.

Wir haben uns direkt gut verstanden haben und gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind und seitdem sind wir befreundet.

 

Sie beschreiben Javier Milei sehr positiv. In deutschen Medien wird Milei aber oft als irrationaler Populist dargestellt. Woher kommt diese Diskrepanz zwischen Medienbild und Realität?

Naja es gibt einige Menschen, die daran ein Interesse haben, Milei als negativ darzustellen. Milei ist politisch inkorrekt und kritisiert den Staat. Er kritisiert den Etatismus.

Er sagt, der Staat ist nicht die Lösung, der Staat ist das Problem.

Milei verteidigt die Freiheit kompromisslos.

Wenn er mit den libertären Ideen Erfolg hat dann zeigt er ja, dass das Versprechen des Etatismus, nämlich dass der Staat die Probleme löst, eine Lüge ist.

Alle, die vom Staat abhängen und den Staat unterstützen, wollen natürlich, dass Milei scheitert. Daher versuchen sie ihn in ein möglichst schlechtes Licht zu setzen. In allen Hauptstrommedien wird er deswegen von linken Journalisten als negativ dargestellt. Das kann nicht überraschen.

 

Mittlerweile ist Milei seit fast 2 Jahren im Amt – Sie sagten mir, erst die Hälfte der Reformen seien umgesetzt. Was waren die wichtigsten Erfolge dieser ersten 50%?

Gut er ist jetzt knapp eineinhalb Jahre im Amt. Sein größter Erfolg ist es, dass er eine Hyperinflation vermieden hat. Das Land stand kurz vor einer Hyperinflation Dezember 2023 als er sein Amt übernommen hat. Da lag die monatliche Inflationsrate bei 25,5% die Preise bei den Erzeugerpreisen, die den Konsumgüterpreise noch vorweg laufen, lag die Inflation sogar bei 54% im Monat das sind aufs Jahr gerechnet 17000%.

Gleichzeitig gab es ein konsolidiertes Staatsdefizit von 15%: 5% im Haushalt und 10% in der Zentralbank, die sich auch verschuldet hatte. Dieses 15 prozentige Defizit wurde durch die Ausgabe neuer Pesos finanziert. Die Inflation hatte sich 2023 immer weiter beschleunigt. Das Landstand kurz vor einer Hyperinflation. Milei konnte das abwenden, indem er die Staatsausgaben mit der Kettensäge radikal gekürzt hat.

Innerhalb eines Monats hatte er schon einen Überschuss im Haushalt und bis Juni 2024 hatte er auch das Defizit in der Zentralbank beseitigt. Er hat die Staatsausgaben insgesamt rund 30% gekürzt. Er hat Ministerien geschlossen, hat Behörden geschlossene, hat öffentliche Infrastruktur Projekte gestoppt, er hat die Transfers an die Provinzen gestoppt, er hat die Subvention gekürzt, er die Gehälter von Staatsangestellten gekürzt. So hat er eben diese 15% Defizit beseitigt.

Das bedeutet 15% die zuvor vom Staat in Beschlag genommen wurden, stehen jetzt der Privatwirtschaft zur Verfügung.

Die keynesianischen Ökonomen hatten vorhergesagt, dass wenn der Staat seine Ausgaben so stark gekürzt, dann würde es zu einer riesigen Wirtschaftskrise kommen, weil die aggregierte Nachfrage einbrechen würde und damit würde die Unternehmen weniger verkaufen und deswegen würden sie dann Leute entlassen. Es käme zu einer riesigen wirtschaftlichen Krise.

Das Bruttoinlandsprodukt fiel nur bis April 2024 und seitdem ist die argentinische Wirtschaft am Wachsen und die Inflationsrate fiel von monatlich 25% im Dezember 2023 auf nur noch 1,5% im Mai 2025. Bei gleichzeitigem starken Wachstum.

Schon im Dezember 2024 lag die wirtschaftliche Aktivität 6% über der Aktivität vom Vorjahr. Im ersten Quartal 2025 ist die argentinische Wirtschaft über 5% gewachsen und jetzt im zweiten Quartal 2025 ist die argentinische Wirtschaft sogar 7,6% gewachsen. Die Armutsquote stieg zunächst an, als er das Amt übernahm auf 52,9% und fiel dann rapide auf jetzt 31,7% geschätzt im ersten Quartal 2025.

Das ist der tiefsten Stand seit 2018. Über 10 Millionen Argentinier sind aus der Armut entkommen. Sogar Unicef hat festgestellt, dass 2024 1,7 Millionen Kinder in Argentinien aus der Armut entkommen sind.

 

Wie sieht die argentinische Bevölkerung die bisherigen Reformen und ihre Auswirkungen? Wer profitiert davon und für wen war es vorher besser?

Es verliert vor allen Dingen natürlich das politische Establishment, also das sind die Politiker, die Bürokraten, die Unternehmer, die vom Staat abhängen, die Medien, die Staatssubventionen erhielten. Die ganze politische Klasse verliert.

Wer gewinnt, das sind die hart arbeitenden fleißigen produktiven Argentinier.

Die Nettosteuerzahler, die wieder mehr zur Verfügung haben, vor allen Dingen die Armen gewinnen, die litten ja besonders und der Inflationssteuer, die Milei beseitigt hat. Wie gesagt die Armutsquote ist extrem gefallen.

Es sind die Armen, die vor allen Dingen von diesen liberalen Reformen profitieren.

 

Welche Reformen steht noch aus? Und wie wichtig sind hierfür die Zwischenwahlen im Oktober diesen Jahres?

Meli hat keine Mehrheit im Parlament, hat nur 15% der Abgeordneten. Das heißt, er kann viele Reformen nicht umsetzen. Dafür braucht er eine Mehrheit im Parlament um zum Beispiel eine Arbeitsmarktreform durchzuführen. Im Oktober sind jetzt die Zwischenwahlen, da wird die Hälfte des Parlaments neu gewählt.

Von daher sind diese Wahlen extrem wichtig und es sieht ganz gut aus. Denn im Mai gab es eine Wahl in der Hauptstadt Buenos Aires und da sprang die Partei von Milei auf dreißig Prozent und wurde die stärkste Kraft.

Das heißt, die Argentinier haben Milei für seine Reformen nicht abgestraft, sondern stehen hinter ihnen und sehen die positiven Ergebnisse.

 

Ein weiteres Problem in Argentinien ist das so genannte „Matrazen-Geld“, also US-Dollar die wegen der vielen Jahren mit hoher Inflation unter der Matratze versteckt worden sind. Es gibt Schätzungen, wonach dies über 200 Milliarden US-Dollar sein sollen. Wie will Milei dieses Geld in den normalen Geldkreislauf zurückholen?

Milei hat eine Amnestie für Steuerhinterziehung erlassen. Jeder, der diese Dollars unter Matratze versteckt hat, ist aus seiner Sicht ein Held, weil er sich der Inflationssteuer entzogen hat, mit der die Politiker die Ressourcen des Landes verprasst haben.

Daher gibt es jetzt keine Strafe, wenn dieses Geld wieder in den Umlauf kommt. Es gibt eine Amnestie.

So will er es erleichtern, dass die Leute das Geld einsetzen, dass sie keine Angst haben.

 

Gerade sind eine ganze Reihe von beeindruckenden Wirtschaftszahlen in Argentinien veröffentlicht worden. Das jährliche BIP-Wachstum beträgt derzeit 5,8%, das höchste im Westen und sogar höher als das von China. Ist das eine Spitze, die sich wieder nivelliert oder wie erwarten Sie das zukünftige BIP-Wachstum?

Ja, im zweiten Quartal 2025 lag das Wirtschaftswachstum bei 7,6% also noch höher. Das Wachstum resultiert aus den Deregulierung und die Rücknahme des Staates, was enorme Freiräume eröffnet hat für kreative Unternehmer Wohlstand zu schaffen.

Viele der Deregulierungsmaßnahmen wirken auch erst mittel und langfristig, weil sie eben diese Räume eröffnen, die aber erst besetzt werden müssen durch Unternehmer, die neue Projekte planen und umsetzen müssen. Das dauert seine Zeit und gleichzeitig hört Milei nicht auf.

Es wird immer weiter dereguliert und wenn jetzt im Oktober die Parlamentswahlen noch gewonnen werden, dann könnten noch ganz andere Reformen durchgesetzt werden, wodurch sich das Wachstum sogar noch beschleunigen könnte.

 

Auch die argentinische Börse konnte bisher stark profitieren. Über 150% Zugewinn seit Mileis Amsantritt. Sind damit bereits alle Reformen eingepreist oder sehen Sie weiteres Potential für argentinische Aktien. Welche konkreten Unternehmen oder Sektoren haben Sie auf dem Radar?

Das Potential für argentinische Aktien ist extrem hoch. Die größte Unsicherheit ist politisch. Wenn Milei politisches scheitert, das heißt er wird nicht wiedergewählt oder er verliert die Wahl im Oktober und die Peronisten kommen wieder an die Macht, dann wird der ganze Reformprozess umgedreht und dann geht es wieder in den Abgrund in Argentinien.

Falls das nicht passiert, falls Milei wieder gewählt wird und ein starkes Mandat auch im Parlament bekommt und mit seinem Reformkurs weiter machen kann, dann wird es große Gewinne geben für die argentinische Aktien vor allen Dingen auch im Rohstoffbereich, im Energiebereich und im Minenbereich wo Argentinien hervorragende Voraussetzungen hat, aber unterentwickelt ist durch den Etatismus der in diesem Land so lange geherrscht hat

 

D.h. Anleger, die davon ausgehen, dass Milei die Zwischenwahlen im Oktober gewinnt, sollten einen Teil ihres Portfolios in argentinische Aktien und/oder ETFs investieren?

Ich möchte keine Aktienempfehlung hier aussprechen, aber die Perspektiven sind dann natürlich extrem gut

 

Bei aller positiver Einschätzung der Lage in Argentinien, gibt es auch eine Reihe von internen und externen Risiken – wo sehen Sie selber die größten Gefahren?

Die größte Gefahr besteht darin dass Mileis Popularität sinkt und seine Partei nicht genug Stimmen bekommt und die alten Eliten wieder an die Macht kommen und die Reformen umdrehen.

 

Milei hat als Header-Bild in seinem X-Profil (früher Twitter) junge Menschen gewählt, die 1989 auf der Berliner Mauer feiern – ein sehr bewusster Deutschland-Bezug. Wie sieht es umgekehrt aus: Was könnte Deutschland von Mileis Reformen lernen? Was wären Ihre Top10-Empfehlungen?

Ja 1989 der Fall der Berliner Mauer symbolisiert den Fall des Sozialismus und das möchte Milei jetzt in Argentinien nachmachen. Er möchte Argentinien zum freiesten Land der Welt machen.

Meine Empfehlungen wären radikal die Staatsausgaben zu senken, zweitens die Steuern zu senken, drittens radikal zu deregulieren, und viertens eine marktwirtschaftliche Währung einzuführen wie einen Gold Standard.

 

Sie haben ja mit dem Buch „Die Ära Milei. Argentiniens neuer Weg“ quasi das Standardwerk über Milei und seine Reformen geschrieben – an welche Leser ist es gerichtet und was erfährt man dort noch, was in das Format eines Interviews nicht reinpasst?

In dem Buch erkläre ich das Wunder des ersten libertären Präsidenten der Welt.

Wie ist das möglich, dass jemand der sagt, der Staat ist der Feind, ich möchte ihn von innen heraus zerstören, der sagt Politiker sind Parasiten, dass so jemand mit diesen Auffassungen diesen Ideen zum Präsidenten gewählt wird.

Ich versuche das greifbar zu machen.

Und was man dann auch von Mileis Weg und Strategie lernen und auf andere Länder übertragen.

Ich kläre darüber auf, was ist Liberalismus, was ist Libertarismus, was ist Anarchokapitalismus, was ist die österreichische Schule, was ist der so wichtige Kulturkampf.

Was sind alles diese revolutionären Ideen auf die Milei sich stützt und die er umzusetzen versucht.

Und die wir auch in Deutschland brauchen!

 

Vielen Dank für das spannende Interview!

 

 

LESETIPP

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