Wahl in Brasilien entscheidend für wirtschaftliche Zukunft des Landes
Nordea: Am Sonntag wählt Brasilien einen neuen Präsidenten. Die Stichwahl dürfte darüber entscheiden, inwiefern künftig mit einer orthodoxen, marktfreundlichen Politik zu rechnen ist. Cathy Hepworth, Portfoliomanagerin des Nordea 1 – Emerging Market Bond Fund, gibt im Folgenden ihre Einschätzung zu den Präsidentschaftsanwärtern und den Aussichten für die brasilianische Wirtschaft.
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„Es geht bei dieser Wahl um nicht weniger als die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Die Märkte beobachten deshalb genau, für welchen wirtschaftspolitischen Kurs die beiden Kandidaten stehen. Fernando Haddad gehört innerhalb der Arbeiterpartei PT eher dem moderaten Flügel an. Bei Themen wie der Rücknahme der Arbeitsmarktreform und der Ausgabenobergrenze, der Einführung eines progressiveren Steuerregimes und dem Einsatz der Zentralbankreserven zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten decken sich Haddads politische Ansichten zwar überwiegend mit dem linken Block der PT.
Bei anderen Fragen hingegen tritt Haddad gemäßigter auf, so etwa bei der Rentenreform, der Nutzung staatlicher Banken, der Privatisierung und das Zentralbankmandat. Die Frage ist, wie stark Haddad auf Ex-Staatschef Lula und die weniger reformbereiten Elemente der Partei angewiesen ist. Im Falle des Falles würde er sich vermutlich pragmatisch stärker zur Mitte hin orientieren.
Jair Bolsonaro, Kandidat der rechtsgerichteten Partei PSL, wirkt politisch polarisierend, steht aber dennoch für eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Die Märkte begrüßen die insgesamt marktfreundliche, vom anerkannten Ökonom Paulo Guedes entworfene Agenda Bolsonaros und erwarten Reformen zur Verbesserung der nicht nachhaltigen Fiskaldynamik und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit.
Zu diesen Maßnahmen gehört der allmähliche Übergang zu einem Rentensystem mit optionalen Ansparmöglichkeiten der Bürger und der Umsetzung wirkungsvoller Maßnahmen zur Verbesserung des bestehenden Systems, aber auch die Wiederherstellung eines Haushaltsüberschusses vor Zinsen innerhalb einer Frist von zwei Jahren, die Sicherung der Zentralbankunabhängigkeit und eine stärkere Öffnung des Handels.
Die nationalistische Haltung Bolsonaros nährt allerdings Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines orthodoxen politischen Kurses. Und sein unter Umständen extrem angespanntes Verhältnis mit dem Kongress wirft die Frage auf, wie politisch handlungsfähig er als Präsident sein könnte und welche Chancen er hat, seine politische Agenda in der Legislaturperiode überhaupt umzusetzen.
Viel wird dabei vom politischen Kräfteverhältnis im Kongress nach den Wahlen abhängen – und besonders von der Frage, ob die Parteien der Mitte einer Bolsonaro-Regierungskoalition beitreten und ob er den großen etablierten Parteien mit einer versöhnlichen Geste entgegenkommt.
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Brasiliens Wirtschaft plagen strukturelle Wachstumsprobleme
Die neue Regierung erbt eine wachstumsschwache Wirtschaft und nicht nachhaltige Staatsfinanzen. Gleichzeitig gilt es, die relativ günstigen Inflationstendenzen und den Außenbeitrag beizubehalten. Nach der schweren Rezession der Jahre 2015/16 folgte 2017 eine mühsame Erholung mit einem Wachstum von 1%. Dieses Jahr wurde die wegen der anhaltenden Konsum-, Investitions- und Exportschwäche ohnehin schon eingeschränkte Erholung durch einen Lkw-Fahrerstreik zusätzlich gelähmt.
Die angesichts des sehr ungewissen Wahlausgangs ohnehin gedrückte Stimmung dürfte viele Wirtschaftsteilnehmer zu einer defensiveren Haltung verleitet haben, während der Handel in Brasilien sicher auch unter dem schnellen Abgleiten Argentiniens in die Rezession gelitten hat. Diese Trends setzen sich wohl bis zum Jahresende fort. So rechnen wir mit einem moderaten Wachstumszuwachs auf 1,4%.
Brasilien hat allerdings ganz grundsätzliche, strukturelle Wachstumsprobleme: zu hohe Steuern, Überregulierung, Preisverzerrungen, schwache Wettbewerbsfähigkeit, Handelsbarrieren und rechtsstaatliche Defizite. Diese Probleme haben das Wirtschaftswachstum trotz des jahrelangen Rohstoffbooms nachhaltig beeinträchtigt. So ist die brasilianische Wirtschaft in den vergangenen fast 40 Jahren durchschnittlich nur um 2,25% pro Jahr gewachsen, während es die großen Schwellenländer auf 4% brachten. Der Bevölkerungsanstieg hingegen betrug durchschnittlich 1,5% pro Jahr.
Infolgedessen konnte Brasilien sein Pro-Kopf-BIP über diesen Zeitraum um lediglich 28% steigern, wohingegen andere große Schwellenländer mit Wachstumsraten von durchschnittlich etwa 290% (bzw. ohne China etwa 160%) aufwarten. Marktfreundliche Politiker würden vermutlich versuchen, die angebotsseitigen Beschränkungen abzubauen, damit Brasilien nachhaltig Produktivitätszuwächse erzielen kann.
Staatsfinanzen bleiben Brasiliens Achilles-Ferse
Die Beschränkung der Primärausgaben war ein Schritt in die richtige Richtung, entscheidend zur Sanierung der Staatsfinanzen wäre jedoch eine Reform des Rentensystems. Hoffnung auf einen Ausgleich des Primärsaldos besteht letztendlich nur, wenn das Defizit der Sozialkassen (aktuell fast 3% des BIP) reduziert wird. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass sich die neue Regierung dieses Themas zwangsläufig annehmen wird, weil die Rentenausgaben dringend nachhaltiger gestaltet werden müssen.
Jeder Versuch, sich vor dieser Reform zu drücken, hätte massive finanzielle Konsequenzen: Vertrauens- und Wachstumsverlust, Ratings, Wechselkurse, Zinsen etc. Bis es soweit ist, sorgen moderate Sparmaßnahmen, höhere Steuereinnahmen und Einmaleinnahmen voraussichtlich für eine sukzessive fiskalische Konsolidierung. Diese aber reicht nicht aus, um den stetigen Anstieg der Schuldenquote zu stoppen.
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Die Reformen der aktuellen Regierung – insbesondere die Ausgabenobergrenze, die Beschneidung des Staatsbankensektors und die Arbeitsmarktreform – müssen fortgesetzt und intensiviert werden. Gleichzeitig gilt es, Fortschritte in der Beseitigung makroökonomischer Ungleichgewichte zu bewahren. Sollte Haddad die Stichwahl gewinnen, rechnen wir wegen seiner insgesamt heterodoxen politischen Agenda zunächst mit Markteinbrüchen. Ein Wahlsieg Bolsonaros hingegen könnte die Kurse beflügeln und die Anleger kurzzeitig in Feierstimmung versetzen. So mancher aber mag sich doch fragen, ob Bolsonaro überhaupt in der Lage ist, eine arbeitsfähige Koalition zustande zu bringen.“
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