Wie aus Deflation Inflation wird

Volkswirt Martin Hüfner über die künftige Preisentwicklung

Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater des führenden österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at, erklärt die die kommenden Entwicklungen des weltweiten Preisniveaus und bemerkt, dass die eigentlichen Gegensätze Deflation und Inflation derzeit ganz nah beieinander liegen.

„Vorige Woche hat die amerikanische Notenbank massiv die Geldschleusen geöffnet, um gegen eine drohende Deflation vorzugehen“, sagt Hüfner. „An sich hätte man erwarten müssen, dass die Anleger sich davon anstecken lassen und Angst vor einem Rückgang der Preise haben. Stattdessen gewannen aber inflationäre Befürchtungen die Oberhand.“ Angesichts der verbreiteten Verwirrung macht der Volkswirt ein paar grundlegende Bemerkungen.

Gute und schlechte Deflation

„Kurzfristig gibt es demnächst Deflation“, meint Hüfner. Der Anstieg des Preisniveaus habe sich in letzter Zeit rezessionsbedingt verlangsamt. In den nächsten Monaten werde sich diese Entwicklung fortsetzen und dazu führen, dass das Preisniveau unter das Niveau des Vorjahres fällt. In China sei das schon der Fall (Inflationsrate bei –1,6 Prozent). In Amerika werde es bald so sein, in Europa sei Mitte des Jahres damit zu rechnen. „Das ist an sich nichts Schlimmes“, so Hüfner. „Wenn Güter und Dienste billiger werden, erhöht sich die Kaufkraft der Verbraucher. Sie können mit dem gleichen Einkommen mehr kaufen. Man nennt das die ‚gute Deflation‘.“

Erst wenn die Entwicklung anhält und sich verschärft, werde es problematisch, so der Experte: „Wenn nämlich die Konsumenten anfangen, sich mit Käufen zurückzuhalten, weil sie noch niedrigere Preise erwarten, dann gewinnt die Deflation eine Eigendynamik. Es gibt bei den Preisen eine gefährliche Spirale nach unten. Das ist dann die ’schlechte Deflation‘.“ Bisher sei von einer „schlechten Deflation“ nichts zu sehen. Insofern seien die Ängste und Gegenmaßnahmen der amerikanischen Notenbank übertrieben. „Andererseits ist es richtig, wenn die Wirtschafts- und Währungspolitik voraus denkt und dafür sorgt, dass ein solcher Fall gar nicht erst eintritt“, sagt der direktanlage.at-Berater.

Massive Geldvermehrung und ein starker Anstieg der Staatsverschuldung, die wir derzeit erleben, hätten in der Vergangenheit häufig die Preise nach oben getrieben. „Preise steigen immer nur, wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist. Inflation gibt es daher erst, wenn die Rezession vorbei ist und die Konjunktur wieder anspringt“, so Hüfner. In Japan sei das in den letzten zwanzig Jahren trotz hoher öffentlicher Defizite und Null-Zinsen nicht passiert. Wer auch bei uns mit japanischen Verhältnissen rechnet, müsse vor Inflation keine Angst haben.

Überforderung der Ressourcen

Hüfner weiter: „Selbst wenn es zu einer Erholung kommt, führt das nicht sofort zu Inflation. Zunächst müssen die Unternehmen erst einmal die brach liegenden Kapazitäten nutzen, bevor sie die Preise erhöhen. In diesem Jahr und vermutlich wenigstens in der ersten Hälfte 2010 brauchen wir uns hier noch keine Gedanken zu machen. Selbst wenn – wie aufgrund der Basiseffekte zu erwarten – die Inflationsrate ab Sommer dieses Jahres wieder in Richtung 2 Prozent steigt, ist dies noch keine Gefahr für die Stabilität. Es ist nur eine Normalisierung. Die Europäische Zentralbank definiert Stabilität als einen Anstieg der Preise um ’nahe aber unter 2 Prozent‘.“

Danach aber könne es ungemütlich werden, meint der Volkswirt: „Wenn nämlich die private Nachfrage steigt und die öffentliche Nachfrage nicht in gleichem Ausmaß zurückgeht, droht schnell eine Überforderung der Ressourcen. Das Gleiche gilt, wenn Konsumenten und Unternehmen die großen Mengen an Liquidität, die die Notenbanken geschaffen hat, nicht mehr horten, sondern zu einer Ausweitung der Nachfrage nutzen. Dann kann es mit der Geldentwertung schnell weiter nach oben gehen. Die Entwicklung geht dann rascher als viele sich das vorstellen.“

Drei Szenarien für Anleger

Die Zentralbanken müssen ‚praktisch von einem Tag auf den anderen‘ die überschießende Geldmenge wieder einsammeln und die Zinsen erhöhen. Die Restriktionsschritte müssen dann genauso radikal sein wie die jetzigen Expansionsmaßnahmen. „Das wird außerordentlich schwer“, meint Hüfner.

Anleger können im Grunde zwischen drei Szenarien wählen, von denen eine schlechter als die andere sei, bedauert Hüfner. „Das erste ist das Japan-Syndrom, bei dem es Deflation und keinen Aufschwung gibt. Dann leiden wir ’nur‘ unter mangelndem Wachstum. Das zweite ist eine normale Konjunkturerholung, die dann aber mit deutlichen Zins- und Steuererhöhungen verbunden ist, damit eine Inflation verhindert wird. Wenn es dazu nicht kommen sollte, dann droht – drittens – Inflation bis hin zu einer Währungsreform. Ich halte die zweite Alternative für das Wahrscheinlichste, schließe aber die beiden anderen nicht aus“, so der Berater von direktanlage.at.

Disclaimer & Risikohinweis
Themen im Artikel

Infos über Hello bank!

    Hello bank! News

    Weitere Trading News