Geldanlage: Nach der Angst kommt schnell die Gier – 4 Strategien helfen, emotionale Fehlgriffe zu vermeiden
Die Finanzmärkte der letzten Monate lieferten ein eindrucksvolles Schauspiel menschlicher Psychologie – ein emotionales Beben, das Anleger in Rekordtempo von Panik zu Euphorie trieb.
Noch im April 2025 dominierten düstere Schlagzeilen das Börsenparkett: Geopolitische Spannungen, enttäuschende Unternehmenszahlen und eine zähe Inflationslage ließen die Kurse weltweit einbrechen.
Anleger flüchteten panisch aus risikobehafteten Anlagen, der CNN Fear & Greed Index stürzte in den Bereich „Extreme Fear“. Rezessionswarnungen in Europa und Wachstumsängste in den USA verstärkten das Unbehagen, Panik machte sich breit.
Doch die düstere Stimmung hielt kaum einen Monat. Mit frappierender Geschwindigkeit schlug das Börsenbarometer in die entgegengesetzte Richtung aus. Der Nasdaq und der S&P 500 jagten zu neuen Allzeithochs – beflügelt von Hoffnung auf massive Produktivitätsschübe durch Künstliche Intelligenz, positiven Konjunkturdaten und der wachsenden Erwartung, dass die Zentralbanken bald zur Zinssenkung übergehen könnten.
Allein die großen Tech-Giganten steigerten seit April ihren Marktwert um sagenhafte 4,7 Billionen US-Dollar – getrieben von KI-Rausch und robusten Gewinnen.
Nach der Angst kommt schnell die Gier
Bei fallenden Märkten schlägt die Alarmglocke im Gehirn an: Die Amygdala, unser evolutionäres Angstzentrum, wird hochaktiv. Sie erkennt Bedrohungen und startet das Notfallprogramm – Panikverkäufe, Rückzug, Kapitalflucht in sichere Häfen.
Genau das geschah im April: Sowohl Kleinanleger als auch Profis senkten ihre Aktienquoten, horteten Bargeld oder investierten in kurzfristige Anleihen – obwohl Bewertungen zunehmend attraktiv wurden.
Die Amygdala agiert dabei nicht isoliert. Sie ist mit dem Hypothalamus verbunden, der das „Fight-or-Flight“-System aktiviert und die Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin erhöht. Ein hoher Cortisolspiegel beeinträchtigt nachweislich die Funktion des präfrontalen Cortex (PFC) – jenes Bereichs des Gehirns, der für rationales Analysieren, Planen und Abwägen von Wahrscheinlichkeiten zuständig ist.
Steigt Cortisol, werden Anleger verlustaverser, richten ihren Fokus stärker auf kurzfristige Risiken und verschieben Portfolios defensiv – zulasten langfristiger Chancen.
Explosionsartige Umprogrammierung
Erholen sich Märkte jedoch wieder und verbessert sich die Nachrichtenlage, übernimmt das Belohnungssystem des Gehirns die Kontrolle, insbesondere der Nucleus accumbens. Dieser Bereich steuert Motivation und Vorfreude auf potenzielle Gewinne. Steigende Kurse lösen Dopaminausschüttungen aus, was die Erwartung von Belohnungen verstärkt und Investoren motiviert, erneut Positionen aufzubauen.
Diese neuronale Umprogrammierung passiert nicht schleichend, sondern explosionsartig. Dieselben Hirnareale, die in Krisenzeiten Vorsicht walten lassen, treiben in Boomphasen Risikobereitschaft und Investitionslust – oft innerhalb weniger Tage. Daher gleichen Rallyes oft einem Rausch – ebenso intensiv wie die vorherigen Abstürze. Unser Gehirn ist auf Belohnungssuche programmiert: Sobald die Unsicherheit weicht, setzt der Jagdtrieb ein.
Verstärkt wird dieser Effekt durch Spiegelneuronen, die uns intuitiv das Verhalten anderer nachahmen lassen. Wenn Investoren sehen, wie Kapital in Tech-ETFs fließt oder Schlagzeilen neue Rekorde feiern, wird das eigene Belohnungssystem aktiviert. Die Folge: Herdenverhalten, Nachkaufen, Kursrallyes – ein sich selbst verstärkender Zyklus.
Überaktivität und schlechtes Timing als Folge
Doch dieser emotionale Auf-und-Ab-Rhythmus hat seinen Preis. Studien zeigen: Wer unreflektiert zwischen Angst und Gier hin- und herwechselt, tappt in die Fallen von Überaktivität, FOMO-Trades und schlechtem Timing.
Tiefpunkte werden verpasst, Hochpunkte zu spät gejagt – mit teuren Konsequenzen für die Rendite.
4 Strategien helfen, emotionale Fehlgriffe zu vermeiden
- Systematische Investmentregeln aufstellen, um impulsives Handeln zu unterbinden.
- Informationsdiät halten – nur auf relevante Daten achten, um Reizüberflutung zu vermeiden.
- Marktkorrekturen reframen: als Gelegenheit, nicht als Gefahr sehen – im historischen Kontext denken.
- Regelmäßige Portfolio-Reviews mit einem externen Sparringspartner, um blinde Flecken zu erkennen.
Der spektakuläre Stimmungswandel von April zu Juni 2025 zeigt: Märkte reagieren nicht nur auf Zahlen – sie tanzen nach dem Takt unserer neuronalen Muster.
Wer versteht, wie das Gehirn tickt, kann sich von der Masse abkoppeln – und endlich disziplinierter investieren.
Gastautor Nikolas Kreuz ist Geschäftsführer der INVIOS GmbH in Hamburg.
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