Mit künstlicher Intelligenz die Aktienmärkte schlagen?

Quirin Privatbank: Als Garri Kasparow, einer der besten Schachspieler aller Zeiten, am 12. Mai 1997 eine Partie Schach gegen den IBM-Computer Deep Blue verlor, siegte die künstliche Intelligenz über die menschliche.

Müsste das, was beim Schach schon vor 25 Jahren möglich war, nicht auch bei der Geldanlage funktionieren?

Sollte eine künstliche Intelligenz nicht in der Lage sein, die weltweiten Aktienmärkte zum Vorteil der Anlegerinnen und Anleger zu schlagen?

Dieses Gedankenspiel liegt nahe – ob es praktisch und theoretisch tatsächlich möglich wäre, möchte ich im Folgenden gerne beantworten.

Auf Veranstaltungen und in Kundengesprächen werde ich immer mal wieder gefragt, ob wir – wie andere Banken und Finanzdienstleister auch – im Rahmen unseres Anlagemanagements nicht mal künstliche Intelligenz (KI) einsetzen wollen.

Angesichts der erstaunlichen Entwicklungen und Leistungen auf diesem Gebiet hätten wir dann vielleicht sogar eine realistische Chance, den Markt zu schlagen, was ja das menschliche Portfoliomanagement-Team bei uns im Hause aufgrund unserer Anlagephilosophie nicht einmal versucht.

 

Großer Hype um künstliche Intelligenz

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: KI kann schon heute großartige Dinge leisten – sie ermöglicht autonomes Fahren, die Pflege von kranken Menschen, die Vorhersage von Unwettern. Das Wachstumspotenzial ist enorm, wie die Prognose der nachfolgenden Grafik zeigt.

 

 

Und doch kommt es mir manchmal so vor, als ob neben all dem auch ein riesiger Marketing-Hype um das Thema KI entstanden ist, insbesondere auch im Bereich Finanzen und Geldanlage. Nicht selten werden Entscheidungsprozesse, nur weil sie softwareunterstützt ablaufen, so dargestellt, als hätten sie etwas mit KI zu tun.

Auch wenn das oft nicht ausdrücklich so formuliert wird, entsteht vor allem in der Finanzbranche häufig der Eindruck, dass Anlageentscheidungen von einer KI getroffen würden – insbesondere bei den sogenannten Robo-Advisorn, bei denen das ja schon der Name suggeriert.

Soweit ich weiß, entspricht dieses Marketingbild jedoch nicht der Realität. Zumindest in Deutschland kenne ich keinen einzigen Anbieter digitalen Wertpapiermanagements, der seine Anlageentscheidungen tatsächlich ernsthaft und vollständig einer KI überlassen würde.

Die Quirin Privatbank und quirion sind in der Hinsicht also nicht die einzigen, die in Sachen KI eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen.

Und das tun wir aus gutem Grund, wie ich Ihnen gerne verdeutlichen möchte.

 

 

Wichtig ist mir dabei zu betonen, dass wir wahrscheinlich zu den Ersten gehören würden, die KI im Anlagemanagement einsetzen, wenn – und das ist der springende Punkt – es Sinn machen würde. Dass wir das derzeit nicht tun, liegt einfach daran, dass es nicht funktioniert und vermutlich auch niemals funktionieren wird.

Warum aber schwirrt diese Auffassung – KI könne den Markt schlagen – insbesondere im Finanzbereich herum? Ich glaube, das liegt u. a. an einer Vielzahl von Missverständnissen und Verwechslungen, die teilweise zu völlig falschen Vorstellungen geführt haben, wozu KI tatsächlich imstande ist – und wozu eben auch nicht.

Nun bin ich, wie Sie wissen, Vorstand einer Bank und kein KI-Experte.

Da das Thema jedoch für uns als Bank durchaus von Bedeutung ist, habe ich mich im Laufe der Zeit mit verschiedenen KI-Experten ausführlich unterhalten – dabei ergab sich in etwa das folgende Bild.

 

KI wird häufig verwechselt

Wie bereits erwähnt, wird von manchen digitalen Vermögensverwaltern – besser bekannt als Robo-Advisor – der Eindruck erweckt, als würden ihre Anlageentscheidungen von einer KI getroffen oder zumindest wesentlich beeinflusst.

Schaut man etwas genauer hin, zeigt sich, dass Entscheidungen, die immer noch Menschen aus Fleisch und Blut treffen, durch EDV-Systeme unterstützt werden oder dass sämtliche Anlageentscheidungen einer starken Regelbindung unterworfen sind.

Anders gesagt: Umfangreiche Computerunterstützung und regelgebundene Entscheidungsprozesse werden mit künstlicher Intelligenz verwechselt.

Aufgrund der Informationsflut, der wir uns Tag für Tag gegenübersehen, ist die Unterstützung durch Computer für die gesamte Finanzbranche mittlerweile eine absolute Selbstverständlichkeit.

Die Regelbindung wiederum hilft dabei, stark von Emotionen getriebene Spontanhandlungen zu vermeiden. Damit trägt sie zu einer größeren Rationalität sämtlicher Anlageentscheidungen bei.

Weder die Hilfe durch computergestützte Informationsverarbeitung hat irgendetwas mit KI zu tun noch die Tatsache, dass uns die Regelgebundenheit einer Anlagestrategie dabei hilft, irrationale, von aktuellen Stimmungen und Emotionen getriebene Anlageentscheidungen zu vermeiden.

Nur weil Computer im Gegensatz zu Menschen keine Emotionen kennen, sind computergestützte und regelgebundene Entscheidungen noch lange nicht das Ergebnis künstlicher Intelligenz.

 

 

KI ist (nur) bei starrer Regelgebundenheit überlegen

Computer könnten dem Menschen nur dann überlegen sein, wenn wir uns ausschließlich im Rahmen eines geschlossenen, an starre Regeln gebundenen Systems bewegen würden (wovon wir bei den Kursverläufen an der Börse nicht sprechen können). Und dann könnten sie ggf. auch bessere Anlageentscheidungen treffen.

Denn: Computer können schneller und vor allem algorithmisch rechnen, haben selbst bei stumpfsinnigsten Routinen unendliche Geduld und kennen keine Langweile. Dies macht sie dem Menschen im Rahmen eines ausschließlich regelgebundenen Systems überlegen.

Sehr deutlich sieht man das am Schachspiel. Ich habe es ja eingangs an dem Beispiel gezeigt, dass gute Schachprogramme selbst Großmeister schlagen können.

Aber woran liegt das? Das liegt einzig und allein daran, dass sich die Regeln des Spiels während einer Partie niemals ändern.

Man stelle sich eine Schachpartie vor, in deren Verlauf die Regeln spontan geändert würden. Jeder Computer wäre damit heillos überfordert, während sich der Großmeister den geänderten Regeln anpassen und gewinnen würde.

Ähnlich verhält es sich mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Beides sind offene, chaotische Systeme, deren Regeln sich aufgrund exogener Ereignisse grundlegend verändern können – und das auch ständig tun.

Niemand weiß im Vorfeld, was morgen geschieht. Damit ist die Fähigkeit zu einer flexiblen Anpassung gefordert. Und genau dazu sind Algorithmen nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage.

Die Anforderung einer flexiblen Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen mindert in keiner Weise die genannten Vorteile regelbasierter Systeme. Nur müssen sie eben angemessen flexibel und nicht starr gehandhabt werden.

 

 

Können wir mit KI jemals den Markt schlagen?

Die Frage, ob künstliche Intelligenz jemals in der Lage sein wird, erfolgreiche Anlageentscheidungen zu treffen, ist hochspannend und hat – wie schon angesprochen – fast philosophische Züge.

Da es bis dato keinen einzigen bekannten Algorithmus gibt, der dabei wirklich erfolgreich ist, muss diese Frage zumindest für die Gegenwart verneint werden.

Stand heute bleibt es vorerst dabei, dass wir in unserem Anlagemanagement auf ein Team menschlicher Portfoliomanagerinnen und -manager setzen, die im starken Ausmaß durch Computer unterstützt werden. In diesem Team werden sämtliche Anlageentscheidungen im Rahmen eines disziplinierenden und angemessen flexiblen Prozesses getroffen.

Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich das in Zukunft nicht ändern kann. Meine Vermutung – wie die vieler KI-Forscher – ist aber eher die, dass eine künstliche Intelligenz die chaotischen und unvorhersehbaren Ereignisse des Marktes nie dergestalt antizipieren kann, dass sie das Geld der Anlegerinnen und Anleger besser verwalten könnte als eine menschliche Vermögensverwaltung.

Und sollte es doch irgendwann anders sein, dann sind wir die ersten, die auf KI bei der Geldanlage setzen.

Anders als Kasparow, der sich sehr schwer damit tat, von einer Maschine geschlagen worden zu sein, hätten wir damit kein Problem. Denn letztlich geht es um Ihren Anlageerfolg – egal, wer ihn erzielt.

 

Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion

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    Die Quirin Privatbank AG wurde 2006 als erste Honorarberaterbank in Deutschland gegründet – mit der Mission, die Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Die Bank ist Spezialist für professionelle, individuelle Vermögensverwaltung und einen langfristigen Vermögensaufbau.

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