Auslandsaktien: Kein ruhiges Fahrwasser
Börse Frankfurt: Nach dem weltweiten Ausverkauf zum „Black Friday“ hat eine schnelle Erholung an den Börsen eingesetzt, die jedoch fragil wirkt: „Noch immer wird das Marktgeschehen von der Hoffnung bestimmt, dass die Omikron-Infektionen mild verlaufen könnten“, kommentiert Christian Schmidt von der Helaba.
Aber auch andere Themen gelte es zu berücksichtigen, etwa der chinesische Immobilienmarkt – hier „reißen die negativen Meldungen nicht ab“.
Die Unsicherheit ist nicht gebannt, pflichtet Walter Vorhauser von Oddo BHF bei:„Die Stimmung schwankt zwischen Omikron, Inflation und Zinsen – ist eines dieser Themen nicht im Fokus, tritt das nächste an diese Stelle“, kommentiert er die Marktlage.
Darüber hinaus würden die Umsätze vor Weihnachten bereits zurückgehen.
Auf weltweiten Ausverkauf folgt Erholung
Omikron hatte am größten Kaufrausch-Tag der USA ist, weltweit für einen Ausverkauf an den Börsen gesorgt. Fed-Chef Jerome Powells hatte zusätzliche Unruhe geschürt, als er trotz des Auftretens der neuen Virus-Variante eine straffere Geldpolitik seines Hauses angekündigt hatte.
„Das begonnene Tapering dürfte den Markt noch weiter belasten“, so Vorhauser.
Schwieriger Jahresanfang möglich
Marc Richter von der Baader Bank sieht neben Tapering und Zinsen das Inflationsrisiko als hoch: „Bis zu 7 Prozent Inflation in den USA sind 2022 zu erwarten – aber für die Fed nicht hinnehmbar. Der Druck auf die Fed zu handeln wächst.“
Die nächste Fed-Sitzung in der kommenden Woche werde deshalb mit Spannung erwartet insofern, ob es Hinweise auf ein früheres Ende des Tapering und die möglichen Zinsschritte 2022 gäbe.
Von der EZB gingen noch keine Impulse aus, ihre Politik zu ändern. Die Volatilität werde hoch bleiben: „Es wird kein ruhiges Fahrwasser geben, weil die Lage unverändert bleibt. Deshalb nimmt das Momentum am Aktienmarkt derzeit – vor allem in den USA – ab. Wenn wir in den USA in diesem Jahr kein neues Hoch mehr sehen, wird der Start 2022 womöglich holprig“, erklärt Richter.
Mit einem Fed-Entscheid bzw. einer klareren Richtung zur Geldpolitik dürften nach Einschätzung von Richter die Renditen steigen und dann käme eine größere Sektor-Rotation in Gang: „Value dürfte dann gesucht sein.“
Die aktuelle Unsicherheit werde laut Vorhauser auch zu Umschichtungen genutzt. „Wir sehen, dass mehr Sicherheit gefragt ist“ sagt Vorhauser.
So würden Oddo BHF-Kunden von „stark gelaufenen Technologie-Werten“ zu Standardwerten wechseln. Er sieht dennoch gute Umsätze und Käufe bei ausgewählten Tech-Werten: „Apple läuft gut – die Anleger erwarten offensichtlich gute Verkaufszahlen im Weihnachtsgeschäft“.
Hingegen würden chinesische Tech-Werte wie Tencent und Alibaba verkauft: Die Maßnahmen der chinesischen Regulierung verderben hier den Anlegerspaß“, so Vorhauser. „Hier ist auch der Boden noch nicht gefunden.“
Doch wo Schatten, ist auch Licht: Das Auftreten der neuen Corona-Variante gab Impfstoff-Aktien Schub, so gewannen etwa Biontech-Aktien auf Monatssicht 30 Prozent.
In den vergangenen Wochen war der Dow Jones (US2605661048) nach und nach zunächst um mehr als 2.000 abgerutscht, um dann die Verluste größtenteils wieder wett zu machen.
Den Technologie-Werten im NASDAQ 100 (US6311011026) gelangen Ende November noch neue Rekordstände, bis auch hier herbe Rückschläge zu verzeichnen waren. Immerhin erzielte der Index auf Monatssicht ein Plus von einem Prozent.
Erneut gehörte der Nikkei 225 (JP9010C00002) in den vergangenen Wochen zu den schwächsten Indizes mit einem Kursrutsch von 29.800 auf 27.750 Punkte binnen weniger Tage.
Allein beim Ausverkauf vor zwei Wochen ereilte Japans Börsenleitindex der größte Verlust seit fünf Monaten.
China trotzt allgemeinem Abwärtstrend an den Börsen
Überwiegend aufwärts ging es hingegen trotz Pandemie, neuer Corona-Variante, Lieferengpässen und Unruhe im chinesischen Immobilien-Sektor im Shanghai Composite, der binnen vier Wochen um knapp 6 Prozent zulegte.
Selbst die zuletzt prognostizierten schwachen Wachstumsaussichten – China setzte für 2022 ein Wachstumsziel von 5 Prozent – konnten den Börsen nichts anhaben.
Nach Einschätzung von Richter müssten die Konjunkturdaten Chinas genau beobachtet werden: „Es reicht nicht, den Blick nur auf die USA zu lenken.“
Vor allem die steigenden Erzeugerpreise – allein im November stand hier ein Plus von knapp 13 Prozent – seien besorgniserregend, weil sie die Inflation schürten.
Regulierung bringt neue Unsicherheit
Indessen könnten chinesische Unternehmen, die in New York notiert sind, dort bald die Börse verlassen müssen: Die Börsenaufsicht SEC hat beschlossen, dass Unternehmen, die nicht von ihr überprüft werden können, nicht mehr an New Yorker Handelsplätzen notiert sein dürfen.
Das betrifft chinesische Aktien. Der chinesische Fahrdienstleister Uber hatte angekündigt, sich nach nur fünf Monaten von der Wall Street zurückzuziehen.
Während die USA mangelnde Transparenz bei chinesischen Unternehmen in den USA bemängeln, hatte die chinesische Regierung Sicherheitsbedenken vor allem hinsichtlich des Datenschutzes geäußert.
Sorgen bereitet nach wie vor der chinesische Immobilien-Sektor. Erstmals kann der Immobilien-Entwickler Evergrande eine Dollar-Schuld nicht bezahlen. In den vergangenen vier Wochen büßte die Aktie noch einmal ein Fünftel ihres Wertes ein.
In den vergangenen Tagen hatten auch die Immobilien-Unternehmen Kaisa Group und China Aoyuan Group gewarnt, Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten zu können.
„Wie es scheint, wird das Ausmaß dieser Krise immer größer, womit die Frage im Raum steht, ob die Märkte die möglicherweise daraus resultierenden Risiken zeitnah einpreisen“, kommentiert Schmidt das Geschehen.
Angesichts des heißgelaufenen Immobilien-Marktes will die Regierung nun Immobilien-Spekulationen verhindern und dafür auch Immobilien-Konzerne kontrolliert pleite gehen lassen.
Durchwachsenes Bild in Europa
In Europa fällt das Bild hingegen sehr durchwachsen aus. Der WIG-20 in Polen und der ungarische BUX entwickeln sich seit Ende Oktober bereits schwächer als viele europäische Pendants. Während in Polen die Standardwerte knapp 7 Prozent fielen, waren es in Budapest rund 5.
Die Standardwerte in Stockholm erholten sich von zwischenzeitlichen Verlusten (+0,3 Prozent in den vergangenen vier Wochen), der OMX in Kopenhagen verlor gut ein Prozent.
In Wien hatten die innenpolitischen Querelen und mehrfachen Wechsel an der Spitze der Regierung kaum Auswirkungen. Auch hier fielen Verluste mit der neuen Corona-Mutation Omikron an, die wie an so vielen Handelsplätzen, etwa Paris, Athen, Madrid, aber wettgemacht wurden. Wien verlor auf Monatssicht im ATX rund 2 Prozent.
Der DAX in Frankfurt konnte die 16.000er-Marke nicht halten. Gut 2 Prozent verliert er auf Monatssicht noch nach zwischenzeitlich deutlich höheren Verlusten.
London: Mitte November hatte der FTSE 100 noch ein Rekordhoch von 7.400 Punkten erreicht und ist trotz Einbruches auf dieses Niveau zurückgekehrt. Goldman Sachs hatte den britischen Aktienmarkt zuletzt dennoch als „recht günstig“ eingestuft.
Doch wichtige Fragen stünden an: Wie hoch steigt die Inflation noch? Wann und wie wird die Bank of England auf die hohe Inflation von derzeit 4,2 Prozent reagieren?
Die meisten Marktbeobachter rechneten mit einer Leitzinserhöhung von 0,1 auf 0,25 Prozent im Dezember.
Der Lira-Verfall hingegen habe, so Richter, anderes als im Jahr 2018 kaum Auswirkungen hier zu Lande. „Obwohl die Währung nochmals deutlich abgewertet hat, bleibt der Lira-Einbruch eine Randnotiz.“ Hier hätten sich die Themen verschoben.
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