Frankreich rutscht nach dem Rücktritt von Premierministers Sébastien Lecornu in die nächste Staatskrise – französiche Staatsanleihen gehen durch die Decke!

Frankreich versinkt in einer beispiellosen Regierungskrise: Premierminister Sébastien Lecornu ist heute Morgen zurückgetreten, nur einen Tag nachdem er seine neue Regierung vorgestellt hatte. Präsident Emmanuel Macron akzeptierte das Rücktrittsgesuch unmittelbar.

Es handelt sich um einen einmaligen Vorgang in der Geschichte der Fünften Republik – niemals zuvor scheiterte ein französischer Regierungschef derart schnell.

Renditen französischer Staatsanleihen erreichen kritisches Niveau von 3,575 Prozent

Die Finanzmärkte reagieren nervös auf die politische Instabilität in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone. Die Rendite zehnjähriger französischer Staatsanleihen kletterte zeitweise auf über 3,800 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit März.

Der Risikoaufschlag gegenüber deutschen Bundesanleihen weitete sich auf 78 bis 90 Basispunkte aus – französische Bonds werden damit schlechter bepreist als griechische Staatsanleihen und nähern sich italienischem Niveau an.

Dies ist ein dramatischer Wandel für ein Land, das bislang als Stabilitätsanker der Eurozone galt.

 

Französiche Staatsanleihen (hier 10-jährige) steigen direkt nach dem Rücktritt des französichen Premierministers Sébastien Lecornu steil an

Französiche Staatsanleihen (hier 10-jährige) steigen direkt nach dem Rücktritt des französichen Premierministers Sébastien Lecornu steil an

Noch vor wenigen Jahren lagen die französischen Spreads zu Deutschland bei deutlich unter 50 Basispunkten. Die aktuelle Entwicklung signalisiert, dass Investoren eine erheblich höhere Risikoprämie für das Halten französischer Staatsschulden verlangen.

Das Land muss damit im nächsten Jahr voraussichtlich mehr als 70 Milliarden Euro allein für den Zinsendienst aufbringen – mehr als für sein Militär.

Haushaltsnotstand als Auslöser: 112 Prozent Staatsverschuldung bei 5,8 Prozent Defizit

Hintergrund der Krise ist der erbitterte Streit um den Haushalt für das kommende Jahr. Frankreichs Staatsfinanzen befinden sich in desolatem Zustand: Die Staatsverschuldung beträgt mittlerweile 112 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das jährliche Defizit liegt bei 5,8 Prozent – dem höchsten Wert in der gesamten Europäischen Union. Die Maastricht-Grenze von drei Prozent wird damit um nahezu das Doppelte überschritten.

Lecornu, der erst am 9. September zum Premierminister ernannt worden war, hatte gestern ein Kabinett präsentiert, das weitgehend aus alten Getreuem Macrons bestand. Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik. Selbst sein eigener Innenminister Bruno Retailleau äußerte sich unmittelbar nach der Verkündung ablehnend zur Zusammensetzung der Regierung. Drei große Oppositionsparteien kündigten daraufhin ein Misstrauensvotum an – was Lecornu faktisch keine Chance ließ, den dringend benötigten Sparhaushalt durchs Parlament zu bringen.

Deutschland profitiert als sicherer Hafen – Renditeabstand auf Rekordniveau

Für Deutschland ergibt sich aus der französischen Krise paradoxerweise ein fiskalischer Vorteil. Während französische Staatsanleihen unter Druck geraten, profitiert die Bundesrepublik vom Fluchtkapital. Deutsche Bundesanleihen rentieren derzeit lediglich bei rund 2,7% – ein deutlicher Unterschied zu den 3,575% in Frankreich. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil kann sich damit wesentlich günstiger verschulden als sein französischer Amtskollege.

 

Deutschland profitiert bei den 10-jährigen Bonds von Frankreichs Misere

Deutschland profitiert bei den 10-jährigen Bonds von Frankreichs Misere

 

Der Renditeabstand von knapp einem Prozentpunkt zwischen beiden Ländern ist historisch bemerkenswert und spiegelt die unterschiedliche Bonität wider: Deutschland verfügt über das Spitzenrating AAA, während Frankreich von den Ratingagenturen nur noch mit AA- bewertet wird – zwei bis drei Stufen schlechter. Die Agenturen Fitch, S&P und Moody’s haben bereits angedeutet, dass weitere Herabstufungen möglich sind, sollte sich die politische Lage nicht stabilisieren.

Droht ein Kollaps der Eurozone? Experten geben vorsichtige Entwarnung

Trotz der dramatischen Zuspitzung geben Finanzexperten vorsichtige Entwarnung hinsichtlich eines unmittelbaren Kollapses der Eurozone. Die aktuelle Situation sei nicht mit der griechischen Staatsschuldenkrise von 2010 bis 2012 vergleichbar, betonen Analysten. Damals kletterten die griechischen Renditen auf über zehn Prozent, während die französischen Aufschläge mit 0,78 Prozentpunkten gegenüber Deutschland noch vergleichsweise moderat ausfallen.

Die Europäische Zentralbank hält mit dem Transmission Protection Instrument ein Notfallinstrument bereit, um im Falle eskalierender Spreadbewegungen intervenieren zu können.

Dennoch warnen Ökonomen vor einer schleichenden Verschärfung.

Daniel Lenz, Leiter Strategie Euro-Zinsmärkte bei der DZ Bank, konstatiert:

„Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen bleiben hoch. Ein nachhaltiger Wille zum Sparen und für Reformen ist kaum erkennbar.“

 

Sollte Frankreich nicht bald einen tragfähigen Haushaltskompromiss finden, könnten die Märkte ihre derzeit noch relativ gelassene Haltung rasch ändern.

 

Macron politisch schwer beschädigt – vierte Regierung in kurzer Zeit

Für Präsident Emmanuel Macron bedeutet Lecornus Scheitern eine weitere schwere Niederlage. Er muss nun zum vierten Mal binnen kürzester Zeit einen neuen Premierminister ernennen. Seine Zustimmungswerte sind auf historische Tiefstände von lediglich 15 Prozent gefallen – der unbeliebteste französische Präsident der Geschichte. Das Rassemblement National unter Marine Le Pen und Jordan Bardella fordern unterdessen vehement Neuwahlen, was Macron bislang kategorisch ablehnt.

Die kommenden Tage werden zeigen, ob Macron einen Ausweg aus der Sackgasse findet oder ob Frankreich auf eine noch tiefere Staatskrise zusteuert.

Für die Finanzmärkte bedeutet dies anhaltende Volatilität – und für die gesamte Eurozone eine ernsthafte Bewährungsprobe ihrer Stabilität.

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