Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit – Steuerlast für deutsche Unternehmen am größten
Helaba: Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich verschlechtert.
Vor allem die hohe Steuerlast der Unternehmen sowie die Energiekosten sind Faktoren, die die Standortattraktivität beeinträchtigen.
In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich die Frage: Wo bleibt die Agenda 2030?
In den vergangenen Monaten gab es zunehmend Stimmen, die sich kritisch zur deutschen Wettbewerbsfähigkeit äußerten.
Dass Unternehmen hierzulande unter immer mehr Standortnachteilen leiden, behaupten nicht nur Vertreter der Industrie, sondern auch das IMD kam im Rahmen des jährlichen „World Competitiveness Ranking“ zu diesem Ergebnis.
Hierbei belegt Deutschland im aktuellen Jahr den 24. Rang unter 67 bewerteten Ländern – das schlechteste Ergebnis seit 2006.
Als sich Anfang der 2000er Jahre die Wettbewerbsfähigkeit des Landes Jahr für Jahr verschlechterte, veranlasste dies im Jahr 2003 die von Gerhard Schröder angeführte Bundesregierung dazu, im Rahmen der Agenda 2010 notwendige Reformen anzustoßen.
Agenda 2010 stärkte Deutschland, doch Standortqualität schwindet wieder
Hinzu kamen auch umfassende Steuerreformen, die nicht nur für die Verbraucher die Einkommensteuersätze senkten und den Grundfreibetrag erhöhten, sondern auch die Unternehmenssteuern minderten.
Zusammengefasst stellte Gerhard Schröder die Agenda 2010 mit den folgenden Worten vor: „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“
Mit etwas Verzögerung zeigten diese Reformen ihre Wirkung und in den Jahren von 2006 bis 2014 kletterte Deutschland in dem Ranking bis auf Platz 6.
Doch seitdem verschlechterte sich die deutsche Standortqualität wieder.
Dieser Negativtrend erzeugt eine zunehmende Gefahr der Unternehmensabwanderung bzw. kann abschreckend wirken auf Unternehmen, die in Deutschland investieren wollen.
Bürokratie, hohe Steuern und Energiekosten belasten
Während ein hohes Bildungsniveau und qualifizierte Arbeitskräfte auch aktuell noch für den Standort Deutschland sprechen, gibt es Faktoren, die den Standort für Unternehmen unattraktiv machen.
Neben den bürokratischen Hemmnissen für Unternehmen werden in der Analyse des IMD vor allem die hohen Steuern, Abgaben sowie Personal- und Energiekosten als Schwächen des Standorts aufgelistet.
Darüber hinaus sind auch die hierzulande nur langsam fortschreitende Digitalisierung und die abnehmenden Arbeitsstunden Gesichtspunkte, in denen Deutschland im internationalen Vergleich besonders schlecht abschneidet.
Der Schwerpunkt dieser Studie wird auf der Analyse der Steuerlast für die Unternehmen sowie den Energiekosten liegen.
Steuer- und Abgabenlast der Unternehmen
Unter den 20 größten Volkswirtschaften Europas besteuert Deutschland die Gewinne der Kapitalgesellschaften am stärksten.
Bei Betrachtung der effektiven Steuerbelastung schneidet Deutschland ähnlich ab.
So liegt die effektive Steuerbelastung für Unternehmen etwa 10 Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt.
Weltweit belasteten nur Spanien und Japan die Unternehmen 2023 stärker.
Absolut betrachtet hat sich an der Steuerlast deutscher Kapitalgesellschaften in den letzten Jahren wenig verändert, doch da z.B. Frankreich und das Vereinigte Königreich ihre Körperschaftsteuersätze gesenkt haben, verschlechterte sich die deutsche Standortattraktivität relativ zu diesen beiden Volkswirtschaften.
Neben Gewinnsteuern werden auch explizit die hohen Sozialabgaben als Schwäche für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit aufgelistet.
Die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber machen laut dem Statistischen Bundesamt in Deutschland durchschnittlich etwas mehr als 23% der Bruttoarbeitskosten aus.
Nicht nur im kommenden Jahr werden diese zunehmen.
Auch in den Folgejahren ist mit Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenzen bei den Sozialversicherungen sowie weiteren Anstiegen der Beitragssätze zu rechnen.
Diese Maßnahmen reduzieren nicht nur das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, sondern machen die Arbeitnehmer auch teurer für die Unternehmen.
Zwischenfazit
Durch eine Senkung der Unternehmensbesteuerung auf insgesamt 25% könnte sich Deutschland beispielsweise im Mittelfeld der westeuropäischen Volkswirtschaften positionieren und würde damit den Standort Deutschland spürbar attraktiver machen.
Energiekosten
Unter den vier großen Volkswirtschaften der Eurozone hat das Verarbeitende Gewerbe hierzulande mit etwa 20% den größten Anteil an der Bruttowertschöpfung.
Danach folgt Italien mit 17% und Frankreich und Spanien mit etwa 11%.
Die USA erwirtschaftet mit rund 10% auch nur einen vergleichsweise geringen Anteil ihrer Wirtschaftsleistung in der Industrie.
In China hingegen hat das Verarbeitende Gewerbe mit 26% einen größeren Anteil an der Bruttowertschöpfung Im Rahmen der Energiekrise sind vor allem die europäischen Preise für Erdgas – und somit auch die Notierungen der Erdgas-Future – explodiert.
Auch in den USA (Nymex) gab es hier einen Kursanstieg, doch dieser war nicht ansatzweise so ausgeprägt wie in Europa.
Inzwischen haben sich die Preise zwar einigermaßen normalisiert, doch liegen sie weiterhin über dem Vorkrisenniveau.
Europäische Nachfrager zahlen aktuell im Vergleich zu den Amerikanern mehr für Erdgas.
Dies war zwar auch vor der Energiekrise der Fall, doch seitdem haben sich die Abstände sichtbar vergrößert.
Hieraus hat sich der Wettbewerbsnachteil für europäische – und somit auch deutsche – Unternehmen, die Erdgas in ihren Produktionsprozessen verwenden, vergrößert.
Damit verstärkt sich der Anreiz, Produktionsstätten beispielsweise in die USA zu verlagern oder zukünftige Investitionen dort zu tätigen.
Durch die explodierenden Gaspreise entstand 2022 auch ein starker Anstieg der (Industrie-)Strompreise in Deutschland.
Während Frankreich hiervon größtenteils verschont blieb, erlitten die meisten europäischen Länder das gleiche Schicksal wie Deutschland.
In Italien erreichten die Industriestrompreise in der Spitze sogar ein noch höheres Level als hierzulande.
Seit 2022 ist in Deutschland, Spanien und Italien ein Rückgang der Industriestrompreise zu beobachten.
Jedoch liegen diese für Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von über 150 GWh in Deutschland und Italien aktuell (1. Halbjahr 2024) noch deutlich über dem Vorkrisenniveau.
Zudem vergrößerte sich der Abstand zwischen den deutschen Industriestrompreisen und bspw. den französischen im Laufe der letzten vier Jahre deutlich.
Im Vergleich mit den USA und China ist allerdings klar zu erkennen, dass die hiesigen Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch einen Standortnachteil haben.
Der deutsche Industriestrompreis liegt aktuell gut 50% über dem durchschnittlichen amerikanischen – in einigen US-Staaten ist der Unterschied zum deutschen Industriestrompreis noch größer.
Dies war auch 2020 schon der Fall, doch auch hier vergrößerte sich der Nachteil durch die vergangene Energiekrise, sodass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit mit Blick auf die Energiekosten nachgelassen hat.
Fazit
Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern, ist es essentiell, die Steuerlast der Unternehmen zu reduzieren und die Energiekosten zu senken.
Beide Faktoren beeinträchtigen die Standortattraktivität für Unternehmen maßgeblich.
Jedoch lassen sich die hohen Energiekosten kurzfristig nur begrenzt ändern.
Hier sind bereits Maßnahmen von der Bundesregierung ergriffen worden und weitere stehen an.
Beispielsweise wurde die EEG-Umlage bereits abgeschafft und im Rahmen der Wachstumsinitiative wurden Maßnahmen vorgelegt, die die Netzkosten sowie die Stromsteuer für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes senken sollen.
Um die Stromversorgung deutlich günstiger zu machen, sind jedoch umfassende Investitionen notwendig, die erst nach Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – ihre Wirkung zeigen.
Solche Investitionen müssen weiterhin ein Bestandteil der langfristigen Strategie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sein.
Darauf kann die Politik unmittelbar Einfluss nehmen.
Doch insbesondere für die Senkung der Unternehmenssteuern bedarf es dem politischen Willen und der Bereitschaft Ausgaben zu kürzen, um die Mindereinnahmen auszugleichen.
Angesichts der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit – und der damit verbundenen Risiken für die Standortsicherung und Arbeitsplätze – sollte dies absolute Priorität haben.
Es ist Zeit für eine umfassende Angebotspolitik.