Geht der Rallye am Aktienmarkt die Luft aus?
BlackRock: Wir nähern uns der Mitte des Jahres, und den Märkten scheint ein bißchen die Puste auszugehen. In der letzten Woche schlossen die Aktienmärkte erneut nahezu unverändert, bei sehr niedriger Volatilität. Gute Nachrichten, vor allem der Ausblick weiter solider Unternehmensgewinne, scheinen ebenso eingepreist wie die Erleichterung darüber, daß bei den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich das Gespenst rechtspopulistischer Wahlsiege abgewendet wurde.
Im gleichen Zuge ist die Trump-Rally, also der Optimismus bezüglich konjunkturstimulierender Maßnahmen seitens der neuen US-Regierung, fast unbemerkt wieder aus den Kursen verschwunden. Die Märkte bleiben risikofreudig, dennoch können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, daß wir wahrscheinlich den stärksten Teil der Kursentwicklung dieses Jahres in den Büchern haben.
Zwar sehen wir andererseits auch kaum Grund für eine Kehrtwende in der zweiten Jahreshälfte. Es kann aber gut sein, daß es neuer positiver Nachrichten bedarf, um über den Sommer und danach die Kurse weiter steigen zu lassen.
Inflationsraten unter Öl-Einfluss
Ein wichtiges Element bei der Bewertung der Aussichten ist die Entwicklung der Inflationsraten. Hier haben wir über das Frühjahr hinweg einiges an Verzerrungen erlebt, angefangen von plötzlicher Normalisierung der Verbraucherpreise in Richtung ihres Zielwerts von 2%, bis hin zu plötzlichen Abbrüchen um einen halben Prozentpunkt in der Jahresrate innerhalb eines Monats.
Bedingt wurde all dies durch die Fluktuationen des Ölpreises, welche wir seit etwas mehr als einem Jahr beobachten und die sich nun in den Jahresveränderungsraten niederschlagen. Während Volkswirte sich rühmen, vor Überinterpretation dieser "Basiseffekte" seit langem gewarnt zu haben, bleibt die entscheidende Frage bestehen, wie nachhaltig nämlich die Rückkehr zu Raten um 2% in den Industrieländern wirklich ist.
Immerhin ist letztere ein wichtiger Bestandteil der "Reflation Story", also des Narrativs, demzufolge die Normalisierung des Inflations- und Zinsgefüges nur eine Frage der Zeit ist. Die Erwartungen bezüglich der für diese Woche anstehenden Inflationsdaten sind in diesem Kontext eher ernüchternd.
Verdächtig schwacher Preisdruck
Im Euroraum dürfte sich im Juni die Jahresveränderungsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex weiter ermäßigt haben, von 1,4% auf 1,3%. Deutschlands Inflation liegt mit einem Rückgang von 1,5% auf 1,4% nur marginal höher, und selbst in den USA, wo die Wirtschaft schon länger solide läuft und der Arbeitsmarkt eigentlich stärkeren Lohndruck produzieren sollte, wird der Kernindex der persönlichen Konsumausgaben für diesen Monat bei nur 1,5% veranschlagt.
All das signalisiert verdächtig schwachen Preisdruck. War am Ende der „Reflation-Call“ doch zu optimistisch? Wir glauben nein. Denn die entscheidende Veränderung, welche die Reflationsgeschichte 2017 von den sieben Jahren davor unterscheidet, ist und bleibt die Tatsache, daß zum ersten Mal seit der Finanzkrise die Angst vor Deflation gebannt ist. Und das ist allemal Grund genug, zumindest verhalten optimistisch zu bleiben.
Vorsichtiger Optimismus auch in Italien
Nach der vorläufigen Rekapitalisierung für Monte de Paschi wurde nun auch für die kleineren Institute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza eine Lösung gefunden. Zwar verhindert die desaströse Ertragslage der beiden Banken eine Lösung mittels vorsorglicher Rekapitalisierung, analog des Monte dei Paschi-Bespiels.
Aber stattdessen wird nun mit Zuschüssen des Finanzministeriums eine Bad Bank gegründet, die gesunden Assets werden von der Großbank Intesa übernommen und Veneto Banca sowie Banca Popolare di Vicenza werden abgewickelt. Anleger haben dieses Ende mit Schrecken als bessere Variante gegenüber einem Schrecken ohne Ende interpretiert. Der italienische Zehnjahresspread gegenüber Deutschland ist letzte Woche weiter auf 165 Basispunkte zurückgegangen.
Was bedeutet das für Anleger?
Könnte die Bundestagswahl der Auslöser für eine Kursrally in der zweiten Jahreshälfte werden? Unwahrscheinlich. Gegenüber dem Schulz-Hype vom Februar, als phasenweise die SPD die Union in der Sonntagsfrage abhängen konnte, ist Normalität eingekehrt. Die CDU/CSU hat mit Umfragewerten von 37-40% nun einen satten Vorsprung vor der SPD (23-25%).
Zwar ist es nicht völlig ausgeschlossen, daß die auf dem Parteitag demonstrierte Geschlossenheit die Sozialdemokraten noch einmal näher an die Kanzlerinnenpartei heranbringt, ein Wahlsieg liegt aus unserer Sicht aber in weiter Ferne und dürfte voraussetzen, daß Angela Merkel einen schweren Fehler begeht, in welchem Politikfeld auch immer.
Wir halten die Wahrscheinlichkeit eines derartigen „unforced error“ seitens Merkel für extrem gering. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, daß der nächste Kanzler doch Martin Schulz heißt, dürften die Auswirkungen auf die Finanzmärkte sehr überschaubar ausfallen.
Autor: Dr. Martin Lück
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