Ist eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige nötig?

Deutsches Institut für AltersvorsorgeDas Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte das Institute of Labor Economics (IZA) beauftragt, die Entwicklung der Selbstständigkeit in Deutschland zu untersuchen.

Der nunmehr vorliegende Forschungsbericht beschäftigt sich mit der Selbstständigkeit von gut vier Millionen Menschen in Deutschland. Dabei unterscheidet die Studie vor allem zwischen Selbstständigen mit Beschäftigten und sogenannten Solo-Selbstständigen. Waren zur Jahrtausendwende beide Gruppen noch etwa gleich groß, dominiert seit einigen Jahren die Zahl der Solo-Selbstständigen.

Allerdings analysiert der Forschungsbericht nicht detailliert, inwieweit Selbstständige im Hinblick auf Altersarmut prinzipiell gefährdet sind. Dafür fehlte den Experten laut eigenen Aussagen eine umfassend verlässliche Datengrundlage. Deshalb wurden bestimmte Zahlen auch abgeleitet beziehungsweise geschätzt.

Doch die ermittelte Einkommens- und Vermögenssituation der Selbstständigen lässt zumindest Rückschlüsse auf deren Vorsorgepotenzial beziehungsweise ihre finanziellen Verhältnisse im Ruhestand zu. Insofern können die Ergebnisse der Studie bei der Vorbereitung einer möglichen Altersvorsorgepflicht den fachlichen und datenbezogenen Horizont durchaus erweitern.

 

 

Zweites großes Rentenprojekt dieser Legislatur

Neben der Grundrente verfolgt das BMAS derzeit auch das Ziel, eine Altersvorsorgepflicht für nicht anderweitig obligatorisch abgesicherte Selbstständige durchzusetzen. Ausgenommen wären beispielsweise Selbstständige, die in berufsständische Versorgungswerke einzahlen. Das entsprechende Gesetz soll nach diesen Plänen möglichst noch bis zum Jahresende oder spätestens im Jahr 2021 in Kraft treten.

Laut der vorliegenden Studie wären von einer derartigen Altersvorsorgepflicht etwa drei Millionen Selbstständige betroffen. Die Ergebnisse der Studie könnten in den geplanten BMAS-Gesetzentwurf einfließen. Derzeit orientiert der Entwurf auf eine Wahlmöglichkeit zwischen Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung oder in eine insolvenz- und pfändungssichere Lösung im Rahmen einer privaten Altersvorsorge, die jedoch ausschließlich auf eine spätere Rente abzielt.

 

Enorme Spreizung der Einkommen

Eine solche Absicherung birgt jedoch einige Klippen. Die Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit können stark schwanken.

Zudem ist es schwieriger, sie genau zu beziffern. Oft liegen den Selbstauskünften oder anderweitig ermittelten Daten unterschiedliche Maßstäbe zugrunde. Diese beruhen auf verschiedenen steuerlichen Aspekten, Sozialabgaben oder Einkommensberechnungen. Deshalb wurden in der Studie jeweils Brutto- und Nettoeinkommen berücksichtigt.

Im Jahr 2018 betrug der Median des monatlichen Nettoeinkommens aller Selbstständigen 1.660 Euro. Damit fällt dieser gegenüber abhängig Beschäftigten (1.675 Euro, ohne geringfügig Beschäftigte) nur etwas geringer aus. Die Medianwerte der monatlichen Bruttoeinkommen beider Gruppen sind mit jeweils 2.500 Euro sogar identisch.

Allerdings gibt es in der Gruppe der Selbstständigen eine enorme Einkommensspreizung. So stehen beispielsweise selbstständig ausgeübte Berufe als Hebamme, Friseurin oder kreativ Tätige auf der untersten Einkommensstufe. Dem gegenüber erzielen Ärzte, Geschäftsführer beziehungsweise Unternehmensberater aus ihrer selbstständigen Tätigkeit Einkommen auf der obersten Stufe.

 

Zwei Drittel der Solo-Selbstständigen ohne Vermögensbildung

Im Regelfall dient das Erwerbsleben auch zur Vermögensbildung für den Ruhestand.

Doch besonders Solo-Selbstständige verfügen oft nicht über eine ausreichende Liquidität, um für die spätere Rentenphase anzusparen. So geben laut Studie rund 66 Prozent der Solo-Selbstständigen an, dass sie keinerlei Vermögen durch Sparprodukte bilden.

Vergleichsweise besser stehen in dieser Hinsicht Selbstständige mit Beschäftigten da. Allerdings schafft auch in dieser Gruppe mehr als jeder Zweite (54 Prozent) keine Vermögensbildung durch regelmäßiges Sparen. Allerdings erreichen 12,4 Prozent von ihnen extrem hohe Sparquoten von 20 Prozent und mehr des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens.

Bei Solo-Selbstständigen beträgt dieser Anteil lediglich 6,6 Prozent. Zudem verfügen 16 Prozent aller Solo-Selbstständigen über keinerlei Wertanlagen oder Betriebsvermögen. Bei den Selbstständigen mit Beschäftigten hingegen kommt das nur bei jedem Zehnten vor. Vor allem beim Betriebsvermögen rangieren sie erwartungsgemäß weit vorn. Gut jeder Zweite (51,9 Prozent) verfügt darüber, bei Solo-Selbstständigen hingegen noch nicht einmal jeder Fünfte (18,9 Prozent).

 

Häufig mit Immobilienbesitz

Neben dem Betriebsvermögen stellt der Immobilienbesitz eine wesentliche Vermögenskomponente da.

Unter den Selbstständigen mit Beschäftigten ist der Anteil der Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum am höchsten (68 Prozent). Mit knapp 33 Prozent lebt auch der größte Anteil bereits schuldenfrei in den eigenen vier Wänden.

Bei den Solo-Selbstständigen sind dies jeweils nur 55 Prozent beziehungsweise 27 Prozent. Eine zusätzliche Einkommensquelle liefert die Vermietung von Immobilien. Hier verzeichnen 32 Prozent der Selbstständigen mit Beschäftigten sowie knapp 20 Prozent der Solo-Selbstständigen entsprechende Einnahmen.

 

Was eine Altersvorsorgepflicht bedeutet

Einerseits verfügen Selbstständige meist über mehr berufliche Unabhängigkeit und schätzen diese auch besonders. Andererseits sind sie aufgrund volatiler Einkommen auch höheren Risiken bei der Vermögensbildung und Altersvorsorge ausgesetzt.

Während Selbstständige mit Beschäftigten durchaus über nennenswerte Vermögen verfügen, wird es insbesondere Solo-Selbstständigen schwer fallen, ihren Lebensstandard im Alter durch eine auskömmliche Altersvorsorge rechtzeitig abzusichern. Dennoch bleibt abzuwarten, inwiefern eine Altersvorsorgepflicht zielführend sein kann. Zumal die monetären Möglichkeiten, wie die Studie zeigt, oftmals für eine obligatorische Absicherung des Ruhestands gar nicht ausreichen.

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