Lebensversicherer: Wenn Zinsen steigen

BaFin: Widerstandsfähig waren die Lebensversicherer selbst in Zeiten niedriger Zinsen.

Nun kommen ihnen die steigenden Zinsen zugute.

Für die BaFin verschiebt sich der Blickwinkel: Im Fokus stehen nun die Risiken aus dem Zinsanstieg.

Hinter den Lebensversicherern liegen Jahre rückläufiger und historisch niedriger Kapitalmarktzinsen. Dennoch hat sich die Branche in dieser Zeit robust entwickelt.

Seit 2022 steigen die Zinsen wieder. Aktuell liegt der Leitzins im Euroraum bei 3,75 Prozent.

Wie wirkt sich das auf die Lebensversicherer aus? Das BaFinJournal gibt einen Überblick.

 

Zunächst Abschreibungen und Verluste

Kurzfristig sind bei den Lebensversicherern durch den Zinsanstieg die Abschreibungen gestiegen, was auch den allgemeinen Turbulenzen an den Märkten geschuldet ist. Durch außerordentliche Kapitalerträge konnten die Unternehmen diese Verluste ausgleichen.

Mittel- bis langfristig werden sich durch den Zinsanstieg aber die Ertragschancen in der Neu- und Wiederanlage festverzinslicher Wertpapiere verbessern.

Auch werden die Unternehmen ihre Zinszusatzreserve kontinuierlich auflösen. Ein Blick auf die wirtschaftlichen Kennzahlen der Unternehmen zeigt zudem: Die prognostizierten Rohüberschüsse liegen wieder deutlich höher, was auch den Versicherten zugutekommt.

So hat der Zinsanstieg bereits dazu geführt, dass – nach Jahren sinkender Überschussbeteiligungen – erste Lebensversicherer ihre Überschussbeteiligung für das Jahr 2023 moderat erhöht haben.

 

 

Bessere Solvenzbedeckung

Die gestiegenen Kapitalmarktzinsen führten zudem zu einer Verbesserung der Solvenzkapitalbedeckung (siehe Grafik 1). So konnten im 2. Quartal 2022 erstmals seit der Einführung von Solvency II im Jahr 2016 alle Lebensversicherer auch ohne die Übergangsmaßnahmen des Regelwerks eine hinreichende Solvenzkapitalbedeckung ausweisen.

Zum Jahresende 2022 waren nur bei einem Lebensversicherer unter BaFin-Aufsicht die Solvenzkapitalanforderungen ohne Anwendung von Übergangsmaßnahmen unterdeckt. Einzelne Unternehmen verzichten hingegen bereits auf die weitere Anwendung der Übergangsmaßnahmen.

Weil das Geschäftsmodell der Lebensversicherer sehr empfindlich auf Zinsänderungen reagiert, wird aber auch künftig mit Schwankungen der Solvenzquoten zu rechnen sein.

 

Grafik 1: Solvenzkapitalbedeckung deutscher Lebensversicherer mit Übergangsmaßnahmen (Quartalsmeldungen)

Quelle: BaFin / Eigene Erhebung

Quelle: BaFin / Eigene Erhebung

 

Intensivierte Aufsicht vorerst nicht mehr erforderlich

In der Niedrigzinsphase haben Gesetzgeber, Aufsicht und die Lebensversicherer selbst zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Risiken zu reduzieren und für eine ausreichende Risikotragfähigkeit der Unternehmen zu sorgen. Daraufhin hat sich die Branche trotz des schwierigen Umfelds robust entwickelt.

Durch den Zinsanstieg hat sich die Lage der Unternehmen weiter verbessert. Für die BaFin heißt das: Die intensivierte Aufsicht über Lebensversicherer muss vorerst nicht mehr zum Einsatz kommen.

Sie war ein Instrument der Niedrigzinsphase. Ihr Zweck war es, die Risiken des Niedrigzinsniveaus zu mindern und beherrschbar zu machen. Diesen Zweck hat sie erfüllt.

Lebensversicherer, die besonders sensitiv auf Zinsänderungen reagieren, begleitet die BaFin weiterhin im Rahmen der regulären laufenden Aufsicht.

 

Risiken steigender Zinsen

Doch auch ein Zinsanstieg bringt Risiken mit sich – vor allem dann, wenn die Zinsen stark und plötzlich steigen. Die BaFin betrachtet daher in diesem Jahr einen abrupten Zinsanstieg in signifikantem Ausmaß als eines der wesentlichen Risiken für das Finanzsystem (siehe auch „Risiken im Fokus der BaFin 2023“).

Drei Punkte sind hier entscheidend: die stillen Lasten in der Kapitalanlage, das Stornoverhalten der Kundinnen und Kunden und das Liquiditätsmanagement der Lebensversicherer.

 

 

Aus stillen Reserven werden stille Lasten

Infolge der gestiegenen Zinsen sind die Marktwerte der gehaltenen festverzinslichen Kapitalanlagen gesunken. So sind die saldierten stillen Bewertungsreserven abgeschmolzen und es haben sich saldierte stille Lasten gebildet (siehe Grafik 2).

Grafik 2: Entwicklung der stillen Reserven und stillen Lasten in der Kapitalanlage der Lebensversicherer

Quelle: BaFin / Eigene Erhebung

Quelle: BaFin / Eigene Erhebung

 

Zwar engen stille Lasten den Handlungsspielraum von Lebensversicherern in der Kapitalanlage ein. Aber die stillen Lasten in festverzinslichen Anlagen haben für sich genommen zunächst keine negativen Auswirkungen auf die Ergebnisse der Unternehmen.

Voraussetzung: Die stillen Lasten sind zinsinduziert und die Versicherer halten die Anlagen bis zur Endfälligkeit, was in der Regel der Fall ist. Negativ auswirken würden sich die stillen Lasten nur dann, wenn die Versicherer sie realisieren (müssten).

Dazu könnten sie zum Beispiel gezwungen sein, wenn ihre Liquidität knapp wird. Das kann vor allem dann passieren, wenn bestehende Versicherungsverträge aufgrund des Zinsanstiegs für die Kundinnen und Kunden wirtschaftlich unattraktiv werden und diese sich entschließen zu kündigen.

Dann flössen vermehrt Mittel ab und der Bedarf an Liquidität stiege.

 

Hohe Inflation: Mehr Beitragsfreistellungen, weniger Neugeschäft

Durch die hohe Inflation und attraktivere Anlagealternativen steigt zudem das Risiko, dass Kundinnen und Kunden mit ihren Beiträgen pausieren wollen und ihre Policen beitragsfrei stellen. Zugleich könnte das Neugeschäft leiden. So werden bereits weniger Lebensversicherungen gegen Einmalbeiträge abgeschlossen.

Beides führt dazu, dass den Unternehmen weniger Mittel zufließen, was wiederum die Liquiditätsplanung erschwert. In diesem geänderten Marktumfeld ist ein effektives Liquiditätsmanagement das A und O.

Die BaFin beobachtet systematisch, wie sich bei den Lebensversicherern Storno und Prämienfreistellungen entwickeln. Bei ausgewählten Unternehmen führt die BaFin quartalsweise eine Liquiditätsabfrage durch – angelehnt an die Liquiditätsabfrage der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA).

Die Ergebnisse zum Stichtag 31. Dezember 2022 zeigen: Bislang sind für das Jahr 2023 keine Fehlentwicklungen zu erwarten.

Und: Es stehen ausreichend liquide Kapitalanlagen zur Verfügung, mit denen zusätzliche Liquiditätsanforderungen gedeckt werden könnten.

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