Polens Wirtschaft 2025: Starkes Wachstum trotz Unsicherheiten und Reformdruck
Mit einem BIP-Wachstum von voraussichtlich 3 % wird die polnische Wirtschaft 2025 erneut zu den dynamischsten in der EU gehören und kann damit Fortschritte im Aufholprozess zum EU-Durchschnitt erzielen. Zuletzt erreichte das Land knapp 80 % des Pro-Kopf-BIP der EU-Länder. Inwieweit Polen von seinem großen Binnenmarkt profitieren kann, muss sich im Laufe des Jahres zeigen. Die Verbraucher sind etwas optimistischer ins Jahr gestartet und die Einzelhandelsumsätze haben ihren Aufwärtstrend fortgesetzt. Die Erwartungen der Industrie verbessern sich aber nur zögerlich. Die Industrieproduktion bleibt bislang gebremst und die Kapazitätsauslastung ist im ersten Quartal wieder auf 76 % gesunken.
Da die Verfügbarkeit von Arbeitskräften derzeit unkritisch ist und die Unternehmen noch Spielraum beim Auslastungsgrad haben, kalkulieren sie vorsichtiger mit Neueinstellungen.
Die Arbeitslosenquote ist daher im vergangenen Jahr nicht nennenswert zurückgegangen und blieb zum Jahresanfang 2025 mit 5,4 % genauso hoch wie ein Jahr zuvor. Mit zusätzlichem Wirtschaftswachstum wird die Nachfrage nach Arbeitskräften aber zunehmen.
Die Investitionen profitieren davon, dass die Regierung Tusk einen guten Kontakt zur EU pflegt, Reformen u.a. im Justizwesen angestoßen hat und so blockierte EU-Gelder verfügbar werden. Außerdem tragen zusätzliche Mittel für die Landesverteidigung zum Wirtschaftswachstum bei.
Das schwache Wachstum in Handelspartnerländern wie Deutschland und eine höhere Importnachfrage begrenzen den Beitrag des Außenhandels. Die von den USA angedrohten Zölle werden Polen wohl v.a. indirekt tangieren.
Direkt exportiert Polen nur gut 3 % seiner Waren in die USA. Fast 30 % gehen nach Deutschland, v.a. Elektrotechnik, Kfz/-Teile, Maschinen und Nahrungsmittel. Zunehmend spielen Dienstleistungsexporte in den Bereichen IT, Telekommunikation und Finanzen eine Rolle.
Inflationsschub von den Energiepreisen
Ein Wehrmutstropfen in der konjunkturellen Erholung ist die Inflation, die im Juli 2024 einen Sprung machte, nachdem die Energiepreisbremse teilweise aufgehoben wurde. Dieser zusätzliche Inflationsimpuls wird ab Mitte 2025 nicht mehr spürbar sein. Die komplette Aufhebung der Energiepreisbremse ist für September avisiert. Mit zuletzt 5,4 % liegt die Inflation deutlich oberhalb des Zentralbankziels von 2,5 % (+/1 Prozentpunkt). Im Durchschnitt ist für 2025 eine Teuerung von 4,5 % zu erwarten.
Zentralbank vorsichtig mit Zinssenkungen
Der Zloty hat seit der Wahl Donald Trumps im letzten November gegenüber dem Euro spürbar an Wert zugelegt. Zum einen hält sich die Zentralbank seit September 2023 mit weiteren Zinssenkungen zurück, während in den Nachbarländern und in der Eurozone die Leitzinsen sanken. Zum anderen hoffen Investoren offenbar, dass unter dem Einfluss des US-Präsidenten der Krieg in der Ukraine beendet wird.
Für Polen als unmittelbaren Nachbarn der Ukraine bringt größere Unsicherheit eine erhöhte Volatilität der Währung mit sich. Unruhe am Devisenmarkt könnte es auch nach der Präsidentschaftswahlim Mai geben, falls Ministerpräsident Tusk doch weiter mit einem der oppositionellen PiS (Recht und Gerechtigkeit) nahestehenden Präsidenten zusammenarbeiten müsste, der Reformen ausbremst.
Aktuell scheint das Aufwertungspotenzial des Zloty ausgeschöpft, ein Niveau von etwa 4,3 Zloty je Euro dürfte auf mittlere Sicht die Risiken angemessener widerspiegeln. Die polnische Notenbank wird voraussichtlich weiter an der Zinsschraube drehen und den Leitzins auf Jahressicht bis auf ca. 5 % reduzieren.
Sie wird aber zunächst zurückhaltend bleiben, zumal die Inflation noch deutlich oberhalb ihrer Zielmarke liegt. Für die nächste Sitzung Mitte März ist deshalb noch kein Zinsschritt zu erwarten. Voraussichtlich wird die Zentralbank abwarten, bis sich in der Politik und bei der Inflation ein klareres Bild ergibt, also z.B. wie es in der Ukraine weitergeht und ob die Energiepreisbremse noch weiter verlängert wird. Mit den nächsten Zinssenkungen ist daher ab der zweiten Jahreshälfte zu rechnen.
Wahljahre sind keine Konsolidierungsjahre
In Polen wird am 18. Mai ein neuer Präsident gewählt. Erreicht kein Kandidat eine Mehrheit, wonach es derzeit aussieht, findet der zweite Wahlgang am 1. Juni statt. Amtsinhaber Duda, der vor seiner Zeit als Präsident Mitglied der PiS-Partei war, kann nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß nicht mehr antreten. Nach jüngsten Umfragen liegt Rafał Trzaskowski, ein Kandidat aus dem Regierungsbündnis, mit rund 34 % der Stimmen vorn. Dies würde ein Ende der PiSnahen Blockadepolitik bedeuten.
Aber auch dann blieben zügige Reformen aufgrund des breiten politischen Spektrums innerhalb der Koalition schwierig. Dass die Haushaltskonsolidierung aktuell nicht forciert wird, dürfte auch dieser Wahl geschuldet sein. 2024 lag das öffentliche Defizit bei 5,7 % des BIP, 2025 dürfte die Größenordnung ähnlich sein. An der großzügigen Sozialpolitik der Vorgänger wollte die Regierung vor der Wahl wohl keine größeren Einschnitte vornehmen.
Eine weitere Belastung der öffentlichen Haushalte resultiert aus den stark steigenden Militärausgaben: Bereits im Vorjahr lag Polen mit seinen Verteidigungsausgaben bezogen auf das BIP mit rund 4 % an der Spitze der NATO-Staaten (gegenüber gut 3 % in den USA und 2 % in Deutschland). 2025 soll diese Größe nochmals auf 4,7 % steigen. Sich weiter auf die bislang starke Bündnispartnerschaft mit den USA zu verlassen, erscheint fahrlässig.
Außerdem investiert Polen stark in die Kernenergie, in erneuerbare Energien und Stromnetze, um auch nach dem geplanten Kohleausstieg die Energieversorgung zu sichern.
EU-Ratspräsidentschaft setzt auf Sicherheit
Die Priorität höherer Verteidigungsausgaben vor der Haushaltskonsolidierung spiegelt auch die EU-Ratspräsidentschaft, die Polen am 1. Januar 2025 von Ungarn übernommen hat. Erklärtes Ziel dieser Ratspräsidentschaft ist Sicherheit, nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern auch z.B. Energieund Nahrungssicherheit. Weitere Themen sind die stärkere Verknüpfung von Strukturreformen mit der Auszahlung von EU-Kohäsionsmitteln sowieder nächste Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) ab 2028.
Wegen der Präsidentschaftswahlen im Mai dürfte die Möglichkeit, das politische Profil auf europäischer Bühne zu schärfen, besonders willkommen sein. Trotz des guten Kontakts zur EU seit dem Regierungswechsel Ende 2023 wird Polen eigene Akzente setzen, denn in der EU strebt das Land ein höheres politisches Gewicht an.
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