Produktintervention: BaFin schützt Kleinanleger vor unbegrenzten Verlusten beim Future-Handel

BaFin: Kleinanleger mit Sitz in Deutschland sind ab dem 1. Januar 2023 davor geschützt, beim Handel mit Futures unbegrenzte Verluste zu erleiden.

Dafür beschränkt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf dieser Produkte an Kleinanleger.

Anders als die Entwurfsfassung, welche die BaFin im Februar 2022 konsultiert hatte, sieht die veröffentlichte Allgemeinverfügung Ausnahmen vor: Der Handel mit Futures zu Absicherungszwecken bleibt für Kleinanleger unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Nachfolgend die gesamte Allgemeinverfügung im Wortlaut von Dr. Thorsten Pötzsch:

Hiermit ergeht folgende Allgemeinverfügung:

  1. Ich ordne eine Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures im Sinne von Art. 4 Abs. 15 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFID II) in Verbindung mit Anhang I Abschnitt C Nr. 4 bis 7 und 10 MiFID II an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland gegenüber Wertpapierfirmen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 MiFID II in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II an.Die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures an Kleinanleger im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 MiFID II mit Sitz in Deutschland wird Wertpapierfirmen vorbehaltlich der unter Ziffer 2. geregelten Ausnahmen untersagt.

    Die Beschränkung wird mit Wirkung zum 01.01.2023 wirksam.

    Von der Untersagung gemäß Ziffer 1. Satz 2 ausgenommen sind Fälle, in denen

    1. Wertpapierfirmen für Kleinanleger eine Nachschusspflicht vertraglich ausschließen und der Verlust von Kleinanlegern somit auf die von diesen für den Future-Handel bei der Wertpapierfirma hinterlegten Mittel beschränkt ist oder
    2. Kleinanleger für jedes Future-Geschäft gegenüber der Wertpapierfirma vor Abschluss des Geschäftes bestätigen, dass sie den Future bzw. die Future-Kontrakte ausschließlich zu Absicherungszwecken erwerben (Absicherungsgeschäft, Hedging).
    3. Futures zur Abwicklung bzw. Schließung von bestehenden (offenen) Future-Positionen, die vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung eröffnet wurden, erworben werden (Gegengeschäft zur Abwicklung einer offenen Future-Position).
  2. Bei „Nachschusspflichten“ im Sinne von Ziffer 2. lit. a. handelt es sich um die vertragliche Verpflichtung des Kleinanlegers, nach erfolgter Zwangsschließung von offenen Future-Kontrakten durch die Wertpapierfirma den Verlust gegenüber dieser durch Leistung weiterer finanzieller Mittel aus seinem sonstigen Vermögen auszugleichen.
  3. Bei „Absicherungsgeschäften“ im Sinne von Ziffer 2. lit. b. handelt es sich um Future-Transaktionen, die zur Absicherung eines konkreten Grund- bzw. Basisgeschäftes oder eines Portfolios durchgeführt werden.
  4. Die Allgemeinverfügung gilt an dem auf die öffentliche Bekanntmachung folgenden Tag als bekanntgegeben.
  5. Ich behalte mir den Widerruf dieser Allgemeinverfügung vor

 

 

1. Sachverhalt

Als „Broker“ oder „Intermediäre“ werden vorliegend Wertpapierfirmen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II bezeichnet, die Kleinanlegern den Zugang zu Termingeschäften ermöglichen und somit auch Anbieter dieser Produkte sind. „Wertpapierfirmen“ sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 10 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).

Bei „Kleinanlegern“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 MiFID II handelt es sich um Privatkunden im Sinne von § 67 Abs. 3 WpHG.

Als „Konzepteur“ im vorliegenden Sinne wird bezeichnet, wer Futures herstellt, schafft, entwickelt oder begibt. Somit handelt es sich bei Konzepteuren von Futures vornehmlich um die Terminbörsen.

 

1.1 Allgemeine Funktionsweise von Futures

Futures sind unbedingte, börsengehandelte Termingeschäfte. Bei Futures besteht somit für alle Vertragspartner eine bindende Erfüllungsverpflichtung.

Sowohl Käufer als auch Verkäufer müssen ihrer Liefer- bzw. Abnahme- und Zahlungsverpflichtung nachkommen.[1] Insbesondere sogenannte FinancialFutures (Futures mit Basiswerten wie Devisen oder Aktien) werden in der Regel nicht durch effektive Lieferung und Abnahme erfüllt. Die eingegangene Verpflichtung wird in diesen Fällen meistens durch ein entsprechendes Gegengeschäft aufgehoben.[2]

Futures sind standardisierte Terminkontrakte unter anderem referenzierend auf Finanzinstrumente und Rohstoffe mit der vertraglichen Verpflichtung, eine bestimmte Menge eines Basiswertes (Kontraktgegenstand) zu einem bei Vertragsabschluss festgelegten Preis zu einem bei Vertragsabschluss vereinbarten späteren Zeitpunkt zu liefern (Short-Position) oder abzunehmen (Long-Position).[3] Das Gewinnpotenzial ist bei Long-Futures theoretisch unbegrenzt und der maximale Verlust ist auf die Höhe des Futures (Kontraktwert) begrenzt. Bei Short-Positionen ist das Verlustrisiko jedoch in der Höhe unbegrenzt.[4]

Futures werden an einer Börse (Terminbörse) gehandelt. Diese (in Deutschland beispielsweise die European Exchange – EUREX Frankfurt AG (EUREX) oder die European Energy Exchange AG (EEX)) bestimmt einheitliche Merkmale für Future-Kontrakte, wie zum Beispiel die Kontraktgröße, um einen Handel zu ermöglichen.[5]

Die Kontraktgröße legt fest, welche Menge eines Basiswertes für einen Kontrakt geliefert werden muss. Die meisten an der EUREX gehandelten AktienFutures haben eine Kontraktgröße von 100  Aktien. Im Gegensatz dazu wird etwa bei Indizes der Kontraktwert pro Index-Punkt angegeben. So hat ein DAX-Future beispielsweise einen Kontraktwert von 25 Euro pro Punkt und bei einem Indexstand von 16.000 Punkten somit einen Kontraktwert von 400.000 Euro.

Um Futures handeln zu können, verlangen die Terminbörsen von den Handelsteilnehmern die Hinterlegung von Sicherheiten in Form von Kapitaleinschüssen (Margin). Die Terminbörse fordert von den Handelsteilnehmern die Hinterlegung dieser Sicherheiten, um die zukünftige Erfüllung des abgeschlossenen Geschäftes sicherzustellen. Theoretisch sollen die Sicherheiten so hoch sein, dass die Zentrale Gegenpartei (Central Counterparty – CCP) am nächsten Handelstag die betreffende Position schließen kann und die dabei entstehenden Verluste durch die hinterlegten Sicherheiten gedeckt sind.[6] Die Höhe der erforderlichen Sicherheitsleistung wird von der Terminbörse selbst festgelegt. Grundsätzlich gilt: Umso höher das Risiko bzw. die Volatilität eines Basiswertes des Future-Kontraktes ist, desto höher ist auch die zu hinterlegende Margin.

Kleinanleger können Futures jedoch nicht unmittelbar über die Terminbörse handeln, sondern lediglich über einen zwischengeschalteten Intermediär. Aus diesem Grund wird im Weiteren der Handel von Kleinanlegern unter Einbeziehung von Intermediären beschrieben.[7]

Zu Beginn (Eröffnung des Future-Kontrakts bzw. Erwerb des Futures) ist seitens des Anlegers ein Mindestkapitaleinschuss (Initial Margin) auf ein sogenanntes Margin-Konto beim Intermediär zu leisten. Dieser wird grundsätzlich zum Ende jedes Börsentages neu bewertet. Diese Bewertung wird auch als „Marking to Market“ (Bewertung zu Marktpreisen) bezeichnet.[8]

Zusätzlich zur Initial Margin wird von der Terminbörse ein bestimmter Margin-Kontobetrag festgelegt, der niemals unterschritten werden darf (Maintenance Margin).[9] Die Maintenance Margin liegt dabei leicht unter der Initial Margin. Die Broker übernehmen die Margin-Anforderungen der Terminbörse zumindest als Untergrenze für die Höhe der durch den Kleinanleger zu stellenden Sicherheiten. Unterschreitet der Saldo des Marginkontos die Maintenance Margin, erhält der Kleinanleger in der Regel eine Nachschussaufforderung (Margin Call). Er muss das Konto – teilweise innerhalb eines bestimmten festgelegten Zeitrahmens – bis auf das Niveau der Initial Margin aufstocken. Diese Nachschusszahlung wird auch als Variation Margin bezeichnet. Leistet der Kleinanleger keinen Nachschuss, schließt der Broker die Position durch Glattstellung des Kontrakts.[10] Dies wird auch als Zwangsglattstellung oder Zwangsschließung bezeichnet.

Kleinanleger können nach erfolgtem Margin-Call selbst entscheiden, ob sie ihren „Einsatz“ erhöhen möchten oder ob der Kontrakt vom Broker zwangs-) geschlossen werden soll. Wird der durch die Glattstellung des Kontrakts entstandene Verlust nicht durch die Margin gedeckt, kann der Intermediär den Kleinanleger zur Leistung eines Nachschusses (Ausgleich des Verlustes durch weitere finanzielle Mittel) verpflichten.

Zwar haben viele Intermediäre ein solches Margin-Call-Verfahren implementiert und informieren den Anleger aktiv über mögliche Unterdeckungen bzw. bevorstehende Unterdeckungen des Margin-Kontos, dies ist jedoch nicht bei allen Intermediären der Fall. Auch verpflichten sich die Intermediäre regelmäßig in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht zur Absetzung eines Margin-Calls, sondern sehen dies als (optionales) Service-Angebot für Kleinanleger. Zudem kann es insbesondere bei starken Kursbewegungen vorkommen, dass die Absetzung eines Margin-Calls zeitlich nicht möglich ist und die Position noch vor Information des Kleinanlegers zwangsgeschlossen werden muss.

Eine Nachschusspflicht im vorliegenden Sinne entsteht, wenn das vom Kleinanleger vorgehaltene Kapital (beim Intermediär für die Zwecke des Future-Handels eingezahltes oder hierfür hinterlegtes Kapital) auch nach möglicherweise erfolgten Zwangsschließungen bzw. Auflösung anderer FutureKontrakte nicht ausreicht, um eingetretene Verluste auszugleichen und der
Kleinanleger diese Verluste aus seinem sonstigen Vermögen ausgleichen muss. Bei einer Nachschusspflicht handelt es sich somit um die Aufforderung des Kleinanlegers zum Verlustausgleich. Die freiwillige Erhöhung der Sicherheitsleistung (Variation Margin) durch den Kleinanleger zur Vermeidung einer Zwangsschließung offener Kontrakte stellt somit vorliegend keine Nachschusspflicht dar.

Teilweise werden die Margin-Verpflichtungen von den Intermediären auf Portfolio-Ebene ermittelt. In diesen Fällen erfolgt eine Verrechnung aller Margin-Anforderungen im Future- oder Options-Handel untereinander. Im Falle einer Unterdeckung beispielsweise eines Future-Kontrakts, könnte der Intermediär dann nicht nur Future-Kontrakte zwangsschließen, sondern auch andere Positionen, bis die Pflicht (zum Nachschuss) durch Schließung anderer Geschäfte ausgeglichen ist.

In der Vergangenheit zeigte sich vor allem bei besonderen Marktereignissen (sogenannten „Black-Swan-Ereignissen) und damit einhergehenden unerwarteten und erheblichen Kursschwankungen, welche den Erwartungen der Kleinanleger widersprachen, dass Nachschusspflichten in einem beträchtlichen Umfang entstehen und für Kleinanleger existenzielle Folgen haben können. Prominente „Black-Swan“-Ereignisse sind der Kurssturz von Rohöl im Frühjahr 2020 oder der „Schweizer-Franken-Crash“ im Januar 2015.

In diesen Situationen reichten die von Kleinanlegern hinterlegten Sicherheiten oft nicht aus, um die entstandenen Verluste zu decken. Durch starke Kursschwankungen blieb den Kleinanlegern meist auch keine Zeit, freiwillig ihre Sicherheiten zu erhöhen und Broker mussten Positionen zwangsweise schließen. Da auch die Auflösung anderer (Future-) Positionen bzw. Kontrakte – sofern diese bestanden – die Verluste teilweise nicht decken konnten, mussten Kleinanleger die ausstehenden Beträge aus ihrem sonstigen Vermögen begleichen. Die Verluste aus den betreffenden Geschäften überstiegen in diesen Fällen den investierten Betrag regelmäßig um ein Vielfaches. Die Höhe einer möglichen Nachschussforderung und des dann erstattungspflichtigen
Betrages ist der Höhe nach nicht auf den ursprünglichen Betrag begrenzt, sondern kann weitaus mehr betragen. Daraus resultiert die Gefahr, dass sich insbesondere Kleinanleger des Ausmaßes der tatsächlichen Verlustrisiken nicht bewusst sind bzw. diese deutlich unterschätzen.

Aufgrund der Ausgestaltung von Futures besteht auch bei gewöhnlicher Entwicklung des Gesamtmarktes das Risiko von Nachschusspflichten, beispielsweise, wenn einzelne Basiswerte wie Aktien oder auch Rohstoffe sich kurzfristig erheblich entgegen den Anleger-Erwartungen entwickeln. Nachschusspflichten entstehen daher nicht ausschließlich bei den oben beschriebenen besonderen Marktereignissen, sondern typischerweise auch bei basiswertspezifischen Volatilitäten oder Marktentwicklungen.

Dabei resultiert der Multiplikator (Verlust kann eingezahltes Kapital um ein Vielfaches übersteigen) aus dem Hebeleffekt, da nur ein Bruchteil des Kontraktwertes des Futures vom Kleinanleger über die Margin-Anforderungen vorzuhalten ist. Bei einem EUREX-Kontrakt muss beispielsweise für einen DAX-Future mit einem angenommenen Punktestand des Basiswertes von 16.000 Punkten nicht die gesamte Kontraktsumme von 400.000 Euro investiert werden, sondern es sind lediglich 31.200 Euro zu hinterlegen. Dies entspricht einer Margin in Höhe von 7,8 % des Kontraktwertes (siehe dazu auch Beispiel Tabelle 1). Das Verhältnis von Kontraktwert und verlangter (Initial) Margin gibt zugleich die Höhe des Hebels an. Kleinanleger haben nicht den
gesamten Betrag (Kontraktwert) zu investieren, sondern spekulieren quasi auf Kredit.

Futures haben grundsätzlich durch ein vorgegebenes Fälligkeitsdatum eine fest definierte Laufzeit. Kleinanleger können Kontrakte jederzeit über Intermediäre handeln. Zudem haben Kleinanleger die Möglichkeit, vor oder bei Fälligkeit des Futures ihre Investition durch sogenanntes „Rollen“ zu verlängern. Die Investition wird durch Eintritt in einen neuen Kontrakt mit dem gleichen Basiswert verlängert. Aus dem Rollen des Futures können je nach Marktentwicklung (Contango oder Backwardation) Verluste oder Gewinne generiert werden.

 

 

1.2 Handel von Futures in Deutschland – Marktuntersuchung

Futures werden an Terminbörsen wie beispielsweise in Deutschland der EUREX oder der EEX gehandelt. Handelsteilnehmer, die direkt an der EUREX handeln wollen, müssen als EUREX-Handelsteilnehmer zugelassen sein. Eine EUREX-Mitgliedschaft für Privatpersonen ist nicht möglich.[11] Kleinanleger sind daher auf ein Börsenmitglied angewiesen, um über diesen Intermediär an der EUREX zu handeln. Die Anschaffung bzw. Veräußerung der Futures durch den Intermediär erfolgt dabei im Rahmen eines Finanzkommissionsgeschäftes.

In Deutschland bieten derzeit Intermediäre (Wertpapierfirmen) auch Kleinanlegern den Handel mit Futures an. Das Angebot von Termingeschäften für Kleinanleger stellt in der Regel nur ein Nebengeschäft für die Intermediäre dar. Oft bieten diese eine breite Palette an Finanzinstrumenten (unter anderem auch CFD) für Kleinanleger an. Futures werden jedoch von Intermediären vor allem seit Inkrafttreten der CFD-Produktinterventionsmaßnahme regelmäßig als Alternative zum CFD-Handel für Kleinanleger beworben. Zur Neukundengewinnung wird auch in Bezug auf den Future-Handel von den Intermediären Partner- oder Affiliate-Marketing eingesetzt.

Da die Kontraktgrößen im Future-Handel regelmäßig sechsstellig sind, bietet beispielsweise die EUREX[12] auch sogenannte Mini- oder Micro-Future-Kontrakte an. Diese wurden von Terminbörsen eingeführt, um den Future-Handel für Kleinanleger attraktiver zu machen.[13] Die EUREX wirbt beispielsweise in Bezug auf den Mini-DAX-Future[14] damit, dass diese „speziell für erfahrene Privatanleger und kleinere Wertpapierdepots geeignet“ sind.[15]

Motive von Kleinanlegern für den Kauf von Futures sind grundsätzlich Absicherungsgeschäfte (Hedging) und Spekulation: Anleger können Kursverluste in Basiswerten (Kassamarkt) durch entsprechende Future-Geschäfte neutralisieren. Insbesondere werden Futures im Bereich der Rohstoff- und Agrarmärkte zur Absicherung von Preisrisiken von physischen Basiswerten genutzt. Verluste aus dem Future-Geschäft werden dabei grundsätzlich durch Gewinne in dem Basiswert ausgeglichen, wenn der Future als Absicherungsinstrument zur Reduzierung von Preisänderungsrisiken erworben wurde. Auch Verluste aus einer möglichen erzwungenen Schließung der Future-Position werden durch die entsprechende – meist physische – Position (Basiswert) ausgeglichen. Dabei findet der Ausgleich nicht auf Kontenbasis statt, sondern grundsätzlich nur bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung. Bei Kleinanlegern, die solche Absicherungsgeschäfte durchführen, handelt es sich insbesondere um kleine und mittlere Unternehmen aus dem Agrarbereich sowie aus dem Bereich der Energieversorgung.

Zudem können Kleinanleger, die keine abzusichernden Basiswerte halten und Futures zu Spekulationszwecken handeln, aufgrund des geringen Kapitaleinsatzes (Margin) und dem daraus folgenden Hebeleffekt mit nur geringem Einsatz Marktänderungen des Basiswertes nutzen.[16] Quasi auf Kredit können Kleinanleger daher mit Futures auf die Wertentwicklung einer Vielzahl von Basiswerten spekulieren, da sie nur einen Bruchteil des Kontraktwertes tatsächlich vorhalten müssen.

Dabei erleichtern insbesondere Micro- und Mini-Futures Kleinanlegern den Markteintritt, da die regelmäßig hohen Kontraktgrößen und damit auch vergleichsweise hohen zu hinterlegenden Sicherheiten vermieden werden können. Für Kleinanleger haben diese Future-Ausgestaltungen den Vorteil, dass die absolut zu hinterlegende Margin kleiner ist als bei herkömmlichen Future-Kontrakten.

Dies wird an dem nachfolgenden Beispiel von DAX-Future-Kontrakten mit einer Initial Margin von 7,8 %[17] und einem angenommenen DAX-Punktestand von 16.000 Punkten deutlich:

Future-Kontrakt Kontraktwert Kontraktgegenwert Initial Margin
DAX-Future 25 Euro 400.000 Euro 31.200 Euro
Mini-DAX-Future 5 Euro 80.000 Euro 6.240 Euro
Micro-DAX-Future 1 Euro 16.000 Euro 1.248 Euro

Tabelle 1: Beispiel Vergleich verschiedener DAX-Future-Kontrakte[18]

So haben basierend auf dem obigen Beispiel Kleinanleger beim Handel mit einem Micro-DAX-Future absolut gesehen nur 4 % der Margin zu hinterlegen, die beim Handel eines herkömmlichen DAX-Futures erforderlich wäre.[19] Diese Konstruktionen machen den Future-Handel daher auch für Anleger attraktiv, die nur ein relativ geringes Volumen investieren wollen bzw. können.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) führte eine Marktuntersuchung zum Future-Handel in Deutschland durch, um weitere Informationen als Grundlage der Bewertung erheblicher Anlegerschutzbedenken im Hinblick auf Kleinanleger zu erlangen. Zu diesem Zweck erfragte die Bundesanstalt bei einer Auswahl von als wesentlich erachteten Intermediären[20] in Deutschland Informationen zu Kunden und Handelsverhalten.

Darüber hinaus erbat die Bundesanstalt Informationen zum Marketing und Vertrieb von Futures. Der Untersuchungszeitraum der Marktuntersuchung erstreckte sich von Juli 2019 bis Juni 2020.[21]

Die Marktuntersuchung zeigte, dass das Futures-Handelsvolumen von Kleinanlegern bei den befragten Intermediären im Zeitraum der Befragung durchschnittlich pro Quartal insgesamt rund 20 Mrd. Euro betrug. Durchschnittlich erlitten mehr als die Hälfte der Kleinanleger Verluste im Future-Handel. Dabei schwankt die Verlustquote der Anleger stark in Abhängigkeit vom jeweiligen Betrachtungszeitraum und vom Anbieter. Zum Teil sind jedoch Verlustquoten von über 75 % zu erkennen. Dies lässt den Schluss zu, dass teilweise drei von vier Kleinanlegern Verluste im Future-Handel erleiden.[22] Dabei entstehen erhebliche Verluste nicht nur in Bezug auf einzelne Future-Positionen, sondern auch bei Betrachtung des gesamten Future-Portfolios von Kleinanlegern.

Nach den im Rahmen der Aufsichtstätigkeit gemachten Beobachtungen der Bundesanstalt ist die Anzahl an Kleinanlegern, die Futures handeln, erheblich höher als die Anzahl an professionellen Kunden. Sowohl das Handelsvolumen als auch die Anzahl der Kleinanleger, die Futures handeln, ist über den Beobachtungszeitraum der durchgeführten Marktuntersuchung um rund 15 % angestiegen. Insgesamt wurden im Untersuchungszeitraum Futures in einem Volumen von rund 78 Mrd. Euro von Kleinanlegern in Deutschland gehandelt.[23]

Deutlich wird zudem, dass Kleinanleger insbesondere sogenannte Mini- oder Micro-Kontrakte handeln, bei denen – absolut gesehen – geringere MarginAnforderungen gängig sind.

Zudem führte die Bundesanstalt im Nachgang zur Anhörung eine Analyse auf Basis von Meldedaten nach Art. 26 MiFIR durch.[24] Diese zeigte, dass sich die Anzahl der Kunden[25], die Future-Kontrakte an der EUREX gehandelt haben, zwischen 2018 und 2021 nahezu verdreifacht hat. So handelten ausgehend von den abgefragten Daten im Jahr 2021 rund 70.000 Kunden EUREX-Futures.

Dabei zeigte sich auch, dass bereits jetzt jedenfalls die Anzahl an Kunden, die Mini- und Micro-Futures handeln, auch dieses Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 weiter ansteigen wird. Bei rund ¼ der Future-Transaktionen in EUREX-Produkten von Kunden handelt es sich um solche mit Mini- oder Micro-Futures.

Nach den aus der Marktuntersuchung gewonnen Erkenntnissen liegt die Anzahl an professionellen Kunden, die Futures bei Intermediären handeln, erheblich unter der Anzahl der handelnden Kleinanleger. Aufgrund des steigenden Future-Handelsvolumens in Deutschland, der zunehmenden Werbetätigkeiten der Intermediäre sowie des vermehrten Angebots von Mini- und Micro-Futures geht die Bundesanstalt daher davon aus, dass sich das Marktwachstum im Bereich der Kleinanleger weiter fortsetzen wird und zukünftig mit der Anzahl an Kleinanlegern auch das von Kleinanleger insgesamt gehandelte Future-Volumen weiter steigt. Es lässt sich ein Trend hin zu einer höheren Anzahl an Kleinanlegern und der Beliebtheit von Futures erkennen.

Die Bundesanstalt geht davon aus, dass Intermediäre zukünftig weiter oder sogar verstärkt für die Produkte werben werden und dass weitere Wertpapierfirmen den Future-Handel für Kleinanleger anbieten und ihr Angebotsspektrum dahingehend erweitern werden. Der Austausch mit Marktteilnehmern und insbesondere den Terminbörsen bestätigte zudem die Annahme der Bundesanstalt. Auch diese erwarten eine steigende Nachfrage nach Future-Produkten von Kleinanlegern und damit auch eine wachsende Anzahl an Kleinanlegern, die Futures handeln. So planen beispielsweise einzelnen Marktteilnehmer eine Ausweitung ihres Produktportfolios im Hinblick auf Futures.

Darüber hinaus geht die Bundesanstalt davon aus, dass noch weitere Intermediäre, auch aus anderen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), die nicht Gegenstand der Marktuntersuchung waren, Kleinanlegern in Deutschland den Zugang zu Futures ermöglichen.

Die Bundesanstalt geht – auch basierend auf den zunehmenden Werbetätigkeiten der Anbieter sowie des vermehrten Angebots von Mini- oder Micro-Futures – davon aus, dass die Anzahl von Kleinanlegern, die Futures handeln, auch zukünftig weiter steigen wird. So ist basierend auf einer im Nachgang zur Anhörung durchgeführten Analyse der Bundesanstalt davon auszugehen, dass die Anzahl an Kunden, die Mini- und Micro-Futures handeln, auch dieses Jahr im Vergleich zu 2021 weiter wachsen wird. Bereits jetzt handelt es sich bei rund ¼ der Future-Transaktionen in EUREX-Produkten von Kunden um solche mit Mini- oder Micro-Futures. Zudem zeigte die Analyse, dass jene Kunden, die Mini- oder Micro-Futures handelten, auch herkömmliche Future-Kontrakte handeln. Daher ist davon auszugehen, dass auch in diesem Jahr die Anzahl der Kleinanleger, die herkömmliche Futures handelt, weiter steigen wird.

In dem Beobachtungszeitraum der Marktuntersuchung gaben die befragten Intermediäre an, dass seinerzeit insgesamt eine niedrige Anzahl von Anlegern zur Leistung von Nachschüssen verpflichtet worden sei. Teilweise handelte es sich bei den geforderten Nachschüssen jedoch um sechsstellige Euro-Beträge. Aufgrund der darüber hinaus gewonnen Erkenntnisse ist mit zunehmender Anzahl an Kleinanlegern, die Futures handeln bzw. die Futures in größerem Volumen handeln, davon auszugehen, dass auch die Anzahl an Nachschussverpflichtungen – absolut gesehen – insgesamt steigen wird.

Zwar zeigte die Abfrage bei den Intermediären, dass in der Regel von Kleinanlegern Futures mit Hebeln von unter 50 gehandelt werden, teilweise wurden von diesen aber in Einzelfällen in Abhängigkeit vom jeweiligen Basiswert Hebel von über 1.000 genannt. Deutlich wird zudem, dass Kleinanleger insbesondere sogenannte Mini- oder Micro-Kontrakte handeln, bei denen – absolut gesehen – geringere Margin-Anforderungen gängig sind.

Die Marktuntersuchung zeigte, dass einige Anbieter Mechanismen etabliert haben, die sich positiv auf den Anlegerschutz auswirken. So schließt beispielsweise ein Anbieter eine Nachschusspflicht für Kleinanleger im Future-Handel in den AGB aus. Andere Anbieter erhöhen die von der Terminbörse vorgegebenen Margin-Anforderungen gegenüber dem Kunden, um eine Art Sicherheitspuffer zu erzeugen. Das heißt, der Kleinanleger hat gegenüber dem Anbieter eine höhere Margin zu hinterlegen, als die Margin, die von der Terminbörse verlangt wird. Damit soll das Risiko von Nachschusspflichten reduziert werden, da bereits ein höheres Sicherheitsniveau als von der Terminbörse verlangt besteht. Jedoch konnte keine hinsichtlich dieser Mechanismen beobachtet werden.

 

1.3 Bereits geltende Beschränkungen von Nachschusspflichten

Mit Allgemeinverfügung vom 23.07.2019 beschränkte die Bundesanstalt die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von sogenannten Differenzgeschäften („Contracts for Difference / CFD“). In Deutschland dürfen nur noch CFD an Kleinanleger vermarktet, vertrieben und verkauft werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Eine dieser Bedingungen ist, dass sichergestellt werden muss, dass Anleger keine Nachschusszahlungen leisten müssen und der Verlust auf den investierten Betrag begrenzt ist (sogenannter Negativsaldoschutz). Dies wird mittlerweile von den CFD-Anbietern in ihren AGB ausgeschlossen.

Bereits mit Allgemeinverfügung vom 08.05.2017 verbot die Bundesanstalt die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von CFD mit Nachschusspflicht an Privatkunden in Deutschland. Hintergrund dieser Produktinterventionsmaßnahme waren die teilweise erheblichen Nachschusszahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit dem „Schweizer-Franken-Crash“ im Januar
2015.

Zudem sind Nachschusspflichten bei verschiedenen Finanzinstrumenten qua Gesetz ausgeschlossen: So sind Vermögensanlagen mit Nachschusspflicht nach § 5b Abs. 1 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) nicht zugelassen. Auch § 152 Abs. 1 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) schließt eine Nachschusspflicht für Kommanditisten einer Investmentkommanditgesellschaft aus.

 

1.4 Anhörung zur Produktinterventionsmaßnahme

Am 17.02.2022 veröffentlichte die Bundesanstalt den Entwurf einer Allgemeinverfügung zur Beschränkung des Future-Handels für Kleinanleger in Deutschland und gab den Beteiligten mit Frist bis zum 25.03.2022 nach § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) Gelegenheit, Stellung zu nehmen.

Insgesamt gingen bei der Bundesanstalt im Rahmen des Anhörungsverfahrens von vier Beteiligten im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Stellungnahmen ein. Zudem gingen 47 Rückmeldungen von nicht im Rechtssinne Beteiligten ein. Hierbei handelt es sich um Eingaben von Börsen, Interessenverbänden der Kredit- und Agrarwirtschaft sowie von Bürgern.

Im Wesentlichen führen die Petenten das Folgende aus:

Petenten fordern eine Ausnahme für solche Kleinanleger, die Futures ausschließlich zu Absicherungszwecken handeln. Die Maßnahme solle sich nur auf Spekulationsgeschäfte beschränken. Insbesondere gewerbliche Anleger würden Futures als Instrument nutzen, um die Risiken von Preisschwankungen in Bezug auf ein Basisgeschäft im Rahmen ihrer realwirtschaftlichen Tätigkeit abzusichern. Diese Future-Trader besäßen auch selbst den (physischen) Basiswert, sodass das Risiko von Nachschusspflichten durch Gewinne im jeweiligen Grundgeschäft ausgeglichen werde. Insbesondere fordern Petenten aus der Agrarbranche die Ausnahme von Landwirten und anderen Unternehmen aus dem landwirtschaftlichen Bereich, da für diese Futures als Absicherungsinstrument für Preise an landwirtschaftlichen Warenmärkten von hoher Bedeutung und existentiell seien. Diese Personen bzw. Unternehmen würden Futures ausschließlich zu Absicherungszwecken gegen Preisschwankungen des Basiswertes und nicht zur Kapitalanlage handeln, erfüllten jedoch nicht die Voraussetzungen zur Einstufung als professionelle Kunden und würden daher auch als Kleinanleger handeln.

Einige Petenten tragen vor, dass Kleinanleger, die als juristische Person Futures handeln, das Risiko eines unbegrenzten Verlustes praktisch nicht tragen würden, da ihre Haftung per se begrenzt sei und sich in der Regel nicht auf das private Vermögen erstrecke. Kleinanleger in Form von juristischen Personen sollten daher ihrer Meinung nach von der Maßnahme ausgenommen werden.

Hinsichtlich des Adressatenkreises der Produktinterventionsmaßnahme tragen zwei Petenten vor, dass die Bundesanstalt die Kundengruppe nicht hinreichend spezifiziert habe. Sie fordern, dass eine Binnendifferenzierung der Kunden vorgenommen wird.

Petenten äußern Kritik an der von der Bundesanstalt durchgeführten Marktuntersuchung. Auf deren Basis könne kein erhebliches Risiko für Kleinanleger beim Handel von Futures mit Nachschusspflichten nachgewiesen werden. Es würden keine systematischen Nachweise für die These aufgeführt, dass in stark volatilen Marktphasen Kleinanleger in besonderer Weise mit Nachschusspflichten konfrontiert wären. Obwohl im Zeitraum der Marktuntersuchung sowohl der Kurssturz des Rohöls als auch der „Corona-Crash“ lägen, könne die Marktuntersuchung keine Häufung von Nachschusspflichten für Kleinanleger feststellen. Bei den beschriebenen sechsstelligen Nachschusspflichten handele es sich bloß um Einzelfälle. Somit sei eine besondere Gefährdung des Kleinanlegers in  Extremsituationen nicht hinreichend belegt. Auch habe die Marktuntersuchung keine ungewöhnlich hohen Verlustquoten im Future-Handel von Kleinanlegern begründen können.

Petenten beschreiben Alternativen zu der Produktinterventionsmaßnahme, die ihrer Ansicht nach mildere Mittel darstellen könnten. So würden Petenten regulierte Margin-Anforderungen oder die Implementierung von einheitlichen Margin-Call-Verfahren einer Beschränkung des Future-Handels für Kleinanleger vorziehen. Viele Petenten fordern insgesamt eine bessere finanzielle Bildung und schlagen die Einführung von Test- oder Prüfverfahren als Voraussetzung für den Future-Handel vor. Einzelne Petenten sehen eine Beschränkung der Produktinterventionsmaßnahme auf Futures mit riskanten Basiswerten oder Short-Geschäften als milderes Mittel. Andere fordern eine Beschränkung des Verlustes auf den Kontraktwert des Futures oder dass Anleger alternativ in eine Nachschusspflicht einwilligen sollen. Zudem tragen Petenten vor, dass eine verstärkte Aufsicht über die Einhaltung der Informations- und Verhaltenspflichten der Intermediäre oder auch engere Zielmarktkriterien die Anlegerschutzbedenken beseitigen würden.

Petenten führen an, dass die Produktinterventionsmaßnahme nicht verhältnismäßig sei. Sie führe zu höheren Kosten für Kleinanleger und zu höheren Margin-Anforderungen. Weiter tragen Petenten vor, dass die Maßnahme die Freiheit des Kleinanlegers beschneiden würde. Zudem führe ein Ausschluss der Nachschusspflicht zu zusätzlichen Risiken für Kleinanleger, da diese in riskantere Angebote ausweichen müssten. Zudem befürchten Petenten, dass Intermediäre diese Kosten bzw. das Risiko von Nachschusspflichten nicht selbst übernehmen werden und gegenüber Kleinanlegern keine Futures mehr anbieten. Kleinanleger müssten dann auf andere Produkte wie Hebel-Zertifikate oder CFD ausweichen.

Ein Petent trägt vor, dass Futures teilweise längere Laufzeiten als die vorgesehene dreimonatige Übergangsregelung aufweisen. Um für Anleger negative Folgen zu vermeiden, sollten daher Future-Geschäfte zur Abwicklung bestehender Positionen ausgenommen werden, da die Schließung einer offenen Position in aller Regel über ein Gegengeschäfte erfolge (Grandfathering-Regelung).

 

2. Rechtliche Würdigung

Bei der vorliegenden Allgemeinverfügung handelt es sich um eine Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures im Sinne des Art. 42 Abs. 1 Alternative 2 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und Rates vom 14. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 MiFIR. Die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland werden nicht uneingeschränkt untersagt. So gilt die Beschränkung grundsätzlich nur im Hinblick auf die Kundengruppe der Kleinanleger, welche ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

Darüber hinaus sind unter den in Ziffer 2. des Tenors genannten Voraussetzungen (Ausnahmen) Vermarktung, Vertrieb und Verkauf von Futures auch an Kleinanleger weiterhin möglich. Die vorliegende Allgemeinverfügung ist aufgrund dieser Ausnahmen weniger einschneidend, als es der zur Anhörung gestellte Entwurf noch vorsah.

Nach der hier gegenständlichen Sach- und Rechtslage stellt sich die vorliegende Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland als recht- und zweckmäßig sowie verhältnismäßig dar.

 

2.1 Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm (Art. 42 MiFIR)

Die vorliegende Beschränkung der Bundesanstalt beruht auf Art. 42 Abs. 1 und 2 MiFIR. Gemäß Art. 42 Abs. 2 Satz 1 MiFIR kann die Bundesanstalt die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Finanzinstrumenten mit bestimmten Merkmalen verbieten oder beschränken, wenn sie sich begründetermaßen vergewissert hat, dass das Finanzinstrument erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwirft, bestehende regulatorische Anforderungen nach Unionsrecht, die auf das Finanzinstrument anwendbar sind, den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 MiFIR genannten Risiken nicht hinreichend begegnen und das Problem nicht besser durch eine stärkere Aufsicht oder Durchsetzung der vorhandenen Anforderungen gelöst würde, sowie dass die Maßnahme unter Berücksichtigung der Wesensart der ermittelten Risiken, des Kenntnisniveaus der betreffenden Anleger oder Marktteilnehmer und der wahrscheinlichen Auswirkungen der Maßnahme auf Anleger oder Marktteilnehmer verhältnismäßig ist.

Diese oben genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

 

2.1.1 Finanzinstrument mit bestimmten Merkmalen

Bei Futures handelt es sich um Finanzinstrumente mit bestimmten Merkmalen. Sie sind in Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID II in Verbindung mit Anhang I Abschnitt C Nr. 4 bis 7 und 10 MiFID II bzw. nach dem diese MiFID II-Vorschriften ins deutsche Recht umsetzenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Nr. 4 WpHG als Finanzinstrumente definiert.

Futures werden als unbedingte, börsengehandelte Termingeschäfte definiert. Außerbörslich (OTC) gehandelte Termingeschäfte fallen somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Allgemeinverfügung.

 

2.1.2 Erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz

Die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures an Kleinanleger werfen erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz im Sinne des Art. 42 MiFIR auf. Die erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz ergeben sich vorliegend aus den produktimmanenten Eigenschaften der Futures und dem Umstand, dass die sich aus der Nachschussverpflichtung ergebenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen für die Kundengruppe der Kleinanleger besonders nachteilig und mit unkalkulierbaren Verlustrisiken verbunden sind.

Durch die MiFIR wurde ab dem 03.01.2018 ein in den EU-Mitgliedstaaten direkt anwendbares Produktinterventionsrecht eingeführt. Die Europäische Kommission hat, gestützt auf Art. 42 Abs. 7 MiFIR in Art. 21 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/567 vom 18.05.2016 (Delegierte Verordnung), Kriterien und Faktoren niedergelegt, welche von den zuständigen Behörden bei Ausübung ihrer Produktinterventionsbefugnisse zu berücksichtigen sind. Auf Grundlage des Art. 42 MiFIR greife ich auf diesen (nicht abschließenden) Kriterienkatalog zurück. Aufgrund einer Analyse der in Art. 21 Abs. 2 der Delegierten Verordnung genannten Kriterien und Faktoren habe ich mich begründetermaßen vergewissert, dass die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz im Sinne des Art. 42 Abs. 2 lit. a) Ziffer i) MiFIR aufwerfen.

Bei der Ermittlung, ob diese Finanzinstrumente erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwerfen, habe ich insbesondere folgende in Art. 21 Abs. 2 der Delegierten Verordnung angeführten Kriterien und Faktoren herangezogen:

  • Grad der Komplexität des Finanzinstruments in Bezug zu der Art von Kunden, an die das Finanzinstrument vermarktet oder verkauft wird, insbesondere unter Berücksichtigung der Komplexität der Berechnung der Wertentwicklung und der Art und des Umfangs etwaiger Risiken (Art. 21 Abs. 2 lit. a) Delegierte Verordnung);
  • Ausmaß möglicher negativer Auswirkungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Zahl der beteiligten Kunden, Anleger oder Marktteilnehmer, des relativen Anteils des Produkts in den Portfolios der Anleger, der Wahrscheinlichkeit, des Umfangs und der Art negativer Auswirkungen, einschließlich der Höhe des möglicherweise erlittenen Verlustes, des Volumens der Emission, des Wachstums des Marktes und des von jedem Kunden in das Finanzinstrument investierten durchschnittlichen Betrags (Art. 21 Abs. 2 lit. b) Delegierte Verordnung);
  • Art der Kunden, an die ein Finanzinstrument vermarktet oder verkauft wird, insbesondere unter Berücksichtigung, ob es sich bei dem Kunden um einen Kleinanleger, einen professionellen Kunden oder eine geeignete Gegenpartei handelt (Art. 21 Abs. 2 lit. c) Delegierte Verordnung);
  • Besondere Merkmale oder Komponenten des Finanzinstruments, einschließlich eines eingebetteten Leverage-Effekts, insbesondere unter Berücksichtigung des produktinhärenten Leverage-Effekts (Art. 21 Abs. 2 lit. e) Delegierte Verordnung);
  • Existenz und Grad der Diskrepanz zwischen der erwarteten Rendite oder dem erwarteten Gewinn für Anleger und dem Verlustrisiko, das dem Finanzinstrument innewohnt, insbesondere unter Berücksichtigung des Rendite-Risiko-Profils (Art. 21 Abs. 2 lit. f) Delegierte Verordnung);
  • Verkaufspraktiken in Verbindung mit dem Finanzinstrument, insbesondere die verwendeten Kommunikations- und Vertriebskanäle und des Informations-, Marketing- oder sonstigen Werbematerials in Verbindung mit der Anlage (Art. 21 Abs. 2 lit. j) Delegierte Verordnung).

Nach Berücksichtigung der relevanten Kriterien und Faktoren komme ich zu dem Schluss, dass Futures aus den nachfolgenden Gründen für Kleinanleger erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwerfen.

Insbesondere aufgrund des Risikos, dass Kleinanleger mehr als ihr investiertes Kapital verlieren können, liegen hinsichtlich Futures erhebliche Anlegerschutzbedenken vor. In der Gesamtschau werden diese darüber hinaus durch den produktinhärenten Leverage-Effekt bzw. der Spekulation quasi auf Kredit sowie durch die Vertriebs- und Verkaufspraktiken im Zusammenhang mit dem Future-Handel verstärkt.

 

2.1.2.1 Risiko eines unbeschränkten Verlustes

Das Ausmaß möglicher negativer Auswirkungen und die Diskrepanz zwischen dem zu erwartenden Gewinn und dem Verlustrisiko ist bei Futures insbesondere wegen des Risikos von  Nachschusspflichten erheblich. Aufgrund der Tatsache, dass der Verlust aus der Investition in ein solches Finanzinstrument den investierten Betrag um ein Vielfaches überschreiten kann, wird das Rendite-Risiko-Verhältnis als äußerst nachteilig für Kleinanleger erachtet. Der mögliche Verlust kann unbegrenzt sein und ist nicht auf den investierten Betrag beschränkt.

Die Marktuntersuchung der Bundesanstalt zeigte zwar, dass Nachschusspflichten in einem herkömmlichen Marktumfeld relativ selten vorkommen, jedoch verwirklicht sich das Risiko von Nachschusspflichten vor allem bei untypischen, besonderen Marktereignissen („Black-Swan“-Ereignisse). In solch hoch-volatilen Marktphasen oder im Falle starker Kursbewegungen besteht die Gefahr, dass Kleinanleger die Nachschüsse aus ihrem sonstigen Vermögen begleichen müssen. Dabei zeigte die Marktuntersuchung, dass teilweise sechsstellige Beträge von den Kleinanlegern nach einer Zwangsschließung gefordert wurden.

Ferner ist die Versendung eines Margin-Calls nicht verpflichtend für die Intermediäre, sondern wird von diesen freiwillig durchgeführt. Kleinanleger können sich daher nicht darauf verlassen, bei drohender Unterdeckung eine Information initiativ vom Intermediär zu erhalten.

Zudem kann es sein, dass dem Kleinanleger selbst nach Empfang eines Margin-Calls nur wenige Minuten bleiben, um die Sicherheiten freiwillig zu erhöhen. Damit muss der Kleinanleger theoretisch sicherstellen, jederzeit erreichbar zu sein, um auf einen Margin-Call reagieren zu können sowie auch die Möglichkeit haben, die finanziellen Mittel zeitnah zur Verfügung zu stellen.

Der Intermediär wird bei einer Unterdeckung des Margin-Kontos versuchen, den Kontrakt zu schließen. Sollten die vom Kleinanleger hinterlegten Sicherheiten nicht ausreichen, um die Verluste auszugleichen, fordert der Intermediär den darüberhinausgehenden noch ausstehenden Betrag vom Kleinanleger.

Die Zwangsglattstellung erfolgt grundsätzlich nicht im Interesse des Kleinanlegers, sondern wird vom Intermediär im eigenen Interesse durchgeführt. Zwar werden bei Unterdeckung meist zunächst bis zur Erreichung des erforderlichen Margin-Niveaus weitere bestehende Positionen aufgelöst, jedoch besteht gerade das Risiko von Nachschusspflichten, wenn Kleinanleger nur wenige oder gar nur eine einzige Position eröffnet haben. Auch die Auflösung bzw. Schließung von anderen (Termingeschäfts-) Positionen über den betreffenden nachschusspflichtigen Kontrakt hinaus, kann nachteilig für den Kleinanleger sein. Möglicherweise werden dadurch Verluste in Geschäften realisiert, die nicht unmittelbar mit dem Future-Handel bzw. mit dem konkreten Future-Kontrakt in Verbindung stehen.

Insbesondere bei sehr hohen Kursausschlägen kann die ausstehende Margin den bereits investierten Betrag überschreiten. Eine Obergrenze für die Nachschusszahlung gibt es nicht. Somit kann der Nachschuss und damit auch der mögliche Verlust – zumindest bei Short-Future-Kontrakten – unbegrenzt sein.

Das Risiko eines unbeschränkten Verlustes und damit auch die erheblichen Anlegerschutzbedenken bestehen hingegen nicht, wenn Wertpapierfirmen bzw. Intermediäre im Rahmen ihrer Vertragsbeziehung mit dem Kleinanleger Nachschusspflichten verbindlich ausschließen. Dem trägt Tenor Ziffer 2. lit. a. Rechnung, indem eine Ausnahme für den Fall eines vertraglichen Ausschlusses der Nachschusspflicht aufgenommen wurde.

Erhebliche Anlegerschutzbedenken ergeben sich auch dann nicht, wenn Kleinanleger Futures zu Absicherungszwecken nutzen und über den entsprechenden Basiswert bzw. ein abzusicherndes Basisgeschäft verfügen. Grund dafür ist, dass davon auszugehen ist, dass Verluste bzw. Ausgleichsforderungen aus dem Future-Handel durch Gewinne bzw. Erlöse aus dem abzusichernden Basisgeschäft ausgeglichen werden.  Bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung realisiert sich das Verlustrisiko im Rahmen von Nachschussforderungen nicht, da aktive Marktteilnehmer „side-by-side-Risikomanagement“ mit dem jeweiligen physischen Basiswert betreiben. Die Verluste aus einer erzwungenen Schließung einer Future-Position werden bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung durch die entsprechende physische Position bzw. durch Gewinne im Gegengeschäft ausgeglichen. Dem trägt Tenor Ziffer 2. lit. b. Rechnung. Dieser nimmt reine Absicherungsgeschäfte von der Allgemeinverfügung aus. Die erheblichen Anlegerschutzbedenken betreffen somit Fälle, in denen Futures von Kleinanlegern nicht zu Absicherungszwecken gehandelt werden oder eine Nachschusspflicht von Seiten der Wertpapierfirma nicht vertraglich ausgeschlossen ist.

 

2.1.2.2 Art der Kunden und Marktentwicklung

Über Intermediäre erlangen Kleinanleger einen Zugang zu einem Markt, der ihnen sonst verwehrt bliebe. Ein direkter Handel von Futures an einer Terminbörse ist für Kleinanleger grundsätzlich ausgeschlossen. Lediglich unter Einbindung von Intermediären, welche wiederum direkt an Terminbörsen agieren, können Kleinanleger Futures handeln.

Es ist trotz bestehender Regelungen (Zielmarktbestimmung, Angemessenheits- bzw. Geeignetheitsprüfung) jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch Kleinanleger Futures handeln, die nicht oder nur unzureichend über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.

Insbesondere für Kleinanleger, die keine weitgehenden Erfahrungen und Kenntnisse im Handel an Terminbörsen haben, sind die Funktionsweise sowie das Rendite-Risiko-Profil von Futures in der Regel zu komplex und nicht nachvollziehbar. Zudem können selbst erfahrene Kleinanleger das Risiko einer Nachschusspflicht nur selten bestimmen und sind nicht vor den Gefahren von „Black-Swan“-Ereignissen bzw. den sich daraus möglicherweise ergebenden negativen finanziellen Folgen geschützt. Erhöhte Komplexität geht dabei vor allem von dem Risiko einer Nachschusspflicht aus. Zusätzliche Komplexität entsteht durch die Margin-Anforderungen und das damit oft verbundene Erfordernis einer dauerhaften Erreichbarkeit bzw. Beobachtung des Depots oder der Margin-Konten, um eine Zwangsschließung zu vermeiden. Im Handel mit Futures ist eine fortlaufende Marktbeobachtung notwendig. Es handelt sich nicht um „buy-and-hold“-Investitionen. Für Kleinanleger regelmäßig komplex sind auch die oben beschriebenen Rollvorgänge sowie deren Auswirkungen auf die Rendite.

Sowohl in Bezug auf das Future-Handelsvolumen von Kleinanlegern als auch auf deren Anzahl sind jedoch im Zeitraum der von der Bundesanstalt durchgeführten Marktuntersuchung zweistellige positive Wachstumsraten zu erkennen. Zudem zeigte eine Analyse von Meldedaten der Bundesanstalt, dass sich die Anzahl der Kunden, die EUREX-Futures handelten, zwischen 2018 und 2021 in etwa verdreifacht hat. Insbesondere bedingt durch das vermehrte Angebot von Mini-und Micro-Future-Kontrakten ist von einer weiteren Zunahme und einer zukünftig steigenden Verbreitung des Future-Handels bei Kleinanlegern auszugehen. So erwartet die Bundesanstalt, dass die Anzahl an Kunden, die Mini- und Micro-Future-Kontrakte handeln, auch im Jahr 2022 weiter anwachsen wird.

Es kann daher damit gerechnet werden, dass mit der Zunahme der Anzahl an Kleinanlegern, die Futures handeln, auch die Anzahl an Nachschussaufforderung steigt. Durch die steigende Marktbedeutung – sowohl in Bezug auf das Handelsvolumen als auch die Anzahl an Kleinanlegern – ist davon auszugehen, dass absolut gesehen noch mehr Kleinanleger Nachschusspflichten leisten müssen und damit mehr als den von ihnen investierten Betrag im FutureHandel verlieren. Diese Beobachtungen werden auch von anderen Markteilnehmern, wie beispielsweise die Terminbörsen, bestätigt. Diese gehen von einer wachsenden Anzahl an handelnden Kleinanlegern als auch einer wachsenden Nachfrage von Kleinanlegern nach Future-Produkten und damit einem zukünftig wachsenden Produktangebot aus.

Zudem hat die Bundesanstalt die Erkenntnis erlangt, dass Futures teilweise sowohl von Intermediären als auch von sogenannten Affiliate-Partnern als Alternative zum CFD-Handel beworben werden. Daher ist auch aufgrund der zunehmenden Werbeaktivitäten von Intermediären und anderen Marktteilnehmern von einer wachsenden Verbreitung von Futures als Anlage- bzw.
Investitionsinstrument für Kleinanleger auszugehen.

Gerade aufgrund der Werbeaktivitäten und der zunehmenden Verbreitung bzw. Einführung von Micro- und Mini-Future-Kontrakten werden auch weiter Kleinanleger an den Future-Handel herangeführt, die gegebenenfalls nicht über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen im Handel mit solch komplexen Produkten verfügen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer Niedrigzinsphase und dem Wunsch von Anlegern, eine Rendite am Kapitalmarkt oberhalb des Marktniveaus zu erzielen, suchen Anleger zunehmend neue Investitionsmöglichkeiten. Damit steigt auch die Gefahr, dass sich Kleinanleger aufgrund von Werbeaussagen und Renditeversprechen von dem überdurchschnittlich hohen Risiko (der Nachschussverpflichtung) ablenken lassen und in hochriskante Produkte investieren, die für sie grundsätzlich nicht geeignet sind. Dabei sind Futures explizit nicht für eine langfristige (Geld-) Anlage geeignet, sondern höchstens zur Absicherung (Hedging) bzw. als Spekulationsinstrument.

Die zunehmende Verbreitung ist vor allem auf Kleinanleger zurückzuführen, die Futures zu Spekulationszwecken handeln. Dies ist nicht nur in der Ausgestaltung der Werbung begründet, sondern auch darin, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Nachfrage nach Absicherungsinstrumenten von Kleinanlegern stetig in einem solchem Umfang wie in der Marktuntersuchung beobachtet steigt. Ansonsten müsste auch die Anzahl der abzusichernden Basisgeschäfte und der Absicherungsbedarf von Kleinanlegern in gleichem Maße stetig gestiegen sein, wovon nicht auszugehen ist. Vielmehr sind Kleinanleger auf der Suche nach Möglichkeiten, mit dem Future-Handel Renditen oberhalb des Marktniveaus zu erzielen. So werden Futures regelmäßig auch von Petenten im Rahmen des Anhörungsverfahrens in einem Zug mit anderen spekulativen Finanzinstrumenten wie CFD oder Hebel-Zertifikaten genannt.

Der Handel von Futures zu Spekulationszwecken durch Kleinanleger im Mantel einer Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung, wie beispielsweise einer GmbH, bietet – entgegen der Stellungnahmen von Petenten – nicht ausreichenden Schutz gegen die oben beschriebenen Risiken. Zwar ist grundsätzlich nicht das sonstige private Vermögen des Kleinanlegers betroffen, jedoch steht das gesamte Vermögen der Gesellschaft bis hin zur Insolvenz im Risiko.

 

2.1.2.3 Komplexität der Wertentwicklung und Spekulation quasi auf Kredit

Hebelprodukte an sich sind als äußerst komplex einzustufen, da Kleinanleger regelmäßig nur schwer die Wertentwicklung solcher Produkte, insbesondere aufgrund der erhöhten Volatilität, einschätzen können. Durch die Nachschusspflicht wird die Komplexität der Wertermittlung weiter erhöht und intensiviert sich. Der maximale Verlust bzw. die maximale Höhe des Verlustes und damit das Risiko einer solchen Anlage kann aufgrund der Nachschusspflicht nicht vom Kleinanleger bestimmt werden, da der Verlust nicht ausschließlich auf den investierten Betrag begrenzt ist. Die tatsächlichen Verlustrisiken einer solchen Anlage können daher von Kleinanlegern bei Futures nicht eingeschätzt werden. Dies ist insbesondere bei Short-Positionen der Fall, bei welchen der Verlust nicht zumindest auf den Kontraktwert begrenzt ist.

Da Kleinanleger nur eine Sicherheitsleistung und damit einen Bruchteil des gehandelten Kontraktwertes hinterlegen müssen, handelt es sich bei dem Margin-Handel um eine Art Spekulation auf Kredit. Kleinanleger müssen nicht über den gesamten Kontraktgegenwert verfügen, sondern ein Bruchteil davon reicht bereits aus. Der Kleinanleger ist dadurch den wirtschaftlichen Folgen aus der Spekulation mit einem Anlagebetrag ausgesetzt, den er nur zu einem geringen Teil tatsächlich aufbringen muss. Dies kommt damit einer kreditfinanzierten Anlagestrategie gleich und kann für Kleinanleger sogar mit existenziellen Risiken (Insolvenz) einhergehen.

Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat dieser Form von kreditfinanzierter Spekulation ein besonders hohes Risikopotential zugemessen. Das zeigt sich etwa daran, dass in Art. 62 Abs. 2 VO (EU) 2017/565 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU bei einem kreditfinanzierten Finanzportfolio eine besondere Berichtspflicht des Vermögensverwalters besteht. Hat die Führung von Kleinanlegerkundenkonten ein Geschäft zum Gegenstand, das eine ungedeckte Position bei einem Geschäft mit Eventualverbindlichkeiten enthält, so müssen Wertpapierfirmen dem Kleinanleger auch die nicht bzw. nicht voll gedeckten Verluste aus Eventualverbindlichkeiten mitteilen.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Gewährung von Krediten an andere nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 MiFID II in Verbindung mit Anhang 1 Abschnitt B Nr. 2 MiFID II[26] als überwachungsbedürftige Nebendienstleistung einstuft, wenn sie für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen gewährt wird, an denen das den Kredit gewährende Unternehmen selbst beteiligt ist. Daraus wird ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber das Ermöglichen von kreditfinanzierter Spekulation von Kleinanlegern nur unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig erachtet, was die Schaffung von besonderen Vorkehrungen zum Schutz von Kleinanlegern erforderlich macht. Diese Wertungen des Gesetz- und Verordnungsgebers rechtfertigen es, den insoweit wirtschaftlich einem Kreditnehmer gleichstehenden Kleinanleger, der Futures erwirbt, durch Erlass einer Produktinterventionsmaßnahme vor solchen Verlusten zu schützen, die über den investierten Betrag hinausgehen und damit auf das sonstige Vermögen des Kleinanlegers übergreifen können. Um Kleinanleger vor Verlusten zu schützen, die über den von den Kleinanlegern auf ihren Handelskonten eingezahlten Betrag hinausgehen und damit auf das sonstige Vermögen der Kleinanleger übergreifen, ist die vorliegende Allgemeinverfügung angezeigt.

Entgegen der Stellungnahmen von Petenten zeigte die von der Bundesanstalt durchgeführte Marktuntersuchung, dass bei Futures auch für Kleinanleger Hebel von über 1.000 möglich sind. Hier hat der Kleinanleger nur ein Tausendstel der eigentlichen Investitionssumme als Sicherheit zu hinterlegen. Kleinanleger können auf diese Weise mit nur geringem Einsatz enorme Investitionssummen bewegen, da lediglich ein Bruchteil der eigentlichen Investitionssumme eingezahlt bzw. nicht über das Kapital in Höhe des gesamten Kontraktwertes verfügt werden muss. Für den Kleinanleger besteht daher das Risiko, Kapital zu verlieren, welches er zu Beginn der Investition nicht vorhalten musste und über welches er gegebenenfalls gar nicht verfügt.

Mit einem Ausschluss der Nachschusspflicht (Ziffer 2. lit. a. des Tenors) wird das Risiko der Kleinanleger aus der quasi kreditfinanzierten Spekulation, welches entsprechend der aufgezeigten Wertung des Gesetzgebers in Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 MiFID II ein besonders hohes Risikopotenzial birgt, auf den tatsächlich investierten (bzw. eventuell freiwillig nachgeschossenen) Betrag begrenzt und damit reduziert.

Nutzen Kleinanleger Futures als Absicherungsinstrument und verfügen dementsprechend über den abzusichernden Basiswert bzw. abzusicherndem Basisgeschäft, ist vorliegend nicht von kreditfinanzierter Spekulation auszugehen.

 

2.1.2.4 Verkaufspraktiken und zur Verfügung gestellte Informationen

Insbesondere seit Inkrafttreten der CFD-Produktinterventionsmaßnahme ist zu beobachten, dass Futures regelmäßig als Alternative zum CFD-Handel für Kleinanleger beworben werden. Dabei richten sich diese Anbieter offensichtlich an Kleinanleger, die Futures zu Spekulationszwecken handeln bzw. allgemein das Motiv der Spekulation verfolgen. So wird nicht selten auf den teilweise höheren und theoretisch unbegrenzten Hebel im Future-Handel verwiesen bzw. mit diesem geworben. Dieser Unterschied zu CFD wird dabei
positiv hervorgehoben, oft ohne dass auf das unbegrenzte Verlustrisiko hingewiesen wird.

Wie auch beim CFD-Handel setzen einige Intermediäre im Zusammenhang mit Futures auf sogenanntes Partner- oder Affiliate-Marketing. Ferner werden regelmäßig Bonus- bzw. Rabatt-Aktionen eingesetzt, um Neukunden zu gewinnen. Affiliate-Partner werben quasi mittelbar im Auftrag der Intermediäre für den Handel mit Futures. Im Gegenzug erhalten Affiliate-Partner eine Provision oder Prämie für jeden an den Intermediär weitergeleiteten Kunden. Teilweise ist die Zahlung dieser Provision an verschiedene Kriterien wie die Anzahl der eröffneten Kontrakte oder die Höhe des eingezahlten Kapitals des Kleinanlegers gebunden.

Im Fokus von Affiliate-Werbenden stehen regelmäßig Kleinanleger, die nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen mit Termingeschäften verfügen. Dabei erfolgt die Darstellung der Risiken durch die Werbenden häufig unzureichend, so wird selten auch auf das Risiko von Nachschusspflichten hingewiesen. Meist ist diese Affiliate-Werbung auch nicht als solche gekennzeichnet, sondern in den Mantel eines informativen Beitrags oder eines Vergleichsportals gekleidet.

Aktiv beworben werden insbesondere Mini- und Micro-Future-Kontrakte. Oft werden diese als geeignet für Kleinanleger bezeichnet. Diese Eignung für Kleinanleger wird dabei regelmäßig hervorgehoben. Bei Kleinanlegern könnte daher der Eindruck entstehen, dass diese Produkte grundsätzlich für sie bzw. für den herkömmlichen Kleinanleger geeignet sind. In der Regel erfolgt jedoch auch hier kein Hinweis auf das Risiko einer Nachschusspflicht. Zielgruppe der Werbenden sind dabei in der Regel Kleinanleger, die eine Spekulations- oder Handelsstrategie verfolgen und weniger solche, die Futures zu Absicherungszwecken erwerben.

Insgesamt wird ein Bild gezeichnet, welches insbesondere die Vorteile für den Kleinanleger beim Future-Handel herausstellt und diesen unter Berücksichtigung der Markt- und Produktentwicklung von Mini- und Micro-Futures gerade für den Kleinanleger als Investitionsalternative attraktiv machen soll. Damit geht jedoch zugleich die gesteigerte Gefahr einher, dass das produktimmanente und im Vergleich zu anderen Anlageprodukten völlig untypische unbegrenzte Verlustrisiko gerade von dieser weniger erfahrenen Kundengruppe regelmäßig übersehen bzw. unterschätzt wird.

Gerade in Zeiten niedriger Zinsen drängen Kleinanleger immer mehr in den Kapitalmarkt, um noch rentable Investments erzielen zu können. So ist davon auszugehen, dass Produkte, welche theoretisch hohe Gewinnchancen ermöglichen, zunehmend für Kleinanleger attraktiver erscheinen. Durch die Ansprache bzw. Erwähnung von Kleinanleger als Kundengruppe und auf diese ausgerichtete, gezielte Werbeaktivitäten wird der Bekanntheitsgrad von Futures erhöht. Dies führt zu einem Anstieg an Kleinanlegern, welche diese Finanzinstrumente handeln und dem Risiko eines unbegrenzten Verlustes aufgrund der Nachschusspflicht ausgesetzt sind. Deutlich und gestützt wird dies durch den erkennbar starken Anstieg der Kundenzahl, die ausgehend von den Art. 26-Meldedaten zwischen 2018 und 2021 EUREX-Futures handelten.

So tragen die festgestellten Verkaufspraktiken dazu bei, dass die Anzahl der Kleinanleger, die Futures handeln und damit auch potentiell mehr als ihr investiertes Kapital verlieren können, auch zukünftig weiter steigen wird. Mit Blick auf die zunehmenden Vermarktungsaktivitäten hinsichtlich Micro- und Mini-Futures, welche Kleinanlegern insgesamt den Eintritt in den FutureMarkt erleichtern, konnte die Bundesanstalt im Rahmen einer MeldedatenAnalyse feststellen, dass gleichzeitig auch die Anzahl an Kunden, die solche Future-Ausgestaltungen handeln, 2022 im Vergleich zum Vorjahr nochmals steigen wird.

Zwar haben gemäß Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs-VO) Konzepteure von Futures ein Basisinformationsblatt zu erstellen bzw. ist dieses von Anbietern von Futures den Kleinanlegern zur Verfügung zu stellen, jedoch beseitigt dies nicht das Risiko, dass Kleinanleger aufgrund der Nachschusspflicht einen Verlust über ihren investierten Betrag hinausgehend erleiden können.

Der Hinweis auf mögliche Verluste, die aus dem privaten Vermögen beglichen werden müssen, verhindert nicht, dass Kleinanleger Nachschüsse leisten müssen.

Trotz Hinweisen auf das Risiko einer Nachschusspflicht wird diese Gefahr von Kleinanlegern regelmäßig unterschätzt.

 

2.2 Keine hinreichende andere Möglichkeit, den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. a) MiFIR genannten Risiken zu begegnen und das Problem durch eine stärkere Aufsicht oder Durchsetzung der vorhandenen Anforderungen zu lösen (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. b) MiFIR)

Bestehende regulatorische Anforderungen nach Unionsrecht, die auf die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Futures anwendbar sind, begegnen den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. a) Ziffer i) MiFIR genannten Risiken nicht hinreichend. Weder unionsrechtliche Anforderungen noch nationale Bestimmungen – niedergelegt etwa im WpHG – können den dargestellten Risiken für Anleger im Zusammenhang mit Nachschusspflichten bei Futures in ausreichender Weise begegnen.

Die Bundesanstalt hat entsprechend den Vorschriften in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. b) MiFIR geprüft, ob andere hinreichende Möglichkeiten bestehen, den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. a) MiFIR genannten Risiken zu begegnen und das Problem durch eine stärkere Aufsicht oder Durchsetzung der vorhandenen regulatorischen Anforderungen nach Unionsrecht zu lösen. Die anwendbaren bestehenden regulatorischen Anforderungen sind in der MiFID II, der delegierten Richtlinie zur MiFID II (EU) 2017/593, der delegierten Verordnung zur MIFID II (EU) 2017/565, der MiFIR und der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie nationaler Umsetzungsakte im WpHG und der Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDVerOV) festgelegt.

Unter anderem sind dies die folgenden Anforderungen:

 

2.2.1 Angemessene Informationsbereitstellung

Die Bundesanstalt hat überprüft, ob die Vorschriften zur redlichen Kundeninformation nach Art. 24 Abs. 3 und 4 MiFID II27 den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. b) MiFIR genannten Risiken hinreichend begegnen und das Problem besser durch eine stärkere Aufsicht oder Durchsetzung der Anforderungen aus diesen Vorschriften gelöst würde. Dies ist nicht der Fall.

Die auf Transparenz gegenüber dem Kunden beruhenden Vorschriften sind jedoch ungeeignet, um insbesondere dem unbegrenzten Verlustrisiko, welches zumindest Short-Futures beinhalten, zu begegnen. Eine transparente und verständliche Darstellung der unbegrenzten Verlustrisiken verhindert nicht, dass Kleinanleger dem Risiko einer Nachschusspflicht im Future-Handel ausgesetzt sind. Die vom Gesetzgeber vorgeschriebene angemessene Informationsbereitstellung im Sinne der oben genannten Normen kann die Gefahr einer verpflichtenden Nachschusszahlung und damit das Risiko eines Verlustes, den Kleinanleger über ihren investierten Betrag hinausgehend aus ihrem sonstigen Vermögen begleichen müssen, nicht verhindern.

 

2.2.2 Anforderungen an Geeignetheit und Angemessenheit

Art. 25 Abs. 2 MiFID II[28] schreibt Wertpapierfirmen bei Erbringung von Anlageberatung oder Portfolio-Management vor, die erforderlichen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden oder potenziellen Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten, über seine finanziellen Verhältnisse, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, einzuholen (Geeignetheitsprüfung).

Da aber die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures in aller Regel ohne die Erbringung von Anlageberatung und Portfolio-Management über elektronische Plattformen erfolgt und Kleinanleger damit gerade im Bereich der sehr riskanten Futures in aller Regel ohne die damit verbundenen Schutzmechanismen handeln, bietet ein Rückgriff auf Art. 25 Abs. 2 MiFID II keine hinreichende anderweitige Möglichkeit, den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. a) MiFIR genannten Risiken zu begegnen.

Gemäß Art. 25 Abs. 3 MiFID II[29] ist beim Angebot von Futures über elektronische Handelsplattformen, ohne die Erbringung von Anlageberatung oder Portfolio-Management (sogenanntes beratungsfreies Geschäft), eine Bewertung der Angemessenheit des Finanzinstruments für den Kunden erforderlich (Angemessenheitsprüfung).

Zur Bewertung der Angemessenheit ist es gemäß Art. 25 Abs. 3 Unterabsatz 1 MiFID II[30] zwar notwendig, dass die Wertpapierfirmen ihre Kunden oder potenziellen Kunden um Angaben zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen in Bezug auf den speziellen Typ der angebotenen oder angeforderten Produkte oder Dienstleistungen bitten, um beurteilen zu können, ob die in Betracht gezogenen Wertpapierdienstleistungen oder Produkte für den Kunden angemessen sind. Der Handel der Finanzinstrumente mit dem Kunden kann aber gleichwohl nach Erteilung eines Warnhinweises gemäß Art. 25 Abs. 3 Unterabsatz 2 MiFID II[31] erfolgen, selbst wenn die Bewertung der Angemessenheit zuvor zum Ergebnis geführt hat, dass das Finanzinstrument für den Kunden oder potenziellen Kunden nicht angemessen ist. Ebenso kann der Handel mit dem Kunden gemäß Art. 25 Abs. 3 Unterabsätze 3 und 4 MiFID II[32] auch in den Fällen nach einer einfachen Warnung des Kunden erfolgen, in denen die Kunden oder potenziellen Kunden zuvor gar keine oder nur unzureichende Angaben gemacht haben und eine Bewertung der Angemessenheit damit nicht möglich ist. In diesen Fällen hat lediglich eine entsprechende Information des Kunden zu erfolgen.

Im Ergebnis kann selbst eine ordnungsgemäß erfolgte Angemessenheitsprüfung nicht das Risiko einer Nachschusspflicht und damit einen potenziellen Verlust, der den investierten Betrag übersteigt, verhindern. Auch Kleinanleger, die über entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, haben das Risiko zu tragen, zu unbegrenzten Nachschüssen verpflichtet zu werden, welche sie gegebenenfalls aus ihrem sonstigen Vermögen leisten müssen. Eine Beurteilung der Angemessenheit des Finanzinstruments für den Kleinanleger reduziert somit nicht die potenzielle Gefahr von Verlusten, die den investierten Betrag überschreiten. Ferner führt eine nicht festgestellte Angemessenheit nicht zu einem automatischen Ausschluss des Kleinanlegers von dem beabsichtigten Geschäft.

Es besteht deshalb keine hinreichende andere Möglichkeit, den genannten Risiken zu begegnen und das Problem durch eine stärkere Aufsicht oder Durchsetzung der vorhandenen Anforderungen durch eine wirksame Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung zu lösen.

 

2.2.3 Produktüberwachung

Die Bundesanstalt hat zudem überprüft, ob die Vorschriften zur Produktüberwachung nach den Art. 24 Abs. 2 MiFID II[33], Art. 16 Abs. 3 Unterabsatz 4 MiFID II[34] sowie nach Art. 9 und 10 der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen[35] den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. b) MiFIR genannten Risiken hinreichend begegnen und das Problem besser durch eine stärkere Aufsicht oder Durchsetzung der Anforderungen aus diesen Vorschriften gelöst würde.

Im Rahmen der Bestimmung eines Zielmarktes durch Konzepteure und Vertriebsunternehmen für Finanzinstrumente muss, neben anderen Merkmalen, insbesondere die Kundengattung (Kleinanleger, professioneller Kunde oder geeignete Gegenpartei) angegeben werden, mit denen das Finanzinstrument kompatibel ist. Aufgrund der Merkmale von Futures ist die Bundesanstalt der Ansicht, dass Kleinanleger bei der Bestimmung des Zielmarktes für diese Finanzinstrumente besonders zu berücksichtigen sind. Die Kundenkategorie der Kleinanleger, die Futures nicht zu Absicherungszwecken handeln, ist vom Zielmarkt auszuschließen.

Entgegen der Auffassung der Petenten kann auch das Bemühen der Bundesanstalt um eine konsequente Durchsetzung der Anforderungen an die Produktüberwachung nicht in gleicher Weise wie die mit dieser Allgemeinverfügung ausgesprochene Beschränkung geeignet sein, zu verhindern, dass Kleinanleger durch Futures mehr als ihr eingesetztes Kapital verlieren können. Zwar könnte über die Zielmarktbestimmung, das heißt den Ausschluss von Kleinanlegern aus dem positiven Zielmarkt bzw. die Aufnahme von Kleinanlegern in den negativen Zielmarkt[36], darauf hingewirkt werden, dass Futures zu Spekulationszwecken nicht an Kleinanleger vertrieben werden.

Jedoch handelt es sich dabei um eine nicht hinreichende, mittelbare, mehrere Zwischenschritte erfordernde Einwirkungsmöglichkeit der Bundesanstalt, welche in jedem Einzelfall in weiteren diversen Zwischenschritten überwacht und gegebenenfalls durch Einzelmaßnahmen durchgesetzt werden muss, wenn die eigenverantwortliche Einhaltung der betroffenen Unternehmen fehlschlägt. Zudem wäre zu erwarten, dass gleichwohl weitere Kleinanleger Futures zu Spekulationszwecken erwerben und das Risiko weiterhin besteht, dass Kleinanleger über ihren investierten Betrag hinausgehende Verluste erleiden.

Mit der vorliegenden Allgemeinverfügung schafft die Bundesanstalt unmittelbar einheitliche Vorgaben und ein einheitliches Schutzniveau für Kleinanleger in Deutschland vor dem Risiko, verpflichtende Nachschüsse im Future-Handel zu leisten, die aus dem sonstigen Vermögen beglichen werden müssen, wenn es sich bei diesen Geschäften nicht um solche zum Zwecke der
Absicherung handelt. Die Allgemeinverfügung stellt die effizienteste Möglichkeit zur Erreichung des erforderlichen Schutzniveaus und zur Beseitigung
der oben ausgeführten erheblichen Anlegerschutzbedenken dar. Eine Zielmarktbestimmung wäre hingegen kein gleich geeignetes milderes Mittel.

 

2.2.4 Basisinformationsblätter

Die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 (PRIIPs-VO) enthält in Art. 5 bis 14 Offenlegungsanforderungen. In ihr werden einheitliche Vorschriften zum Format und zum Inhalt der  Basisinformationsblätter festgelegt, die Hersteller von verpackten Anlageprodukten und Versicherungsanlageprodukten Kleinanlegern bereitstellen müssen, damit diese die wichtigsten Merkmale und Risiken eines PRIIP (Packaged Retail and Insurance based Investment Product) verstehen und vergleichen können.

Insbesondere in Art. 5 der PRIIPs-VO, der in der Delegierten Verordnung der Kommission (EU) 2017/653 weiter konkretisiert worden ist, wird unter anderem eine Methodik für die Präsentation des Gesamtrisikoindikators und begleitender Erläuterungen festgelegt, einschließlich Informationen darüber, ob der Kleinanleger das gesamte angelegte Kapital verlieren kann oder ob ihm zusätzliche finanzielle Verpflichtungen entstehen. Durch diese Art der Offenlegung wird jedoch nicht verhindert, dass für Kleinanleger das Risiko von Nachschusspflichten besteht. Dieses Risiko kann entgegen der Annahme der Petenten auch nicht durch eine verstärkte Aufsicht über die Basisinformationsblätter beseitigt werden.

Damit stellt auch eine transparentere Darstellung des Nachschusspflichtrisikos kein geeignetes Mittel dar. Darüberhinausgehende Regulierungen, die das Problem beseitigen bzw. ausreichend lösen würden, sieht die PRIIPs-VO nicht vor.

 

2.2.5 Freiwillige Maßnahmen der Intermediäre

Auch die bereits teilweise von Intermediären etablierten Maßnahmen, wie die Erhöhung der von der Terminbörse vorgegebene Margin-Anforderung in der Beziehung zum Kunden um einen bestimmten Prozentsatz, können in der Gesamtschau nicht die erheblichen Anlegerschutzbedenken in dem Maße ausräumen, dass eine Produktinterventionsmaßnahme nicht erforderlich ist.

Auch die von Petenten angeregte Verpflichtung der Intermediäre zu verlässlichen Margin-Call-Verfahren kann hier nicht greifen.

Denn das Margin-Call-Verfahren kann die Gefahr einer Nachschusspflicht nur bedingt und nicht verlässlich begrenzen. Insbesondere in Situationen, in denen die Kursausschläge eines Basiswertes so hoch sind, dass dem Intermediär keine Zeit für eine Nachschussaufforderung bleibt und die Position bzw. der Kontrakt zwangsweise geschlossen werden muss, schützt dieses Instrument den Kleinanleger nicht hinreichend. Denn selbst die Schließung einer bestehenden Position zur Begrenzung von Verlusten kann bei erheblichen Marktfluktuationen zum Nachteil des Kunden deutlich verzögert erfolgen. Zudem sind die Intermediäre nicht zu einem Margin-Call-Verfahren verpflichtet und gestalten diesbezügliche Bestimmungen in ihren AGB unterschiedlich aus.

 

2.2.6 Zwischenergebnis

Die erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz können ohne eine Beschränkung des Futures-Handels durch eine Produktintervention nach Art. 42 MiFIR nicht in gleicher Weise durch eine Durchsetzung der vorstehend aufgeführten Anforderungen ausgeräumt werden.

Nach Auffassung der Bundesanstalt besteht damit keine hinreichende andere Möglichkeit, den in Art. 42 Abs. 2 Satz 1 lit. a) MiFIR genannten Risiken zu begegnen und das Problem durch eine stärkere Aufsicht oder eine stärkere Durchsetzung der vorhandenen Anforderungen zu lösen. Auch die anlegerschützenden freiwilligen Maßnahmen der Intermediäre können die Risiken von Nachschusspflichten nicht in dem Maße begrenzen, dass keine erheblichen Anlegerschutzbedenken bestehen.

Die mit der vorliegenden Allgemeinverfügung vorgenommenen Einschränkungen von Vermarktung, Vertrieb und Verkauf von Futures an Kleinanleger sind deshalb notwendig, um die dargelegten erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz abzuwenden.

 

2.3 Anhörung zuständiger Behörden anderer Mitgliedstaaten

Zuständige Behörden anderer Mitgliedstaaten sind von der Bundesanstalt zu der vorliegenden Maßnahme nach Art. 42 Abs. 2 lit. d) MiFIR ebenfalls vorsorglich angehört worden.

Eine erhebliche Betroffenheit im Sinne der Norm kann sich aus dem Sitz von Intermediären bzw. Future-Anbietern in anderen Mitgliedstaaten ergeben, wenn diese grenzüberschreitend in Deutschland Futures an Kleinanleger anbieten. Die Maßnahme beschränkt jedoch ausschließlich die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Futures in Deutschland an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland. Das Angebot in anderen Mitgliedstaaten ist damit zumindest unmittelbar nicht betroffen.

 

2.4 Keine Diskriminierung

Die Produktinterventionsmaßnahme beschränkt die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Futures, in dem sie die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland vorbehaltlich bestimmter Ausnahmefälle untersagt und wirkt nicht diskriminierend auf die von einem anderen (EU-) Staat aus erbrachten bzw. angebotenen Dienstleistungen (Art. 42 Abs. 2 lit. e) MiFIR).

In Bezug auf Futures liegen erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz vor, die im gesamten räumlichen Anwendungsbereich eine Produktinterventionsmaßnahme nach Art. 42 MiFIR rechtfertigen. Eine Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit findet nicht statt. Die gegenständliche Produktintervention nimmt weder direkt Bezug auf die Nationalität der Adressaten noch führt sie de facto zu einer Benachteiligung in Bezug auf die Herkunft des Kapitals, sodass es an einer nationalitätsbezogenen Ungleichbehandlung fehlt.

 

2.5 Kein Vorliegen einer erheblichen Gefahr für die landwirtschaftlichen Warenmärkte

Nach Art. 42 Abs. 2 lit. f) MiFIR sind vor Erlass einer Produktinterventionsmaßnahme nach Art. 42 MiFIR die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 für die Beaufsichtigung, Verwaltung und Regulierung der landwirtschaftlichen Warenmärkte zuständigen Stellen angemessen von der Bundesanstalt anzuhören, wenn von einem Finanzinstrument, einer Finanztätigkeit oder Finanzpraxis eine erhebliche Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der landwirtschaftlichen Warenmärkte ausgeht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Diese Produktinterventionsmaßnahme wird mit dem Vorliegen erheblicher Anlegerschutzbedenken im Sinne des Art. 42 Abs. 2 lit. a) Ziffer i) Variante 1 MiFIR begründet. Nach Einschätzung der Bundesanstalt geht von der Vermarktung, dem Vertrieb und dem Verkauf von Futures an Kleinanleger hingegen grundsätzlich keine Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- oder Warenmärkte im Sinne des Art. 42 Abs. 2 lit. a) Ziffer i) Variante 2 MiFIR aus.

Eine formelle Anhörung der für die Beaufsichtigung, Verwaltung und Regulierung der landwirtschaftlichen Warenmärkte zuständigen Stellen war somit vorliegend nicht erforderlich. Gleichwohl wurde das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Anhörungsverfahrens über die geplante Produktinterventionsmaßnahme informiert und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

2.6 Ermessensausübung

2.6.1 Ermessen bezüglich Erlass und Inhalt der Maßnahme

Das mir nach Art. 42 Abs. 1 MiFIR eingeräumte Ermessen habe ich im Sinne des Erlasses der oben genannten Maßnahme ausgeübt. Die Maßnahme ist verhältnismäßig, weil sie geeignet, erforderlich und angemessen ist.

Bei der Maßnahme handelt es sich um eine Beschränkung, da unter Berücksichtigung der in Ziffer 2. des Tenors geregelten Ausnahmen die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures weiterhin erfolgen darf. Die Bundesanstalt verbietet den Future-Handel nicht vollständig, sondern schränkt diesen lediglich ein.

 

2.6.1.1 Geeignetheit der Maßnahme

Die angeordnete Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures ist geeignet, den mit der Maßnahme verfolgten legitimen Zweck zu erreichen. Art. 42 MiFIR dient dem Schutz kollektiver Anlegerschutzinteressen. Die Maßnahme ist geeignet, den oben dargestellten erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz Rechnung zu tragen.

Die Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland führt dazu, dass die oben im Einzelnen dargelegten Anlegerschutzbedenken beseitigt werden.

 

2.6.1.2 Erforderlichkeit der Maßnahme

Die Maßnahme ist in dem im Tenor genannten Umfang auch erforderlich. Mir steht kein milderes Mittel zur Verfügung, das in gleicher Weise geeignet wäre, die vorliegenden erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz auszuräumen.

Insbesondere stellt die Beschränkung ein milderes Mittel als ein vollständiges Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures dar. Die Beschränkung betrifft nur solche Futures, die ohne Ausschluss der Nachschusspflicht von Intermediären an die Anlegergruppe der Kleinanleger vermarktet, vertrieben oder verkauft werden können oder die nicht nachweislich zu Absicherungszwecken von Kleinanlegern erworben werden. Zudem betrifft die Allgemeinverfügung nicht solche Futures, die zum Schließen einer entsprechenden, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Allgemeinverfügung offenen, Position erworben wird. Im Gegensatz zu einem vollumfänglichen Verbot ermöglicht die Beschränkung auch, dass Kleinanleger weiterhin am Handel mit Futures teilnehmen (entweder ohne Nachschusspflichten oder zu Absicherungszwecken) und sorgt dafür, dass die dargelegten erheblichen Anlegerschutzbedenken hinreichend begrenzt werden.

Eine bloße Intensivierung der allgemeinen Aufklärung von Kleinanlegern über die mit dem Handel von Futures verbundenen Risiken, insbesondere der Gefahr von Verlusten, die über den investierten Betrag hinausgehen, durch die Anbieter bzw. Konzepteure von Futures, kommt nicht als milderes Mittel in Betracht. Selbst eine vollständige Transparenz über mögliche Nachschusspflichten und deren Kenntnis beseitigt nicht das Risiko für Kleinanleger, mehr als ihr investiertes Kapital zu verlieren. Auch eine vollumfängliche Aufklärung über die Funktionsweise, Wirkung und Gefahren eines Produktes kann nichts an dessen konkreter Ausgestaltung und den sich daraus ergebenden Risiken ändern. Sie kann insbesondere nicht verhindern, dass Kleinanleger gleichwohl weiterhin Futures handeln. So verhält es sich auch mit den im Rahmen der Anhörung von Petenten geforderten Bildungs- und Prüfverfahren für den Future-Handel. Selbst eine Bestätigung über das theoretische Wissen betreffend das Risiko von Nachschusspflichten schützt Kleinanleger nicht in der erforderlichen Weise vor diesem Risiko, wie die in dieser Allgemeinverfügung angeordnete Beschränkung. Aus diesem Grund sind auch intensivierte Aufklärungs- und Schulungsmaßnahmen nicht gleichermaßen geeignet, den aufgezeigten Risiken einer Nachschusspflicht zu begegnen. Dies würde auch auf eine entsprechende Warnung durch die Bundesanstalt zutreffen.

Auch eine etwaige Beschränkung dahingehend, dass Futures ausschließlich im Rahmen der Anlageberatung oder des Portfolio-Managements erworben werden können, wäre nicht gleich geeignet, um zu verhindern, dass Kleinanleger das produktimmanente Risiko der Nachschussverpflichtung und dadurch ein unbegrenztes Verlustrisiko zu tragen haben. Unabhängig vom konkreten Erwerbsweg besteht für Kleinanleger das Risiko von Nachschusspflichten.

Ebenso wäre eine Reduzierung der Hebel im Future-Handel bzw. alternativ eine Erhöhung der von der Terminbörse geforderten Margin nicht geeignet, dem Risiko von unbegrenzten und verpflichtenden Nachschüssen zu begegnen. Eine Höchstgrenze der für Kleinanleger möglichen Hebel würde durch damit einhergehende höhere Margin-Zahlungen das Risiko von Nachschusspflichten zwar reduzieren, aber nicht völlig ausschließen. Bei höherer Volatilität und höherem Einsatz kann die Nachschusspflicht auch bei einem begrenzten Hebel unkalkulierbare Verlustrisiken für den Kleinanleger mit sich bringen. Eine regulatorisch eingeführte Hebelbegrenzung würde darüber hinaus ebenfalls in die Berufsfreiheit der Anbieter eingreifen und Kleinanleger in ihren Anlagemöglichkeiten beschränken. Gleiches gilt auch für eine Erhöhung der Sicherheitsleitung, die bestenfalls das Risiko des Eintritts von Nachschusspflichten verzögert, da ein Sicherheitspuffer hinterlegt ist, auf den zurückgegriffen werden kann. Beide Alternativen sind mithin nicht in gleicher Weise wie die tenorierte Beschränkung geeignet, die produktimmanenten Risiken auszuräumen, welche sich aus der Nachschussverpflichtung ergeben können und zu verhindern, dass Kleinanleger weitaus mehr Geld verlieren können, als diese tatsächlich investiert und für den Handel zur Verfügung haben.

Entgegen der Annahme der Petenten würde auch ein verpflichtendes Margin-Call-Verfahren den Kleinanlegern lediglich die Möglichkeit eröffnen, eine Zwangsschließung durch Einzahlung weiteren Geldes zu vermeiden bzw. zu verzögern, wäre jedoch nicht geeignet, sie vor der Nachschussverpflichtung generell zu bewahren. Im Falle plötzlicher extremer Kursausschläge – insbesondere bei Black-Swan-Ereignissen – ist zudem zu erwarten, dass der Margin-Call regelmäßig ins Leere liefe, da – wenn überhaupt – nur wenige Sekunden Zeit blieben, um zu reagieren und weiteres Kapital bereitzustellen (siehe auch 2.2.5). Gelingt es nicht, die Margin-Anforderungen rechtzeitig zu erfüllen, hat dies die automatische Schließung der Future-Position zur Folge. Diese garantiert jedoch gerade nicht, dass die Verluste des Kleinanlegers auf sein Handelsguthaben beschränkt bleiben.

Eine reine Vermarktungsbeschränkung, beispielsweise in Form eines Verbots der aktiven Vermarktung von Futures, stellt auch kein gleich geeignetes Mittel dar. Futures werden überwiegend im Internet beworben und verkauft, auch grenzüberschreitend. Ein solches Verbot würde sich ausschließlich auf Werbemaßnahmen erstrecken, die den deutschen Kleinanlegermarkt zum Ziel haben. So wären Anbieter weiterhin in der Lage, Demo-Accounts, Werbevideos, Erfolgsberichte etc. in deutscher Sprache im Internet zu verbreiten, indem sie diese beispielsweise (ausschließlich) an österreichische Kleinanleger richten. Insgesamt würde allein eine solche Werbebeschränkung bzw. -untersagung eine nur sehr geringe  anlegerschützende Wirkung entfalten, wenn der Erwerb von Futures für Kleinanleger weiterhin uneingeschränkt zulässig bliebe. Darüber hinaus würde dies nichts an der Nachschussverpflichtung und den daraus resultierenden Risiken für Kleinanleger ändern.

Eine Beschränkung der Maßnahme auf ausschließlich weniger erfahrene Kleinanleger kommt grundsätzlich als mildere Maßnahme in Betracht. Sie wäre jedoch zur Erreichung des verfolgten Zwecks nicht gleich geeignet. Auch Kleinanleger, die bereits über einige Handelserfahrung verfügen, sind den aus der Nachschusspflicht resultierenden unkalkulierbaren Verlustrisiken ausgesetzt. Ereignisse extremer Volatilität können in diskontinuierlichen zeitlichen Abständen vorkommen und damit außerhalb des Erfahrungshorizonts des Kleinanlegers liegen. Der Gesetzgeber hat durch die Kriterien in Art. 4 Abs. 1 Nr. 10 MiFID II in Verbindung mit Anhang II Nr. II.1 MiFID II[37] die Erfahrung, Kenntnis und den Sachverstand von Kunden bereits berücksichtigt und deutlich gemacht, dass eine Einstufung zum professionellen Kunden erst möglich ist, wenn mindestens zwei dieser, die Erfahrungen und Kenntnisse betreffenden Kriterien, erfüllt sind. Es besteht daher kein Anlass, sich über diese gesetzliche Wertung hinwegzusetzen und – wie von Petenten gefordert – eine zusätzliche Unterteilung der Gruppe von Kleinanlegern oder niedrigere Einstufungsschwellen einzuführen.

Die Beschränkung der Maßnahme auf solche Kleinanleger, die natürliche Personen sind, kommt grundsätzlich als mildere Maßnahme in Betracht, ist jedoch entgegen der Annahme einiger Petenten ebenfalls nicht geeignet, den festgestellten erheblichen Anlegerschutzbedenken in gleicher Weise zu begegnen.

Der Gesetzgeber unterscheidet in Art. 4 Abs. 1 Nr. 10 und 11 MiFID II[38] die Kundenkategorien der Kleinanleger bzw. Privatkunden und der professionellen Kunden. Dabei fasst der Gesetzgeber bewusst auch juristische Personen, die bestimmte Kriterien gemäß Anhang II Nr. 1 Abs. 2 MiFID II[39] nicht erfüllen, unter den Begriff der schützenswerten Kleinanleger. Die Allgemeinverfügung umfasst daher auch diese juristischen Personen.

Auch wenn die Haftung des Gesellschafters, beispielweise bei einer GmbH, beschränkt ist, so ist jedoch das Risiko der Insolvenz der Gesellschaft bzw. das Risiko, den das investierte Vermögen übersteigenden Verlust finanziell nicht tragen zu können, gerade bei kleinen Kapitalgesellschaften oder Vereinen deutlich erhöht. Zudem werden solche juristischen Personen, die Futures zu Absicherungszwecken handeln und dadurch bereits im gewissen Umfang selbst geschützt sind, ohnehin durch Ziffer 2. lit. b. des Tenors von der Beschränkung ausgenommen.

Die Beschränkung der Produktinterventionsmaßnahme auf ein Verbot von Future-Short-Geschäften für Kleinanleger in Deutschland stellt entgegen der Forderung einiger Petenten ebenfalls kein milderes Mittel dar. Zwar würde ein solches Verbot ausschließen, dass Kleinanleger bei diesen Geschäften mehr als den Kontraktwert des Futures verlieren und damit nicht uneingeschränkt Verluste erleiden, jedoch wäre der Verlust auch dann nicht auf den investierten und freiwillig eingesetzten Betrag begrenzt. So könnten Kleinanleger mit relativ geringem Einsatz Future-Kontrakte mit hohen Hebeln und damit auch möglichen hohen Kontraktgrößen handeln. Eine Spekulation auf Kredit wäre weiterhin möglich und Kleinanleger könnten auch weiterhin ein Vielfaches ihres investierten Betrages verlieren. Eine reine Beschränkung der Maßnahme auf Short-Geschäfte würde nicht die gleiche Schutzwirkung entfalten wie die tenorierte Beschränkung und ist damit kein gleich geeignetes, milderes Mittel. Gleiches gilt für eine Beschränkung des Verlustes auf den Kontraktwert.

Auch die von Petenten angeregte Beschränkung der Produktinterventionsmaßnahme auf „besonders riskante Futures“ stellt kein gleich geeignetes milderes Mittel dar. Aufgrund des inversen Zusammenhangs zwischen Volatilität bzw. Risiko und Hebel haben weniger riskante Futures in der Regel höhere Hebel. Diese machen es Kleinanlegern möglich, selbst mit geringen finanziellen Mitteln hohe Kontraktwerte zu handeln (Spekulation auf Kredit).

Es ist unbestritten, dass das Risiko von Nachschusspflichten im Future-Handel unabhängig vom jeweiligen Basiswert besteht. So zeigte sich in der Vergangenheit auch, dass relativ volatilitätsarme Basiswerte in Extremsituationen hohen Schwankungen unterlagen und zu Nachschüssen führten. Es ist gerade das charakteristische Merkmal von Black-Swan-Ereignissen, dass diese nicht vorhersehbar oder kalkulierbar sind. Zwar ist eine extreme Kursänderung beispielsweise bei gängigen Indizes unwahrscheinlich, jedoch kann selbst bei für jeden einzelnen Future neu zu bestimmenden weniger riskanten Basiswerten das Risiko von Nachschusspflichten nicht ausgeschlossen werden. Damit wäre eine Beschränkung auf „besonders riskante Futures“ nicht gleich geeignet.

Eine weitreichende Abdeckung des Marktes dahingehend, dass Anbieter aus Anlegerschutzgesichtspunkten den Ausschluss der Nachschusspflichten selbstverpflichtend vorgenommen haben oder den Future-Handel nur für Absicherungszwecke ermöglichen, dadurch den erheblichen Anlegerschutzbedenken Rechnung tragen würden und ein Zurückstellen der Maßnahme rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Dies hat sich auch im Rahmen der öffentlichen Anhörung der Produktinterventionsmaßnahme bestätigt.

Entgegen dem Vorbringen einiger Petenten im Anhörungsverfahren wurde der entscheidungserhebliche Sachverhalt nach Maßgabe des § 24 VwVfG hinreichend aufgeklärt. Die oben beschriebenen erheblichen Anlegerschutzbedenken ergeben sich vorliegend aus produktimmanenten Eigenschaften von Futures. So ist die Möglichkeit von Nachschusspflichten unbestritten. Abgesehen davon ist es beim Future-Handel in der Vergangenheit, wie oben ausgeführt, bereits zu Nachschussverpflichtungen in erheblicher Höhe gegenüber Kleinanlegern gekommen. Auch kann für die Zukunft aufgrund der weiteren Zunahme der Handelsvolumina mit einer steigenden Anzahl an Nachschusspflichten gerechnet werden.

Dies bestätigt auch die Marktuntersuchung der Bundesanstalt: Sowohl die Anzahl an Kleinanleger, die Futures handeln, als auch das von diesen gehandelten Volumen steigt stetig. Zudem rechnen Intermediäre und andere Marktteilnehmer mit einem weiteren Wachstum dieses Marktes für Kleinanleger. Es ist davon auszugehen, dass mit dem Wachstum des Marktes, welches durch die Schaffung neuer Produktausgestaltungen (Mini- bzw. MicroFutures) und Werbeaktivitäten der Intermediäre (Affiliate-Marketing) begünstigt wird, auch der potenzielle durch Nachschusspflichten betroffene Kreis an Kleinanlegern steigt und damit die Anzahl an Nachschussforderungen zukünftig steigen wird.

 

2.6.1.3 Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im engeren Sinne (Angemessenheit)

Die Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland in dem im Tenor genannten Umfang ist auch angemessen.

Sie begegnet den dargelegten erheblichen Anlegerschutzbedenken durch die Ermöglichung eines angemessenen und einheitlichen Schutzniveaus durch garantierte Absicherung der Höhe der Verluste für Kleinanleger, die in Deutschland Futures zu Spekulationszwecken handeln. Sie hat keine nachteiligen Auswirkungen auf die Effizienz der Finanzmärkte, Anbieter, Intermediäre oder auf Anleger, die außer Verhältnis zu ihren Vorteilen stehen.

Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist im Wege einer Gesamtschau eine Abwägung aller betroffenen Interessen vorzunehmen. Insbesondere sind bei dieser Abwägung gemäß Art. 42 Abs. 2 lit. c) MiFIR das Ausmaß und die Wesensart der festgestellten erheblichen Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes, das Kenntnisniveau der betroffenen Anleger oder Marktteilnehmer und das wirtschaftliche Interesse der Adressaten sowie die wahrscheinliche Wirkung der Maßnahme auf Anleger und Marktteilnehmer zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der mit der Maßnahme geschützten Privatanleger ist neben dem Anlegerschutzgedanken auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen eine besondere Bedeutung beimisst. So ist die Bundesanstalt nach § 4 Abs. 1a Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet. Dieser gesetzliche Auftrag ist im Lichte der volkswirtschaftlichen Bedeutung des kollektiven Verbraucherschutzes zu sehen.

Insbesondere aufgrund der Nachschusspflicht besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem zu erwartenden Gewinn und dem Verlustrisiko bei einem unbeschränkten Futures-Handel. Zudem ist die Berechnung der Wertentwicklung bei Futures sehr komplex und entspricht nicht dem typischerweise vorzufindenden Kenntnisniveau von Kleinanlegern.

Das öffentliche Interesse am kollektiven Anlegerschutz und bezüglich der Privatpersonen zusätzlich am kollektiven Verbraucherschutz überwiegt aus den nachfolgenden Gründen das wirtschaftliche Interesse der Intermediäre und der weiteren Marktteilnehmer an der uneingeschränkten Vermarktung, dem uneingeschränkten Vertrieb und dem uneingeschränkten Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland sowie das individuelle Interesse von Kleinanlegern am Erwerb von Futures.

 

2.6.1.3.1 Auswirkungen der Maßnahme auf die Betroffenen

Im Einzelnen:

 

2.6.1.3.1.1 Auswirkungen der Maßnahme auf die Adressaten

Durch die Allgemeinverfügung wird das wirtschaftliche Interesse der Intermediäre an der Vermarktung, dem Vertrieb und dem Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland beeinträchtigt. Insbesondere können Kosten auf Seiten der Intermediäre bei der Umsetzung der Allgemeinverfügung entstehen, wie zum Beispiel IT-Kosten, Beratungskosten sowie Kosten im Zusammenhang mit der Aktualisierung von Geschäftsbedingungen. Zudem ist zu erwarten, dass sich die Intermediäre bei einem Ausschluss der Nachschusspflicht im Vertragsverhältnis mit dem Kleinanleger gegen das in der Höhe der Nachschusspflicht übernommene Marktrisiko absichern werden und dies für die Intermediäre zusätzlich Kosten verursachen könnte. Diese Kosten sind jedoch nicht im beachtlichen Umfang zu erwarten, insbesondere weil davon ausgegangen wird, dass Intermediäre die zusätzlichen Kosten zumindest teilweise an Kleinanleger weitergeben werden. Deshalb müssen die diesbezüglichen Adressateninteressen zurückstehen.

Zudem zeigte die Marktuntersuchung der Bundesanstalt, dass ein Ausschluss der Nachschusspflichten auf Ebene der Geschäftsbeziehung zwischen Kleinanleger und Intermediär durchaus möglich ist und auch ein Angebot von Futures ohne Nachschusspflicht bzw. nur zu Zwecken der Absicherung für Intermediäre weiterhin wirtschaftlich erscheint.

Ferner können Anbietern im Hinblick auf Ziffer 2. lit. b. des Tenors weitere Kosten bei der Umsetzung der Allgemeinverfügung entstehen. So haben Wertpapierfirmen Verfahren einzurichten, die eine Bestätigung des Kleinanlegers zur Durchführung von Absicherungsgeschäften vorsehen. Die mögliche Kostenbelastung für Anbieter aufgrund der Vorgaben der Ziffer 2. lit. b. des Tenors ist jedoch verhältnismäßig, da diese Wertpapierfirmen ermöglicht, weiterhin Futures zu Absicherungszwecken an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland zu vermarkten, vertreiben und zu verkaufen. Die Maßnahme stellt ein milderes Mittel im Vergleich zum vollständigen Verbot dar.

Auch können die von der Beschränkung im Tenor dieser Allgemeinverfügung erfassten Futures weiterhin uneingeschränkt an professionelle Anleger im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Ziffer 10 MiFID II vertrieben werden.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Allgemeinverfügung in Ziffer 2. des Tenors Ausnahmen vorsieht und damit die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland nicht vollständig untersagt ist. Futures können an Kleinanleger in Deutschland weiterhin vermarktet, vertrieben und verkauft werden, wenn Wertpapierfirmen die Nachschusspflicht vertraglich ausschließen oder Kleinanleger gegenüber der Wertpapierfirma bestätigen, dass sie die Futures zu Absicherungszwecken handeln. Eine Umstellung des Geschäftsmodells der Intermediäre ist daher nicht erforderlich, sondern der entstehende Aufwand beschränkt sich auf die Vornahme konzeptioneller, organisatorischer und rechtsgeschäftlicher Anpassungen betreffend Futures in Bezug auf die Kundengruppe der Kleinanleger.

Eine Beschränkung oder ein Verbot von Vermarktung, Vertrieb und Verkauf sind die vom Gesetzgeber in Art. 42 Abs. 1 lit. a) MiFIR vorgesehenen Interventionsmöglichkeiten der Bundesanstalt. Dem Gesetzgeber war bei Einführung dieser Interventionsmöglichkeiten bewusst, dass eine Intervention für betroffene Anbieter wirtschaftlich nachteilige Folgen haben kann. Der Gesetzgeber hat diese möglichen Folgen bewusst zu Gunsten eines besseren Anlegerschutzes in Kauf genommen. Nach der gesetzgeberischen Wertung treten insoweit finanzielle Interessen der Anbieter hinter den Schutzinteressen der Kleinanleger zurück.

Darüber hinaus liegt ein Hauptgrund dafür, dass der Finanzsektor in hohem Maße reguliert ist, darin, dass er übergeordneten Interessen und Zielen dient. Der Gesetzgeber räumt dem Anlegerschutz einen hohen Stellenwert ein. In diesem Zusammenhang wird dem Schutz der Anleger besondere Beachtung gewidmet. Die Vermarktung, der Vertrieb und der Verkauf eines Finanzinstruments sollen nach dieser gesetzgeberischen Wertung nur insoweit möglich sein, als ein Produkt zumindest potenziell in der Lage ist, diesen übergeordneten Interessen und Zielen zu dienen, und dass die Notwendigkeit, ein Mindestmaß an Anlegerschutz zu gewährleisten, durch das Produkt nicht in unverhältnismäßiger Weise gefährdet wird. Mit der Teilnahme am Kapitalmarkt verfolgt der typische Kleinanleger in erster Linie den Zweck der Kapitalbildung. Dieser Prozess stellt sich grundsätzlich als ein Spar- bzw. Investitionsvorgang dar. Finanzinstrumente, denen sowohl ein unkalkulierbares als auch unbegrenztes Verlustpotenzial innewohnt, sind damit grundlegend nicht vereinbar und als anlegerschutzgefährdend anzusehen.

Die oben dargelegten erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz zeigen jedoch deutlich auf, dass für Kleinanleger das Risiko besteht, mehr als ihr investiertes Kapital zu verlieren.

Aus diesen Gründen ist das wirtschaftliche Interesse der Wertpapierfirmen an einer unbeschränkten Vermarktung, einem unbeschränkten Vertrieb und einem unbeschränkten Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland gegenüber dem öffentlichen Interesse am kollektiven Anlegerschutz bzw. bei Privatpersonen zusätzlich am kollektiven Verbraucherschutz als weniger schutzwürdig zu erachten und muss wegen der dargelegten erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz hinter diesem zurückstehen.

 

2.6.1.3.1.2 Auswirkungen der Maßnahme auf andere Marktteilnehmer

Die gegenständliche Maßnahme ist auch im Hinblick auf andere Marktteilnehmer verhältnismäßig.

Die Verfügung betrifft einen begrenzten Adressatenkreis und richtet sich an Wertpapierfirmen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 MiFID II in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II, die Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland vermarkten, vertreiben oder verkaufen. Jedoch können auch weitere Marktteilnehmer zumindest mittelbar von der Produktinterventionsmaßnahme betroffen sein, bei denen es sich nicht um Wertpapierfirmen handelt.

Insbesondere kommen hier die Marktbetreiber und auch Konzepteure von Futures in Betracht. Bislang pflegen die Terminbörsen keine direkte rechtsgeschäftliche Beziehung zu Kleinanlegern, sodass diese nicht gehindert sind, Futures – wie bisher – ihren professionellen Kunden (und geeigneten Gegenparteien) anzubieten. Darüber hinaus macht der Future-Handel von Kleinanlegern, die mittelbar über Intermediäre Futures an Terminbörsen handeln, nur einen Bruchteil des Gesamthandelsvolumens aus, sodass selbst im Falle einer sinkenden Nachfrage nach Future-Kontrakten die wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Beschränkung marginal wären.

Auch etwaige Kosten, welche sich daraus ergeben können, dass die Informations- und Werbematerialien im Hinblick auf die Zielgruppe der Kleinanleger anzupassen wären, fallen im Vergleich zur Bedeutung des durch die gegenständliche Maßnahme geschaffenen einheitlichen Schutzniveaus durch die Begrenzung des Verlustrisikos nicht ausschlaggebend ins Gewicht.

Erhebliche Auswirkungen der Verfügung auf die Finanzbranche als Ganzes können ausgeschlossen werden. Die Interdependenz des Kleinanleger-Marktes für Futures mit anderen Kapitalmärkten und die Auswirkungen auf den Börsenhandel sind gering. Auch unter der Annahme, dass der Future-Markt für Kleinanleger zukünftig weiter wachsen wird, können Auswirkungen der Maßnahme auf andere Märkte ausgeschlossen werden.

Die Bundesanstalt konnte bereits bei dem Verbot von Nachschusspflichten im CFD-Handel mit der Verfügung vom 08.05.2017 erkennen, dass keine solchen Auswirkungen auf den Markt eingetreten sind. Es konnten seit Inkrafttreten der weitestgehend einheitlichen europäischen CFD-Produktinterventionsmaßnahme vom 23.07.2019 weder in Deutschland noch in der EU relevante Auswirkungen auf andere Kapitalmärkte festgestellt werden. Dies ist
auch vorliegend anzunehmen.

Insgesamt überwiegen die Vorteile, die sich aus der Abwendung der festgestellten Anlegerschutzbedenken ergeben, die potenziell negativen Auswirkungen der Maßnahme auf andere Marktteilnehmer.

 

2.6.1.3.1.3 Auswirkung der Maßnahme auf Anleger

Die Auswirkungen der Maßnahme auf Kleinanleger sind verhältnismäßig.

Die Beschränkung betrifft die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland. Zwar ist zu berücksichtigen, dass jeder Kleinanleger unter Berücksichtigung seiner individuellen Lebenssituation und Finanzlage für sich selbst entscheiden muss, ob Futures eine für ihn geeignete Anlage darstellen. Die Verfügung schränkt diese Autonomie ein, weil sie zumindest mittelbar auch den Handlungsspielraum des Kleinanlegers begrenzt. Diese Einschränkung ist jedoch verhältnismäßig, da die Auswirkungen der Verfügung für den Kleinanleger sehr eng begrenzt bleiben.

Futures dürfen weiterhin Kleinanlegern mit Sitz in Deutschland zugänglich gemacht werden, wenn gemäß Ziffer 2. des Tenors Wertpapierfirmen Nachschusspflichten gegenüber Kleinanlegern vertraglich ausschließen oder Kleinanleger Futures zum Zwecke von Absicherungsgeschäften handeln. Zudem betrifft die Allgemeinverfügung nicht solche Futures, die zum Schließen einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Allgemeinverfügung entsprechenden offenen Position erworben werden. Kleinanlegern im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 MiFID II wird somit der Zugang zu Futures nicht komplett versperrt.

Es ist hingegen nicht auszuschließen, dass die Maßnahme zu Modifikationen beim Future-Handel (in weiteren Sinne) führt, da Intermediäre sich erwartungsgemäß gegen das in Höhe der Nachschusspflicht übernommene Marktrisiko absichern werden. Den Intermediären würden als Teil ihres Risikomanagements vor allem laufende Kosten aufgrund zusätzlicher Kapitalanforderungen oder Absicherungsgeschäfte entstehen, welche teilweise an die Anleger weitergegeben werden könnten. Dies kann in manchen Fällen neben der Begrenzung der Auswahl an Basiswerten auch zu einem höheren Mindestguthaben auf dem Handelskonto, einer Hebelbegrenzung oder höheren Produktkosten führen. Insofern könnte die Beschränkung zumindest indirekt Auswirkungen auf Kleinanleger haben. Bereits auf dem Markt angebotene Futures, bei denen eine Nachschusspflicht durch den Intermediär für Kleinanleger vertraglich ausgeschlossen ist, zeigen jedoch, dass das Produkt weiterhin Kleinanlegern zur Verfügung steht und ihre Freiheiten bei der Anlageentscheidung durch die Maßnahme nicht wesentlich eingeschränkt werden. Kleinanleger können also weiter mittelbar am Terminmarkt teilnehmen, ohne unkalkulierbare Verlustrisiken durch die Nachschusspflicht in Kauf nehmen zu müssen.

Eine Produktinterventionsmaßnahme führt allerdings zwangsläufig zu einer gewissen Beschränkung der Anlagemöglichkeiten. Dies entspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers. Der Bundesanstalt sollte durch Art. 42 MiFIR bei Vorliegen erheblicher Bedenken für den Anlegerschutz eine Eingriffsmöglichkeit an die Hand gegeben werden.

Im Übrigen kann sich ein Kleinanleger bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen als professioneller Kunde einstufen lassen und nach der Erlangung dieses Status den Zugang zu unbeschränkten Futures erhalten. Die Einstufung als professioneller Kunde nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 10 MiFID II[40] steht dem Kleinanleger offen, wenn er aufgrund seiner Erfahrungen, Kenntnisse und seines Sachverstandes in der Lage ist, eine Anlageentscheidung zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen zu beurteilen. Eine Änderung der Einstufung kommt nach dem Willen des Gesetzgebers nur in Betracht, wenn mindestens zwei der in Anhang II Nr. II.1 MiFID II[41] genannten Kriterien erfüllt sind. Diese Unterteilung ist sachgerecht, da bei solchen Anlegern vorausgesetzt werden kann, dass diese über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen als auch hinreichend finanzielle Mittel verfügen, um die mit Finanzinstrumenten verbundenen Risiken, insbesondere die Risiken bzw. die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer Nachschusspflicht, angemessen beurteilen und tragen zu können.

Insgesamt überwiegen die Vorteile, die sich aus der Abwendung der festgestellten Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes ergeben, die potenziell
negativen Auswirkungen der Maßnahme für die Anleger.

 

2.6.1.3.2 Angemessenheit in Bezug auf Ziffer 2. des Tenors

Ziffer 2. des Tenors regelt Ausnahmen von dem Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland und trägt damit auch den im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwänden Rechnung.

Auch die Voraussetzungen der Ausnahmen nach Ziffer 2. des Tenors sind angemessen, denn sie sichern einen angemessenen Ausgleich der betroffenen Interessen von Anbietern und einzelnen Kleinanlegern einerseits und dem öffentlichen Interesse am Schutz der kollektiven Anlegerinteressen andererseits.

Aufgrund des Ausschlusses der Nachschusspflicht wird ein einheitliches Schutzniveau für solche Kleinanleger geschaffen, die Futures nicht zu Absicherungszwecken handeln indem der Future-Handel für diese nicht mehr mit existenziellen Risiken verbunden ist. Kleinanleger können weiterhin Futures (mit Nachschussverpflichtung) erwerben, wenn diese Absicherungszwecken dienen. Auch können Kleinanleger Futures weiterhin zu Spekulationszwecken erwerben, wenn die Wertpapierfirma entsprechend eine Nachschusspflicht für den Kleinanleger vertraglich ausschließt. Im Rahmen einer Übergangsregelung (Ziffer 2. lit. c. des Tenors) können Kleinanleger auch Futures mit Nachschusspflichten erwerben, wenn diese ausschließlich dem Schließen einer entsprechenden Future-Position bzw. eines Future-Kontrakts dienen, der bereits vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung eröffnet wurde. Im Einzelnen überwiegt dabei der zu gewährleistende Schutz von Kleinanlegern in ihrer Gesamtheit die Beeinträchtigung der Interessen bei Futures-Anbietern, anderen Marktteilnehmern und einzelnen Kleinanlegern.

Sowohl der vertragliche Ausschluss der Nachschusspflicht als auch das Erfordernis der Bestätigung des Absicherungszweckes der Future-Position zielt insbesondere darauf ab, Kleinanleger vor unbegrenzt und unkalkulierbar hohen Verlusten zu schützen. Das Vorliegen solcher Umstände ist insbesondere dann anzunehmen, wenn es zu einer unvorhergesehenen Kursänderung des Basiswerts kommt, die von einem solchen Ausmaß ist, dass dem Anbieter eine (erfolgsneutrale) Glattstellung der Position nicht mehr möglich ist. Zudem muss das Konto des Kleinanlegers durch die Kursänderung einen Negativsaldo aufweisen, sodass die Kunden nach solchen Ereignissen erheblich mehr schulden, als sie ursprünglich investiert hatten. Dies gilt zudem in besonderem Maße auch bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände (erhebliche Marktschwankungen).

Im Einzelnen:

 

2.6.1.3.2.1 Vertraglicher Ausschluss der Nachschusspflicht

Mit einem vertraglichen Ausschluss der Nachschusspflicht nach Ziffer 2. lit. a. des Tenors soll gewährleistet werden, dass die maximalen Verluste, die einem Kleinanleger aus dem spekulativen Handel mit Futures entstehen, samt aller damit verbundenen Kosten auf den Gesamtbetrag der mit dem Future-Handel verbundenen Gelder auf dem Future-Handelskonto des Kleinanlegers begrenzt werden. Einem Kleinanleger, der nicht ein reales Basisgeschäft absichert, dürfen im Zusammenhang mit seinem spekulativen Future-Handel keine zusätzlichen Verbindlichkeiten entstehen, da sich daraus ein erheblicher Anlegernachteil ergäbe. Eine solche Situation ist für Kleinanleger ohne nennenswertes liquides Vermögen besonders nachteilig.

Einem Kleinanleger dürfen im Zusammenhang mit seinem Future-Handel keine zusätzlichen Verbindlichkeiten entstehen. Andere Konten dürfen nicht Teil des gefährdeten Anlegerkapitals sein. Falls ein Handelskonto auch andere Finanzinstrumente umfasst (beispielsweise CFD oder Optionen), sind nur die Gelder des Kleinanlegers gefährdet, die ausdrücklich dem Future-Handel zugeordnet sind und nicht die Gelder für den Handel mit anderen Finanzinstrumenten.

Insoweit bietet die Maßnahme das erforderliche Maß an Schutz für Kleinanleger vor potenziellen Verlusten, die ihr „sonstiges Vermögen“ übersteigen, insbesondere in Zeiten erheblicher Marktschwankungen.

Der vertragliche Ausschluss der Nachschusspflicht auf Ebene des Intermediärs schützt den Kleinanleger unmittelbar vor Nachschusspflichten. Kleinanleger können bei einem vertraglichen Ausschluss der Nachschusspflicht durch die Wertpapierfirma weiterhin Futures handeln. Ein solcher Ausschluss stellt sicher, dass Kleinanlegern keine Nachschusspflichten im Zusammenhang mit dem Future-Handel entstehen können, wendet die festgestellten erheblichen Bedenken für den Anlegerschutz ab und ist verhältnismäßig.

 

2.6.1.3.2.2 Ausnahme für Absicherungsgeschäfte von Kleinanlegern

Mit der Bestätigung des Kleinanlegers, dass der Future zu Absicherungszwecken erworben wird, soll sichergestellt werden, dass Kleinanleger, welche angeben, bereits selbst hinreichend geschützt zu sein, da sie negative korrelierende Werte (Finanzinstrumente, Rohstoffe) besitzen, Futures weiterhin ohne zusätzliches „Auffangnetz“ handeln können. Werden Futures zu Zwecken der Absicherung gehandelt (Hedging), besteht das aus der Nachschusspflicht resultierende Risiko nicht in gleichem Maße. So ist davon auszugehen, dass Verluste aus dem Future-Geschäft bzw. auch Nachschussforderungen, durch entsprechende Gewinne bzw. Erlöse aus dem Basisgeschäft ausgeglichen werden.

Erst eine Bestätigung des Kleinanlegers ermöglicht es den Wertpapierfirmen, eine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, ob der Kleinanleger nur mit einem höheren Schutzniveau Futures erwerben darf oder ob auf den Ausschluss der Nachschussverpflichtung im konkreten Einzelfall verzichtet werden kann.

Diese Bestätigung könnte beispielhaft nach folgendem Muster ausgestaltet und bei elektronischer Ordererteilung in die Order-Maske des Intermediärs integriert sein:

„Hiermit versichere ich, dass dieses Future-Geschäft ausschließlich zu Zwecken der Absicherung (Hedging) durchgeführt wird und ich das Risiko von Nachschusspflichten trage.“

Der Kleinanleger hätte diesen Hinweis dann nur mit einem Klick in der elektronischen Order-Maske zu bestätigen. Bei telefonischer Orderaufgabe könnte der Kleinanleger den Absicherungszweck mündlich bestätigen, sofern die Bestätigung nicht auf anderer Weise vor Abschluss des Geschäfts erfolgt ist. Diese Ausnahme von der Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs ermöglicht es Kleinanlegern, weiterhin wie bisher Absicherungsgeschäfte mit Futures durchzuführen.

Sollte die Bestätigung nicht erfolgen, dürfen Futures – sofern die Wertpapierfirma nicht alternativ eine Nachschusspflicht vertraglich ausgeschlossen hat – nicht an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland vermarktet, vertrieben oder verkauft werden.

Auch die Bedingungen der Ausnahme nach Ziffer 2. lit. b. des Tenors sind somit verhältnismäßig, denn sie sichern einen angemessenen Ausgleich der betroffenen Interessen von Anbietern und Kleinanlegern einerseits und dem öffentlichen Interesse am Schutz der kollektiven Anlegerinteressen andererseits.

 

2.6.1.3.2.3 Ausnahme für die Schließung offener Future-Positionen

Mit der Ausnahme in Ziffer 2. lit. c. des Tenors sind solche Future-Geschäfte von dem Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland ausgenommen, die ausschließlich für die Zwecke der Abwicklung einer bestehenden und vor Inkrafttreten dieser Allgemeinverfügung eröffneten Future-Positionen erworben werden.

Mit dieser Ausnahme wird gewährleistet, dass auch nach Beendigung der dreimonatigen Übergangszeit Kleinanleger die Möglichkeit haben, offene Future-Positionen über ein entsprechendes Gegengeschäft zu schließen. Die Ausnahme gilt jedoch nur für solche Future-Positionen, die von Kleinanlegern vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung eröffnet wurden.

Diese Ausnahme ist verhältnismäßig. Denn sie berücksichtigt das Interesse von Kleinanlegern an der Abwicklung bereits vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung eröffneter Future-Positionen und vermeidet negative Folgen, die dadurch entstehen könnten, dass Kleinanleger diese gegebenenfalls nicht mehr mit einem entsprechenden Gegengeschäft schließen können.

 

2.6.2 Adressatenauswahl

Die Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland wird in Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG angeordnet.

Adressaten der Verfügung sind sowohl Wertpapierfirmen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 MiFID II in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II, die ihren Sitz in Deutschland haben und Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland vermarkten, vertreiben oder verkaufen oder dies zukünftig beabsichtigen, als auch solche, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des EWR haben und Futures an Kleinanleger mit Sitz in Deutschland vermarkten, vertreiben oder verkaufen oder dies zukünftig beabsichtigen.

Die Beschränkung gilt damit nicht für Wertpapierfirmen, die ihren Sitz in Deutschland haben und Futures an Kleinanleger ausschließlich in anderen Mitgliedstaaten des EWR vermarkten, vertreiben oder verkaufen.

Von der Beschränkung ebenfalls nicht umfasst sind Marktbetreiber bzw. Konzepteure von Futures. Diese fallen zwar in den Anwendungsbereich von MiFID II und MiFIR und könnten mithin auch Adressat einer Produktinterventionsmaßnahme nach Art. 42 MiFIR sein. Vorrangig sind jedoch die Intermediäre als Adressaten auszuwählen, da nur diese der Kundengruppe der vorliegend zu schützenden Kleinanleger den Zugang zum Future-Handel im Rahmen des Finanzkommissionsgeschäfts ermöglichen und allein durch die Beschränkung der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures gegenüber den Wertpapierfirmen das Regelungsziel erreicht wird. Damit ist der Erlass der tenorierten Maßnahme gegenüber den Wertpapierfirmen die effizienteste Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Schutzniveaus im Hinblick auf den Future-Handel von Kleinanlegern mit Sitz in Deutschland.

Die Allgemeinverfügung richtet sich an einen bestimmbaren, jedoch zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme objektiv nicht feststehenden Adressatenkreis. Zwar sind der Bundesanstalt mehrheitlich die in Deutschland ansässigen Intermediäre bereits aus der Marktuntersuchung bzw. dem Anhörungsverfahren bekannt, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Kreis zwischenzeitlich erweitert hat, zukünftig erweitern wird und weitere Intermediäre Kleinanlegern Futures anbieten bzw. diese an ihre Kunden im Rahmen des Finanzkommissionsgeschäfts vertreiben. Dies trifft insbesondere auf ausländische Wertpapierfirmen zu, die grenzüberschreitend im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs im EWR Futures an Kleinanleger vermarkten, vertreiben oder verkaufen.

Nur so wird ein einheitliches Schutzniveau für Kleinanleger mit Sitz in Deutschland gewährleistet. Kleinanleger mit Sitz in Deutschland können – unabhängig von der Herkunft des Anbieters und Aufnahme der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Futures – keine Futures mit Nachschusspflichten zu Spekulationszwecken in Deutschland erwerben.

 

2.7 Umsetzungsfrist

In Ziffer 1. des Tenors ist eine Umsetzungsfrist von drei Monaten nach Erlass der Maßnahme festgelegt. Diese Frist ist angemessen.

Unter Berücksichtigung einer gegebenenfalls notwendigen Anpassung der Geschäftsmodelle von Intermediären bzw. der Geschäftsbedingungen an die hier gegenständliche Beschränkung, ist ein Übergangszeitraum geboten. Unter Abwägung zwischen den Interessen der Anbieter und dem Anlegerschutz ist die gewählte Frist auch angemessen. Binnen drei Monaten nach Bekanntgabe der Allgemeinverfügung ist es den Adressaten zumutbar, die Verpflichtung der Allgemeinverfügung umzusetzen.

Die oben genannte Frist läuft auch dem Zweck der Maßnahme nicht zuwider. Vielmehr soll dadurch den Adressaten die Möglichkeit gegeben werden, ihre Geschäftsmodelle und Geschäftsbedingungen an die vorgesehene Beschränkung anzupassen.

 

2.8 Begründung des Widerrufsvorbehalts

Ich behalte mir den Widerruf insbesondere vor, um im Falle der Regulierung von Futures auf europäischer Ebene verhindern zu können, dass diese Produktinterventionsmaßnahme einer einheitlichen, europäischen Regulierung von Futures entgegensteht. Darüber hinaus soll durch den Widerrufsvorbehalt auf eine Veränderung der Marktlage reagiert werden können.

Hinweise: 

Nach § 15 Abs. 2 WpHG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Art. 42 MiFIR keine aufschiebende Wirkung.

Nach § 120 Abs. 2 Nr. 2b WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig einer vollziehbaren Anordnung nach Art. 42 Abs. 1 MiFIR zuwiderhandelt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Widerspruch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn oder Frankfurt am Main erhoben werden.

Dr. Thorsten Pötzsch

 

Fußnoten:

1) Vgl. Grill, W.; Perczynski, H., Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 2021, S. 353.
2) Vgl. Grill, W.; Perczynski, H., Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 2021, S. 357.
3) Vgl. Grill, W.; Perczynski, H., Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 2021, S. 354.
4) Vgl. Grill, W.; Perczynski, H., Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 2021, S. 357.
5) Vgl. Hull, J., Optionen, Futures und andere Derivate, 2019, S. 31 f.
6) Vgl. Bösch, M., Derivate – Verstehen, anwenden und bewerten, 2020, S. 178.
7) Anmerkung: Kleinanlegern ist der direkte Handel an den Terminbörsen verwehrt. Grundsätzlich werden nur institutionelle Anleger als Clearing Member bzw. Non-Clearing Member als Handelsteilnehmer einer Terminbörse zugelassen.
8) Vgl. Hull, J., Optionen, Futures und andere Derivate, 2019, S. 58.
9) Vgl. Möhl, E., Optionen und Futures, 2002, S. 33.
10) Vgl. Hull, J., Optionen, Futures und andere Derivate, 2019, S. 58.
11) Vgl. EUREX, https://www.eurexchange.com/exchange-de/handel/boersenmitgliedschaft, Abruf: 26.09.2022.
12) Anmerkung: Mini- oder Micro-Future-Kontrakte werden von einigen Terminbörsen angeboten.
13) Vgl. Hull, J., Optionen, Futures und andere Derivate, 2019, S. 55.
14) Anmerkung: Dabei ist zu beachten, dass es sich im Gegensatz zu diesen Mini-Kontrakten bei von anderen Marktteilnehmern angebotenen sogenannten “Mini-Futures” nicht um Futures, sondern um Hebel-Zertifikate und damit um Inhaberschuldverschreibungen handelt.
15) Vgl. EUREX, https://www.eurex.com/ex-de/maerkte/idx/mini-dax, Abruf: 26.09.2022.
16) Vgl. Grill, W.; Perczynski, H., Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 2021, S. 359.
17) Angelehnt an: https://www.eurex.com/ex-de/maerkte/idx/mini-dax.
18) Vgl. https://www.eurex.com/ex-de/maerkte/idx/dax/Micro-DAX-Futures-2627906, Abruf: 26.09.2022.
19) Anmerkung: Im Verhältnis zum Kontraktgegenwert bleibt die Margin (hier mit 7,8 %) gleich.
20) Anmerkung: Intermediäre, die sich auf Absicherungsgeschäfte insbesondere für den landwirtschaftlichen Bereich spezialisiert haben, waren nicht Teil der durchgeführten Marktuntersuchung.
21) Anmerkung: Zudem wurden teilweise von den Anbietern weitere Informationen zu Nachschusspflichten zwischen Januar 2018 und Juni 2021 eingeholt.
22) Anmerkung: Bezogen auf einzelne Positionen, keine Portfolio-Betrachtung. Keine Unterscheidung hinsichtlich des Anlagemotives.
23) Anmerkung: Summe der vier im Rahmen der Marktuntersuchung abgefragten Quartale bei den betreffenden Intermediären, nicht Handelsvolumen des Gesamtmarktes.
24) Anmerkung: Die Analyse umfasste ausschließlich Future-Kontrakte, die an der EUREX gehandelt wurden.
25) Anmerkung: Die Art. 26-Meldedaten unterscheiden dabei nicht zwischen „Kleinanlegern“ und „professionellen“ Anlegern im Sinne der MiFID II.
26) Anmerkung: National umgesetzt in § 2 Abs. 9 Nr. 2 WpHG.
27) Anmerkung: National umgesetzt in § 63 Abs. 1, 6 und 7 WpHG
28) Anmerkung: National umgesetzt in § 64 Abs. 3 WpHG.
29) Anmerkung: National umgesetzt in § 63 Abs. 10 WpHG.
30) Anmerkung: National umgesetzt in § 63 Abs. 10 Satz 1 WpHG.
31) Anmerkung: National umgesetzt in § 63 Abs. 10 Satz 3 WpHG.
32) Anmerkung: National umgesetzt in § 63 Abs. 10 Satz 3 und 4 WpHG.
33) Anmerkung: National umgesetzt in § 63 Abs. 4 und 5 WpHG.
34) Anmerkung: National umgesetzt in § 80 Abs. 9 WpHG.
35) Anmerkung: National umgesetzt in § 81 Abs. 4 WpHG und §§ 11 und 12 WpDVerOV.
36) Vgl. BT 5.4.1 des Rundschreibens 05/2018 (WA) Mindestanforderungen an die ComplianceFunktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp.
37) Anmerkung: National umgesetzt in § 67 Abs. 6 Nr. 1 und 3 WpHG.
38) Anmerkung: National umgesetzt in § 67 WpHG.
39) Anmerkung: National umgesetzt in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WpHG.
40) Anmerkung: National umgesetzt in § 67 Abs. 6 WpHG.
41) Anmerkung: National umgesetzt in § 67 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 WpHG.

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