Rebalancing: oft unterschätzt, oft vernachlässigt
Quirin Privatbank: Ein Wertpapierportfolio sollte möglichst breit gestreut sein und sich aus unterschiedlichen Anlageklassen zusammensetzen (vorrangig aus Aktien und Anleihen).
Zudem sollte die Depotstruktur die persönliche Risikoneigung sowie Renditeerwartung des jeweiligen Anlegers widerspiegeln und die individuellen Anlageziele berücksichtigen.
Bei einem hohen Aktienanteil müssen Anleger grundsätzlich mit höheren Kursschwankungen rechnen und folglich risikofreudiger sein.
Ein eher konservatives Portfolio besteht hingegen vorzugsweise aus Anleihen.
Was die Sache erschwert: An den Börsen steigen und fallen Aktien- und Anleihekurse nahezu täglich.
Damit einher geht auch eine mehr oder weniger starke Veränderung der in einem Portfolio befindlichen Wertpapiere.
Die Gewichte zwischen den Anlageklassen verschieben sich dabei ungewollt.
Folge: Je nachdem, wie ausgeprägt einzelne Kursveränderungen ausfallen, kann aus einem konservativen Portfolio (durch einen kräftigen Anstieg der Aktienkurse) ein offensiveres Depot werden.
Rebalancing: Regelmäßige Depotanpassung für optimales Risiko-Rendite-Verhältnis
Damit kommt auch das Verhältnis von erwartbarer Rendite und erwartbarem Risiko wieder in eine Balance.
Und zwar in diejenige Balance, für die sich der Anleger vorab ganz bewusst entschieden hat.
Das ist von entscheidender Bedeutung, damit die gewählte Strategie weiterhin den persönlichen Bedürfnissen entspricht.
Die regelmäßige Justierung des Depots gehört somit zum Standardrepertoire eines umsichtigen Portfoliomanagements.
Ein Rebalancing sollte zumindest einmal im Jahr erfolgen, bei stärkeren Kursveränderungen an Aktien- und Anleihemärkten sind auch mehrere Neugewichtungen im Jahresverlauf empfehlenswert.
Das turnusmäßige jährliche Rebalancing im Rahmen der unterschiedlichen Strategien unserer Vermögensverwaltungen ist übrigens aktuell in vollem Gange.
Wie funktioniert Rebalancing konkret?
Bleiben wir beim erwähnten Beispiel eines Depots mit einem 60%igen Aktien- und einem 40%igen Anleiheanteil (abgebildet via ETFs).
Mit dieser Aufteilung geht das Depot an den Start. Unterstellen wir des Weiteren, dass sich die Aktienmärkte seit Depotstart in den nachfolgenden 12 Monaten sehr erfreulich entwickeln und die Anleihemärkte schwächeln.
Das führt im Ergebnis zu einer überproportionalen Wertsteigerung des Aktienanteils (und Erhöhung der entsprechenden Depotgewichtung) im Vergleich zur Anleiheseite.
In der nachfolgenden Grafik nehmen wir an, dass das Aktiengewicht durch kräftige Kursanstiege nach einem Jahr von ursprünglich 60% auf 75% anschwillt und der Anleiheanteil im Gegenzug auf 25% abschmilzt.
Konsequenz: Das Risikoprofil passt jetzt nur noch sehr bedingt. An dieser Stelle hilft nun das Rebalancing.
Es korrigiert diese Unwucht und stellt das ursprünglich gewählte Risikoprofil (60/40) wieder her.
Dies geschieht – vereinfacht gesagt – dadurch, dass Aktienanteile verkauft und Anleiheanteile gekauft werden.
Warum Rebalancing so wichtig ist
Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Die Aktienpositionen (hier in Form von Aktien-ETFs) hätten ohne dieses Vorgehen durch ihre überdurchschnittlich gute Entwicklung ihren Anteil im Portfolio deutlich vergrößert.
Verlieren Aktien dann durch bestimmte Umstände plötzlich kräftiger an Wert, hätte dies einen größeren negativen Effekt auf das Gesamtportfolio, als das die individuelle strategische Ausrichtung des Anlegers eigentlich vorsah.
Wer auf eine Anpassung des Portfolios verzichtet, geht somit möglicherweise unbewusst und ungewollt ein höheres Risiko ein.
Entscheidend beim Rebalancing ist, dass Umfang und Zeitpunkt der Ausgleichstransaktionen nicht willkürlich aufgrund höchst unsicherer Prognosen erfolgen, sondern anhand fester und disziplinierender Kriterien.
Prognosen bzw. kurzfristige Markteinschätzungen dürfen bei diesem Vorgehen keine Rolle spielen. Rebalancing sollte somit nicht mit Markt-Timing verwechselt werden.
Es gibt keine verlässliche Methodik, um den richtigen Ein- oder Ausstiegszeitpunkt exakt festzustellen.
Aus diesem Grund sollte ein regelmäßiges Neubewerten und Umschichten nach einer fest definierten Regel erfolgen und automatisch ausgeführt werden.
So praktizieren wir es auch in unserer Vermögensverwaltung.
Durch Rebalancing antizyklisch handeln
Wie erläutert, führt das turnusmäßig durchgeführte Rebalancing zu einem disziplinierten Verkauf von Wertpapieren nach (teils spürbaren) Kursanstiegen und zu einem Zukauf von Wertpapieren nach (teils deutlichen) Kursverlusten.
Es wird somit antizyklisch gehandelt oder, um es vereinfacht auszudrücken: Es wird teuer verkauft und billig gekauft.
Stichwort: teuer verkauft – im oben genannten Beispiel wäre das Portfolio ohne Rebalancing nach dem sehr erfolgreichen Aktienjahr spürbar erhöhten Risiken ausgesetzt.
Würde dem starken Anstieg anschließend eine starke Aktienkurskorrektur um 25% folgen, hätte dies erhebliche Verluste zur Folge.
Hätte man aber die Aktienquote per Rebalancing rechtzeitig von 75% auf 60% zurückgestellt, wäre der Verlust zwar immer noch schmerzhaft, aber eben geringer als im ersten Fall.
Auch auf den Zeitraum, der für die komplette Aufholung von zwischenzeitlichen Kursverlusten benötigt wird, wirkt sich Rebalancing oft positiv aus.
Langfristige Renditevorteile sind durch Rebalancing ebenfalls möglich – gerade, wenn in schwachen Aktienmarktjahren antizyklisch nachgekauft wird.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es durchaus Marktphasen geben kann, in denen ein Portfolio ohne Rebalancing-Strategie besser läuft als mit Wertschwankungsausgleich.
Diese Phasen vorauszusehen, ist aber unmöglich – und setzt die Inkaufnahme erhöhter Risiken voraus.
Vielfältige Hindernisse bei der praktischen Umsetzung des Rebalancings in Eigenregie
Die Gründe für diese „Trägheit“ sind vielfältig und teilweise auch gut nachvollziehbar:
- Bequemlichkeit
- Unwissenheit darüber, wie genau sich die Gewichte (zwischen Aktien und Anleihen) im Depot verschoben haben
- Unkenntnis darüber, welche Wertpapiere in welcher Größenordnung verkauft/gekauft werden müssen, um die Ursprungsgewichtung wiederherzustellen
- Psychologische Fallstricke beim antizyklischen Umschichten: „Warum soll ich ausgerechnet jetzt Aktien verkaufen, wo sie doch gerade so gut laufen?“
- Vergleichsweise hohe Kosten (Mindestgebühren), weil meist etliche kleinteilige Wertpapiertransaktionen in die Wege geleitet werden müssen – und das Jahr für Jahr
Im Rahmen einer rational agierenden Vermögensverwaltung stellen sich diese Probleme nicht.
Die Umschichtungen werden diszipliniert, konsequent und meist ohne spürbare Zusatzkosten durchgeführt.
Und es werden nicht nur turnusmäßig einmal jährlich stattfindende Rebalancings durchgeführt, sondern gegebenenfalls auch außerplanmäßige, wenn sich unterjährig die Gewichtungen zwischen Aktien und Anleihen stärker verschieben.
Auch hierfür gibt es dann genau festgelegte und transparente Regeln.
Fazit
Auch wenn regelmäßiges Rebalancing mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, erfüllt es wichtige Funktionen, auf die niemand verzichten sollte.
Das langfristige konsequente Befolgen einer bewusst gewählten Strategie wird durch Rebalancing wesentlich erleichtert.
Damit ist es ein effektives Instrument, mit dem Anleger das Risiko im Zielrahmen halten können.
Diese Form der Risikokontrolle ist ein wesentlicher Grund, der für ein Rebalancing des Portfolios spricht.
Besonders effizient lassen sich die Herausforderungen rund um das Rebalancing im Rahmen einer Vermögensverwaltung meistern.
Hier erfolgt das Rebalancing diszipliniert und kostengünstig.
Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank
Themen im Artikel
Infos über Quirin Privatbank AG
Die Quirin Privatbank AG wurde 2006 als erste Honorarberaterbank in Deutschland gegründet – mit der Mission, die Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Die Bank ist Spezialist für professionelle, individuelle Vermögensverwaltung und einen langfristigen Vermögensaufbau.
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