Sind die Börsen auf dem Konjunkturauge blind?

Baader BankDie fulminante Aktie-Rallye basiert vor allem auf der Zinswende der weltweiten Notenbanken, die sich auch in fallenden Anleiherenditen offenbart.

Die Wehrkraft von Zinspapieren gegenüber Aktien wird schwächer.

Allerdings zeigt sich das zweite Aktienstandbein, die Konjunktur, schwach.

Droht den Börsen bald fundamentale Katerstimmung?

 

Geldpolitik – Der Freund und Helfer der Aktienmärkte

Da der Geist der offiziellen Inflation wieder in der Flasche ist, haben dieses Jahr bislang 52 Notenbanken ihre Zinsen insgesamt 130-mal gesenkt.

 

 

Dies schwächt die relative Attraktivität von geldmarktnahen Anlagen zu Aktien, da Zinsanbieter jede Zinssenkung unverzüglich an die Kundschaft weitergeben.

Diese Entwicklung strahlt positiv auf Staatsanleihen aus. Deren Schwankungsbreite ist rückläufig, was den Aktien „über Bande“ zugutekommt.

 

 

 

 

Die Weltwirtschaft steht vor der Wende nach oben

Doch werden die Zinsimpulse die konjunkturellen Auftriebskräfte stimulieren.

Immerhin haben in Asien und in den USA Überraschungen der Konjunkturdaten gegenüber „Unterraschungen“ bereits an Boden gewonnen.

Diese Entwicklung ist in Europa noch nicht festzustellen.

 

 

China will seiner Konjunkturkrise entkommen.

So kündigt die KP mit viel verbalem „Schmackes“ an, die Privatwirtschaft zu retten, den Immobiliensektor vor einem weiteren Einbruch zu bewahren und die Aktienmärkte anzukurbeln.

Offensichtlich geht es Peking u.a. um Kapitalspritzen für Banken und sogar Helikoptergeld zum Kaltstart des Konsums.

Noch fehlen jedoch konkrete Details zu fiskalischen Muntermachern, der „Wumms“, um den aktuellen Börsenfantasien realwirtschaftliche Substanz zu geben.

Davon profitierten nicht zuletzt europäische Exportwerte.

Immerhin, die People’s Bank of China hat das aggressivste Maßnahmenpaket seit der Corona-Pandemie verkündet.

Die Senkung wichtiger Zinssätze – u.a. Mindestreservesatz auf 9,5 nach 10, kurzfristige Geldmarktzinsen auf 1,5 nach 1,7 Prozent – sowie Zahlungserleichterungen auf bestehende und Neu-Hypotheken bei ebenso gesenkter Mindestanzahlungsrate (15 nach zuvor 25 Prozent) für Zweitimmobilien sollen die langersehnte Stabilisierung im kriselnden Immobiliensektor herbeiführen.

Zugleich will die People’s Bank of China mit Liquiditätsspritzen von umgerechnet rund 113 Mrd. US-Dollar Broker, Versicherungen und Fonds beim Kauf von Aktien „unterstützen“.

Offensichtlich verspricht man sich davon einen positiven Vermögenseffekt, der die Konsumlaune der Chinesen hebt.

Allerdings fragen sich Anleger, wie lange diese geldpolitische Börsenaufhellung anhalten wird, wo doch Peking den Aktienmarkt oft genug als dem Wohl des Volkes schädigend verunglimpft hat.

Tatsächlich sind die aktienstimulierenden Maßnahmen im Frühjahr schnell wieder in sich zusammengefallen.

Überhaupt, um eine gesunde, nicht Strohfeuer-hafte konjunkturelle Aufhellung in der Industrie zu bewirken, der dann auch eine länger andauernde Rallye an der Shanghaier Börse folgt, muss die KP aber mehr Markt- und weniger Planwirtschaft wagen.

 

 

Die US-Wirtschaft wird ihren robusten Wachstumskurs laut GDPNow-Schätzung der Atlanta Fed im III. Quartal 2024 mit 2,9 Prozent nach zuvor 3,0 zunächst beibehalten.

Zwar deuten Frühindikatoren an, dass sie im Winterhalbjahr wegen industrieller Schwäche einen Gang herunterschaltet.

Doch aufgrund geldpolitischer Unterstützung wird sie wohl auf dem soft landing-Kurs bleiben.

Und egal, ob im Weißen Haus demnächst eine Präsidentin oder ein Präsident sitzt, die Reindustrialisierung Amerikas wird so oder so vorangetrieben.

Im Gegensatz dazu kann in der Eurozone von wirtschaftlicher Stärke nicht die Rede sein.

An dieser Stelle viele Grüße nach Brüssel und Berlin.

 

Grafik der Woche

 

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in der Rezession.

Die gravierenden Strukturprobleme, die sich durch eine „suboptimale“ Politik in den vergangenen Jahren noch zugespitzt haben, schlagen voll durch. Symptomatisch für die „Germanosklerose“ ist der Zustand der deutschen Automobilindustrie, insbesondere im Massenmarkt.

Neue Fördermaßnahmen sind nur die Schminke, die die fundamentalen Probleme dahinter überdecken soll.

Ein marktwirtschaftlicher Ruck an allen Ecken und Enden muss her, was aber eine in sich zerstrittene Ampelkoalition kaum herbeiführen kann.

 

 

Um Rezessionsrisiken abzufedern, wird die EZB im Oktober und Dezember erneut Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte vornehmen.

Im nächsten Jahr werden sich die Zinserleichterungen fortsetzen, die selbst den deutschen Konjunkturschmerz lindern.

Überhaupt, deutsche Unternehmen sind weltweit in puncto Produktion und Absatz hervorragend diversifiziert und werden Standortverlagerungen weiter vorantreiben, so dass sie von nüchternen deutschen, aber auch europäischen Rahmenbedingungen immer weniger betroffen sind.

 

 

Marktlage – Noch schwächelt die Weltkonjunktur, aber Börse bezahlt Zukunft

Setzt man Wirtschafts- und Inflationstrend zueinander in Beziehung, ergibt sich anhand der vier Phasen des Konjunkturzyklus eine zugegebenermaßen idealtypische Investment-Uhr.

Diese dient Anlegern als Entscheidungshilfe, zu welcher „Uhrzeit“ welche Anlageklasse zu favorisieren ist.

Dabei erreicht die Konjunktur in der Boom-Phase zwischen 12 und 3 Uhr ihren Höhepunkt mit deutlich ansteigenden Unternehmensgewinnen.

Mit verbesserten Fundamentalqualitäten sind Aktien das bevorzugte Investment.

Mit zunehmender Inflation setzen die Notenbanken anschließend auf restriktive Geldpolitik, was die Abschwungphase einleitet.

Wegen steigender Kurzfristzinsen ist zwischen 3 und 6 Uhr die Zeit für Festgelder und Geldmarktfonds gekommen.

Schließlich geben in der Rezessionsphase zwischen 6 und 9 Uhr Konjunktur und Inflation nach, was über sinkende Renditen Anleihen Kursgewinne beschert.

Um einen Wirtschaftsaufschwung einzuleiten, greifen nachfolgend die Notenbanken mit Zinssenkungen von 9 bis 12 Uhr ein, was Aktien profitieren lässt.

 

 

Aktuell befinden wir uns gemäß Anlage-Uhr zwischen Rezessions- und Aufschwungphase.

Im Rahmen des Abstiegs vom Zinsgipfel sind die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen bereits ein Stück heruntergekommen.

Ein Teil des potenziellen Kurshebels, der vor allem bei längeren Laufzeiten zum Tragen kommt, ist damit bereits verfrühstückt.

Vor allem aber sind angesichts internationaler Zinsstimulierung Aktien in Erwartung wiedererstarkender Konjunkturdaten die primär nachgefragte Anlageklasse.

Konkret sind Zykliker wie Industriewerte u.a. aus den Bereichen Elektrotechnik und Transport attraktiv.

Typischerweise profitieren insbesondere Aktien aus der zweiten und dritten zyklischen Reihe – small und midcaps – von günstigeren Refinanzierungsbedingungen und zeigen sich auch bereits erholt.

Banken profitieren von einer gesteigerten Rentabilität und Aktienrückkäufen.

Und zwischenzeitliche Rücksetzer, die die hohe Bewertung entspannen, sollten auch für Engagements bei Technologie-Titeln genutzt werden.

 

 

Zacks Investment Research erwartet im Rahmen der US-Berichtssaison für das III. Quartal 2024 zwar noch eine leichte Gewinndelle.

Doch nachdem Analysten ihre Erwartungen im Vorfeld stark reduziert haben, liegt die Hürde so niedrig, dass kaum Enttäuschungs-, dafür aber Überraschungspotenzial für Unternehmen und ihre Aktienkurse vorhanden ist.

Besonderes Augenmerk ist auf die Ausblicke gerichtet, die sich unter dem Strich aufhellen werden.

Perspektivisch arbeiten sich die Gewinne im Winterhalbjahr schließlich wieder deutlich in den unteren zweistelligen Wachstumsbereich vor.

In den darauffolgenden Quartalen geht es im Einklang mit einer besseren Weltkonjunktur weiter nach oben.

 

 

Branchenseitig zeigt sich ein gemischtes Gewinnbild.

Bei Energie, Grundstoffen und Transport werden Rückgänge erwartet.

Finanztitel hingegen dürften überzeugen.

Tech-Werte – sie tragen ein Drittel zum Gewinnwachstum im S&P 500 bei – bleiben aufgrund ihres intakten Geschäftsmodells zwar im Wachstumsmodus, der sich jedoch langsam auf hohem Niveau verstetigt.

Neuralgischer Punkt bleiben Ausblicke zum Thema Künstliche Intelligenz.

Hier dürften auch nur geringste Enttäuschungen zu Negativ-Reaktionen führen, die anschließend aber schnell wieder ausgebügelt werden.

 

Sentiment und Charttechnik DAX – Was kommt nach der Marke von 19.000?

Aus Sentimentsicht zeigen die spekulativen Netto-Long-Positionen am US-Aktienmarkt wieder eine deutliche Risikobereitschaft an, die jedoch Raum für Korrekturen lässt.

 

 

Vor allem in der Eurozone ist die Absicherung gegen fallende Kurse eher gering, so dass Rücksetzer die optimistischen Anleger auf dem falschen Fuß erwischen und für zwischenzeitlich ruckartig Kursrücksetzer sorgen könnten.

 

 

Längere Moll-Stimmung kommt aber nicht auf.

Im Trend ist die DAX-Volatilität zwar leicht gestiegen, aber kaum mit Sorge zu betrachten.

 

 

Insgesamt sind die Zutaten für eine Fortsetzung des positiven Aktientrends intakt.

Daher bieten zwischenzeitliche Rücksetzer Kaufgelegenheiten.

Setzt der DAX seine Aufwärtsbewegung fort, trifft er zunächst bei 19.253 und 19.330 Punkten auf Widerstände.

Werden diese überwunden, folgen weitere Barrieren bei 19.450 und 19.700. Kommt es zu einem Rücksetzer, liegen erste Unterstützungen bei 19.150, 19.088 und 19.044.

Darunter liegen weitere Haltelinien bei 18.965, 18.840 und 18.695 Punkten.

 

Marktkommentar von Robert Halver, Baader Bank

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