Weg mit den Casino-Klischees

Quirin Privatbank: Neulich leitete mir ein Kollege ein Fundstück von einer Social-Media-Plattform weiter.

Da hatte jemand eine Frage zum Aktienmarkt. Wie bekommt man dort sein Geld zurück, wenn es nicht läuft wie erhofft?

Das Pseudonym des Fragestellers – „Quadruplicate“ – lässt hohe Renditeerwartungen vermuten.

Nun wollte „Vervierfachen“ wissen, ob es an der Börse eine Art Geld-zurück-Garantie gibt.

 

 

Nach der Lektüre wusste ich nicht so recht: Ist das zum Lachen oder Weinen? Ich gehe einfach einmal davon aus, dass die Frage ernst gemeint war und authentisch ist.

Jedenfalls finde ich das Fundstück bezeichnend. Denn es ist noch gar nicht so lange her, da gab es viele Schlagzeilen zu kaum bekannten Nebenwerten, deren Kurse sich in kürzester Zeit vervielfachten.

In Social-Media-Foren mit Namen wie „wallstreetbets“ wurden die Titel hoch gewettet. Das hat so manche an den Aktienmarkt gelockt, die nicht recht wussten, was sie dort erwartet.

Einige haben in diesem Jahr vielleicht zum ersten Mal die Erfahrung gemacht, dass Kurse nicht immer nur wie am Schnürchen steigen.

 

 

Sich selbst erfüllende Klischees

Über den Aktienmarkt kursieren zahlreiche Klischees. In kürzester Zeit seinen Einsatz vervielfachen: Wer denkt da nicht an ein Casino?

Wer die Börse als Spieltisch benutzt, darf sich jedoch nicht wundern, wenn er seinen Einsatz nicht zurückbekommt. Am Aktienmarkt kann man mit viel Glück zwar manchmal schnell etwas gewinnen.

Aber mit Einzelaktien machen doch die meisten die Erfahrung, dass sie unter dem Strich verlieren. Für zu viele – gerade in Deutschland – ist die Börse deshalb immer noch ein Ort, an dem sich angeblich vor allem Zocker, Reiche und Profis tummeln.

Das Bild vom Börsen-Casino wird von vielen Seiten genährt. Es hilft der Aktienkultur jedenfalls nicht, wenn die Titelgeschichten einschlägiger Magazine gefühlt im Wochenrhythmus von „So werden Sie schnell reich“ zu „So retten Sie Ihr Vermögen“ wechseln.

Gier und Angst sind schlechte Ratgeber. Das klingt vielleicht etwas abgegriffen. Stimmt aber trotzdem.

Die Klischees über den Aktienmarkt werden auch nicht gerade zerstreut, wenn Schüler seit vielen Jahren zu Börsenspielen animiert werden: Ich habe in meiner Schulzeit ebenfalls an solchen Spielen teilgenommen. Und daran nur die Erinnerung, dass derjenige gewann, der ein paar Wochen lang zufällig auf den richtigen Titel gesetzt hatte.

 

Geldanlage ist ein Lernprozess

Ich habe in meinen Zwanzigern, als ich den Onlinebroker Consors gründete, selbst leidenschaftlich Einzeltitel gehandelt. Das hatte auch mit dem Nervenkitzel zu tun, den Wetten eben mit sich bringen.

Heute suche ich das Abenteuer nicht mehr an dieser Stelle. Ich habe überhaupt keine Einzelaktien mehr im Depot.

Denn ich weiß: Es ist reine Glückssache, ob man damit einen Treffer landet oder danebenliegt.

Wir kommen nicht als Anleger zur Welt. Ich musste lernen, worin der Unterschied zwischen Spekulieren und Investieren besteht. Letzteres hat so gar nichts mit einer Wette zu tun.

Investieren bedeutet, das Kapital möglichst effizient und möglichst breit zu streuen – weltweit. Zwar gibt es auch dabei keine Geld-zurück-Garantie.

Doch ist es unwahrscheinlich, mit einer solchen Strategie und bei einem langfristigen Anlagehorizont am Ende Geld zu verlieren.

Ein Beispiel: Die durchschnittliche Jahresrendite des MSCI World lag zwischen 1972 und Ende 2021 bei über acht Prozent. In manchen Jahren lag sie weit darunter, in anderen viel höher.

Im Mittel relativieren sich die größeren Kursausschläge. Das zu wissen, kann ungemein beruhigend wirken.

 

 

Achtung: Nebelkerzen

Effiziente Geldanlage ist kein Hexenwerk, selbst wenn manche aus eigenem Interesse etwas anderes sagen. ETFs machen das Investieren am Aktienmarkt schon seit vielen Jahren wesentlich einfacher und günstiger.

Wer Anleger heute noch für aktives Fondsmanagement begeistern und dafür hohe Preise bezahlen lassen will, begründet das natürlich gerne mit einem besonderen Know-how.

Geldanlage erfordert von den Anlegern aber gar kein hochtrabendes Spezialwissen. Man muss lediglich ein paar Grundprinzipien verstehen, um Klischees nicht auf den Leim zu gehen.

Dazu zählt die Einsicht, dass der Aktienmarkt nicht als Spieltisch gedacht ist. Rendite entsteht vor allem durch unternehmerisches Handeln. Daraus ergibt sich der Mehrwert von Aktien.

Selbst wenn im Voraus nicht zu bestimmen ist, welches Unternehmen zu den Gewinnern gehört: Langfristig und im Durchschnitt ist die Wirtschaft auf Wachstum ausgerichtet.

Das gilt entsprechend für den Aktienmarkt.

 

 

Solche Zusammenhänge zu vermitteln und damit Vertrauen in den Vermögensaufbau mit Aktien zu schaffen, das geschieht noch viel zu selten.

Dabei wäre es gerade heute so wichtig. Etwa weil die Kluft zwischen dem Arbeitseinkommen und der zu erwartenden Rente immer größer wird.

Der „Standardrentner“ hat netto und vor Steuern jedenfalls von der gesetzlichen Rentenversicherung weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens zu erwarten.

Gerade für die Jungen wird es aus meiner Sicht unabdingbar sein, die Kapitalmärkte in ihre private Altersvorsorge einzubeziehen. Auch das sollte man wissen.

 

 

Die richtigen Inhalte vermitteln

Das bedeutet nicht, dass wir schon unsere Kinder mit solchen Themen überfrachten müssen. Es ist das Privileg der Jugend, im Hier und Jetzt zu leben. Aber ich denke, um eine frühe Sensibilisierung für Wirtschafts- und Anlagethemen kommt man angesichts der voraussehbaren Entwicklungen nicht herum.

In der Vermittlung von Finanzwissen ist für mich allerdings entscheidend: Bitte auf Inhalte konzentrieren, die wissenschaftlich belegt sind.

Das gilt beispielsweise für die gut erforschte Erkenntnis, dass die Auswahl einzelner Aktien einem Glücksspiel gleicht.

Finanzbildung fängt bei denen an, die den Jüngeren ihr Wissen weitergeben. Manche – nach meiner persönlichen Einschätzung zu viele – empfinden wichtige Grundprinzipien der Marktwirtschaft wie das Gewinnstreben als moralisch zweifelhaft.

Wer bei „Marktwirtschaft“ jedoch gleich an „Casino-Kapitalismus“ denkt, wird wohl kaum angemessen die Zusammenhänge und die gesellschaftliche Bedeutung der Unternehmen und des Aktienmarkts vermitteln.

Die Funktion der Unternehmen liegt unter anderem darin, in Innovationen und die ständige Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen zu investieren. Im Wettbewerb mit den anderen, die das auch tun, ist das ein erhebliches Risiko. Das weiß ich als mehrfacher Unternehmensgründer aus eigener Erfahrung.

Für die eingegangenen Risiken darf man als Unternehmer wie als Aktionär auf Rendite hoffen. Dabei gilt: Je höher meine Renditeerwartungen sind, desto größere Risikobereitschaft brauche ich.

Wer dagegen Garantien will, kann dafür keinen Lohn erwarten. Sondern nur einen Preis. Das ist, glaube ich, gar nicht so schwer einzusehen.

 

Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion

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