Altersvorsorge: Trügerische Durchschnittsrenditen – warum Anleger so oft enttäuscht werden und wie man sich am Besten schützt
Die Altersvorsorge basiert häufig auf Versprechungen von Durchschnittsrenditen, die in der Realität selten erreicht werden. Während Finanzdienstleister gerne mit historischen Durchschnittswerten von 6-8 Prozent jährlich für Aktienmärkte werben, erleben Sparer oft eine ernüchternde Realität.
Die Diskrepanz zwischen beworbenen und tatsächlich realisierten Renditen stellt eines der größten Risiken für die private Altersvorsorge dar und kann existenzielle Auswirkungen auf die finanzielle Sicherheit im Alter haben.
Mathematische Realität: Warum der Durchschnitt täuscht
Aus 10.000 Euro werden nach zwei Jahren lediglich 9.600 Euro – ein Ergebnis, das deutlich vom beworbenen Durchschnitt abweicht.
Bei längeren Anlagezeiträumen verstärkt sich dieser Effekt dramatisch. Der S&P 500 erzielte zwischen 1990 und 2020 eine durchschnittliche jährliche Rendite von etwa 10,5 Prozent.
Anleger, die jedoch zu ungünstigen Zeitpunkten investierten – beispielsweise kurz vor der Dotcom-Krise 2000 oder der Finanzkrise 2008 – realisierten über Jahre hinweg deutlich geringere Erträge oder sogar Verluste.
Sequence-of-Returns-Risiko: Der Zeitpunkt entscheidet
Besonders tückisch erweist sich das sogenannte Sequence-of-Returns-Risiko, das gerade in der Entsparphase der Altersvorsorge von entscheidender Bedeutung ist. Dieses Phänomen beschreibt die Tatsache, dass die Reihenfolge der Renditen bei regelmäßigen Entnahmen den Gesamterfolg einer Anlagestrategie maßgeblich beeinflusst.
Ein praktisches Beispiel: Zwei Rentner verfügen jeweils über ein Startkapital von 500.000 Euro und entnehmen jährlich 25.000 Euro. Beide Portfolios erzielen über 20 Jahre hinweg identische Durchschnittsrenditen von fünf Prozent. Rentner A erlebt jedoch in den ersten Jahren schlechte Marktphasen, während Rentner B zunächst von guten Jahren profitiert.
Das Ergebnis: Rentner A könnte bereits nach 15 Jahren vor einem leeren Depot stehen, während Rentner B noch über ausreichende Reserven verfügt.
Inflationsbereinigung: Der unterschätzte Renditefresser
Durchschnittsrenditen werden üblicherweise nominal angegeben, berücksichtigen also nicht die Geldentwertung. Bei einer nominalen Durchschnittsrendite von sieben Prozent und einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3% beträgt die reale Rendite lediglich 4%.
Über einen Anlagezeitraum von 30 Jahren macht diese Differenz einen gewaltigen Unterschied: Aus 100.000 Euro werden nominal etwa 761.000 Euro, real jedoch nur etwa 324.000 Euro in heutiger Kaufkraft.
Zeitraum | Nominale Rendite (7%) | Reale Rendite (4%) | Kaufkraftverlust |
---|---|---|---|
10 Jahre | 196.715 Euro | 148.024 Euro | 24,7% |
20 Jahre | 386.968 Euro | 219.112 Euro | 43,4% |
30 Jahre | 761.225 Euro | 324.340 Euro | 57,4% |
Kosten als Renditebremse: Die unterschätzte Belastung
Bei einer beworbenen Bruttorendite von acht Prozent verbleiben dem Anleger real oft nur fünf bis sechs Prozent.
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis: Ein aktiv verwalteter Aktienfonds mit einer jährlichen Verwaltungsgebühr von 1,8 Prozent, einem Ausgabeaufschlag von fünf Prozent und durchschnittlichen Transaktionskosten von 0,3 Prozent jährlich reduziert eine Bruttorendite von acht Prozent auf etwa 5,9 Prozent netto.
Über 25 Jahre summiert sich dieser scheinbar geringe Unterschied auf einen Renditeverlust von über 200.000 Euro bei einer Einmalanlage von 100.000 Euro.
Produktspezifische Fallstricke bei der Altersvorsorge
Je nach gewähltem Altersvorsorgeprodukt verstärken sich die Probleme der Durchschnittsrenditen unterschiedlich stark. Lebensversicherungen beispielsweise werben gerne mit historischen Überschussbeteiligungen, verschweigen jedoch oft, dass diese in der aktuellen Niedrigzinsphase nicht mehr erzielbar sind.
Riester-Renten leiden unter ähnlichen Problemen: Während die Politik bei der Einführung mit Renditen von vier bis sechs Prozent warb, zeigen aktuelle Analysen, dass viele Riester-Verträge real negative Renditen erzielen.
Die Kombination aus niedrigen Zinsen, hohen Kosten und der Beitragsgarantie führt dazu, dass die beworbenen Durchschnittsrenditen zur Illusion werden.
Monte-Carlo-Simulationen: Realistische Erfolgswahrscheinlichkeiten
Solche Analysen offenbaren auch die Bandbreite möglicher Ergebnisse. Während der Median-Fall eine Rente von 2.000 Euro monatlich ergeben könnte, zeigen die Simulationen gleichzeitig, dass in zehn Prozent der Szenarien nur 1.200 Euro zur Verfügung stehen, in anderen zehn Prozent jedoch 3.500 Euro.
Diese Transparenz ermöglicht eine realistische Planung mit entsprechenden Puffern.
Strategien für realistische Renditeerwartungen
Um den Fallstricken trügerischer Durchschnittsrenditen zu entgehen, sollten Anleger verschiedene Strategien befolgen.
Erstens empfiehlt sich eine konservative Renditeplanung: Statt mit historischen Spitzenwerten zu rechnen, sollten Anleger mit deutlich niedrigeren Annahmen kalkulieren. Für eine ausgewogene Aktien-Anleihen-Mischung erscheinen real drei bis vier Prozent jährlich als realistische Langfristerwartung.
Zweitens spielt die Diversifikation eine entscheidende Rolle. Eine breite Streuung über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Zeiträume reduziert das Risiko ungünstiger Renditesequenzen. ETF-basierte Portfolios bieten hier kostengünstige Lösungen mit transparenten Kostenstrukturen.
Drittens sollten Sparer flexible Entnahmestrategien entwickeln. Statt starrer jährlicher Entnahmen empfehlen Finanzexperten variable Modelle, die sich an der Marktentwicklung orientieren. In schlechten Börsenjahren werden die Entnahmen reduziert, in guten Jahren können sie erhöht werden.
Fazit: Ehrliche Aufklärung statt schöner Zahlen
Anleger sollten skeptisch werden, wenn ihnen glatte Durchschnittsrenditen versprochen werden. Die Realität der Finanzmärkte ist komplexer und unvorhersagbarer.
Eine erfolgreiche Altersvorsorge erfordert realistische Erwartungen, flexible Strategien und eine konservative Grundhaltung bei der Renditeplanung.
Nur wer die Grenzen von Durchschnittsrenditen versteht, kann seine finanzielle Zukunft sinnvoll gestalten.
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