Anleihen: Massiver Kursverfall, wie am Aktienmarkt

Frankfurter Wertpapierbörse: Die Flucht aus allem, was nach Risiko aussieht, hat in dieser Woche neue Dimensionen erreicht. „Was wir am Aktienmarkt sehen, zeigt sich auch am Rentenmarkt“, meldet Arthur Brunner von der ICF Bank. „Alle Unternehmensanleihen erleiden massive Kursverluste, besonders die höherverzinslichen wie Mittelstandsanleihen.“

„So etwas habe ich noch nicht erlebt“, bemerkt Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Das sei schlimmer als während der Finanzkrise. „Die Menschen haben komplett die Nerven verloren.“

Auch Rainer Petz von Oddo Seydler berichtet von einem Ausverkauf aller Unternehmensanleihen: „Nicht nur Mittelstandsanleihen sind betroffen, sondern auch Anleihen großer, etablierter Unternehmen.“ Besonders unter die Räder geraten seien Bankanleihen, etwa der Deutschen Bank.

 

„Ich würde mir Hamsterkäufe wünschen“

Dadurch, dass Banken sich aus dem Anleihehandel zurückgezogen haben, verschärft sich das Problem: „Es gibt einfach keine Käufer“, stellt Petz fest. Daniel berichtet, dass er Verkaufsorder kaum abarbeiten kann. „Die extreme Bewegung ist aber auch Folge der Automatisierung“, meint er.

Selbst die Handelsunterbrechungen brächten nichts. „Ich würde mir hier wirklich Hamsterkäufe wünschen.“ Wie es weitergeht? „Wir sind alle keine Ärzte“, zitiert Petz einen Marktteilnehmer. „So etwas haben wir noch nicht gesehen.“

 

 

Rekordtiefs bei Bundrenditen

Nur Staatsanleihen der als sicher geltenden Länder waren lange gefragt: Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen und US-Treasuries erreichten Allzeittiefs, die Renditen von US-Treasuries lagen vorübergehend für alle Laufzeiten unter 1 Prozent – zum ersten Mal überhaupt.

Zehnjährige Bundesanleihen rentierten am Montag mit minus 0,9 Prozent, ein Rekordtief, am Freitagmorgen sind es allerdings wieder minus 0,64 Prozent. Analysten begründen den Renditeanstieg und Kursrückgang mit Zwangsverkäufen von Investoren, die unbedingt an Liquidität kommen müssen.

 

Keine „whatever it takes“-Politik von EZB zu erwarten

Die Ankündigungen von EZB-Chefin Christine Lagarde vom gestrigen Donnerstag haben den Markt nicht beruhigen können. Die Aufstockung der Anleihekäufe um 120 Milliarden Euro bis zum Jahresende und neue Geldspritzen für die Banken blieben hinter den Erwartungen zurück.

Außerdem machte Lagarde deutlich, dass es aus ihrer Sicht nicht Aufgabe der EZB sei, auf Bewegungen am Staatsanleihemarkt zu reagieren. Sie distanzierte sich von der „whatever it takes“-Politik ihres Vorgängers Mario Draghi. Die US-Notenbank hat am Donnerstag abermals außerplanmäßig eingegriffen, um die Märkte zu stabilisieren: Sie kündigte an, Billionen von US-Dollar in den Markt für US-Staatsanleihen zu pumpen.

 

Italien unter massivem Abgabedruck

Die Rendite italienischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sprang am gestrigen Donnerstag um fast 60 Basispunkte auf 1,88 Prozent, das ist der höchste Stand seit Sommer 2019. Volkswirte prognostizieren für das Corona-geplagte Land einen scharfen Einbruch der Wirtschaft. Auch spanische Staatsanleihen  verlieren deutlich, wie Daniel meldet.

Die Commerzbank rechnet für die kommende Woche mit einer weiteren Zinssenkung der US-Notenbank um 50 Basispunkte, gefolgt von weiteren 25 Basispunkten im April.

„Da die Märkte aber auch hier noch aggressivere Maßnahme erwarten, besteht Enttäuschungspotenzial“, meint Anleiheanalyst Cem Keltek. Da zudem ein Abebben der Pandemie kurzfristig kaum zu erwarten sei, dürften sich die Bundrenditen kaum merklich von ihren neuen Rekordtiefs entfernen.

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