Die Stunde der Apokalyptiker

Quirin Privatbank: Vor dem Hintergrund der aktuell wahrlich kritischen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden die Stimmen derjenigen immer lauter, die vor einem globalen Wirtschaftseinbruch, ja sogar einem „Zusammenbruch des Systems“ warnen.

Dementsprechend düster sind die Aussichten, die für die Aktienmärkte gezeichnet werden.

Das Spektrum reicht hierbei vom „Kollaps des Finanzsystems“ bis hin zur eher moderaten Befürchtung, dass in den nächsten Jahren an den Börsen der „Schmalhans“, sprich eine eher magere Wertentwicklung, das Sagen haben werde.

Obwohl wir solche Szenarien selbstverständlich nicht ausschließen können – was man nie kann –, sehen wir den damit verbundenen Alarmismus äußerst kritisch.

Dies vor allem deshalb, weil damit in der Regel Anlageempfehlungen verbunden sind, welche Anlegerinnen und Anleger dazu bringen, von zweien der wichtigsten Handlungsmaximen für einen langfristigen Anlageerfolg abzuweichen – der Anlagedisziplin und der globalen Diversifikation.

Die Entwicklung der Aktienmärkte in den vergangenen 50 Jahren bietet beindruckendes Anschauungsmaterial dafür, warum diese Erfolgsfaktoren so wichtig sind und dass man sie auch und vor allem in Krisenzeiten nicht aus den Augen verlieren sollte.

 

 

Warum ist diszipliniertes Anlageverhalten so wichtig?

In kritischen Börsenphasen häufen sich die Stimmen, die den Anlegerinnen und Anlegern zum Ausstieg raten. Wie wir schon vielfach und bei unterschiedlichsten Gelegenheiten dargelegt haben, sind wir im Gegensatz dazu der Meinung, dass ein Ausstieg in einer Krise keine gute Idee ist und dem Anlageerfolg letztlich schadet.

Stattdessen sollte man seiner ja aus gutem Grund gewählten Anlagestrategie inklusive Aktienquote treu bleiben und das Investment diszipliniert aufrechterhalten – auch wenn das zugegebenermaßen eine mentale Herausforderung darstellt.

Auch sind wir uns völlig darüber im Klaren, dass die Empfehlung, auch in Krisen investiert zu bleiben, der Intuition in aller Regel widerspricht.

Viel richtiger fühlt es sich an, in einer solchen Börsenphase auszusteigen, erst mal abzuwarten, bis sich der Rauch verzogen hat, um dann mit einem einigermaßen guten Gefühl wieder einzusteigen.

So wichtig und wertvoll die Intuition in vielen Lebensbereichen sein mag, was Wertpapieranlagen anbelangt, ist sie kein guter Ratgeber. Empirische Fakten sprechen in der Hinsicht eine eindeutige Sprache.

Es gibt eine Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, die ohne jeden Zweifel belegen, dass der gezielte Versuch, nur in den besten Börsenphasen investiert zu sein, letztlich eine deutlich schlechtere Wertentwicklung erzielt, als wenn man einfach investiert bleibt.

Die Studien hierzu sind Legion und müssen an der Stelle nicht weiter vertieft werden.

In hohem Maße interessant ist es jedoch, welche Besonderheiten der Marktentwicklungen für diese Ergebnisse verantwortlich sind.

Es zeigt sich nämlich immer wieder, dass sich gerade in Krisen, also in Phasen, in denen die negativsten Szenarien gezeichnet und die düstersten Aussichten an die Wand gemalt werden, die Aktienmärkte oftmals am stärksten nach oben bewegen.

Dies wird durch folgende Grafik deutlich, in der die Aufholbewegungen des MSCI-Weltindexes nach den fünf großen Wirtschafts- bzw. Aktienmarktkrisen der letzten 50 Jahre dargestellt sind.

 

 

Bei der Interpretation dieser Grafik sollte man sich vor Augen führen, dass im Verlauf all dieser Krisen die Aktienmarktperspektiven über einen längeren Zeitraum hinweg in den düstersten Farben gemalt wurden.

Es war nie so, dass an einem bestimmten Stichtag das Ende der Krise ausgerufen werden konnte und die Märkte anschließend gestiegen sind.

Eher war das Gegenteil der Fall: Die dargestellten Markterholungen kamen im Grunde für alle Beteiligten völlig überraschend, sozusagen noch mitten im Sturm.

Damit wird aber auch deutlich, warum die bereits erwähnten Bemühungen des sogenannten „market timings“, d. h. des Versuchs, nur in den guten Börsenphasen investiert zu sein und sich den mitunter ja erheblichen Abwärtsbewegungen weitgehend zu entziehen, letztlich nicht funktionieren.

Das Problem dabei ist nicht der Ausstieg, sondern der Wiedereinstieg. Auch professionelle Portfoliomanagerinnen und -manager können sich dem Druck negativer Nachrichten und düsterer Perspektiven, mit denen sie in Krisenzeiten geradezu überschüttet werden, in der Regel nicht entziehen und versäumen es, zum rechten Zeitpunkt wieder einzusteigen.

Damit entgehen ihnen aber entscheidende Renditepunkte.

 

 

Hier liegt der tiefere Grund, warum Anlagedisziplin der vielleicht sogar wichtigste Erfolgsfaktor einer Aktienanlage ist: Folgt man seiner Intuition und steigt panikartig aus, versäumt man so gut wie sicher den rechtzeitigen Wiedereinstieg.

Wie bei den Profis geht dann auch bei Privatanlegerinnen und Privatanlegern wertvolle Rendite verloren.

Diese Zusammenhänge sowie die Überzeugung, dass sich eine freie Marktwirtschaft und die Finanzmärkte selbst von den tiefsten Krisen wieder erholen werden, sind der Grund, warum wir auch in der aktuell extrem schwierigen ökonomischen und politischen Lage hinter unserer Marktstrategie stehen und überzeugt sind, dass sie – bei allen Widrigkeiten – das Beste ist, was man mit seinem Geld machen kann – außer es vielleicht für die eigentlich schönen Dinge des Lebens auszugeben.

 

Warum ist eine globale und breitestmögliche Diversifikation so sinnvoll?

Eine weitere Empfehlung, die in krisenhaften Börsensituationen gerne gegeben wird, ist die Konzentration auf einige wenige Wertpapiere, von denen man annimmt, dass sie sich in der Krise als besonders widerstandsfähig erweisen.

Wie dies im Einzelnen konkret aussieht, hängt natürlich von der Art der Krise ab.

Derzeit beispielsweise sind mehr oder weniger stark konzentrierte Depotempfehlungen beliebt, die das Vermögen angeblich besonders gut gegen inflationäre Entwicklungen schützen.

Doch wie auch immer die ökonomischen Begründungen für die entsprechenden Empfehlungen lauten, sie stellen so gut wie immer eine eklatante Verletzung des Diversifikationsprinzips dar, weshalb wir dringend von ihnen abraten.

Eine korrekte Diversifikation ist ein so bewährtes Fundament jeder vernünftigen Wertpapieranlage, dass man sich über Vorschläge, die das Diversifizierungsprinzip missachten, eigentlich nur wundern kann.

Vermutlich hat das auch damit zu tun, dass es gerne damit verwechselt wird, lediglich viele Wertpapiere im Depot zu haben.

Tatsächlich aber ist wissenschaftliche Diversifikation ein komplexer Prozess, bei dem sämtliche Aktienmarktcharakteristika in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen; und dabei ist eben nicht nur die Anzahl der Wertpapiere relevant.

Auch ein Depot mit relativ vielen Aktien kann völlig unzureichend diversifiziert sein.

Um die große Bedeutung der Diversifikation zu veranschaulichen, zeigen wir im Folgenden die Konsequenzen der vermutlich am weitesten verbreiteten Missachtung dieses Prinzips, nämlich des sogenannten „home bias“, d. h. der intuitiv verständlichen Konzentration des Depots auf den heimischen Markt.

Die folgende Grafik stellt für die zurückliegenden fünf Jahre die wissenschaftlich und global diversifizierte Marktstrategie der Quirin Privatbank dem regional konzentrierten deutschen Aktienindex DAX gegenüber.

 

 

Dabei zeigt sich, dass – von einer einzigen Ausnahme abgesehen – das gestreute Depot immer besser abgeschnitten hat als der Index. Dieses Ergebnis ist aber kein Zufall, sondern ergibt sich in ähnlicher Weise in fast allen Marktphasen.

Richtig verstandene Diversifikation ist eben keine Schönwetterveranstaltung, die man in Krisen getrost vergessen kann, sondern sie bewährt sich genau in solchen Krisen.

Hierbei möchten wir aber auch nicht falsch verstanden werden: Auch ein korrekt diversifiziertes Depot kann empfindliche Verluste erleiden, nämlich immer dann, wenn die sogenannten systematischen Risiken ihre Zähne zeigen und zubeißen, z. B. im Rahmen einer Weltwirtschaftskrise, die den Aktienmarkt in seiner Gesamtheit empfindlich trifft.

Diesen immer vorhandenen, letztlich langfristig lohnenswerten Risiken sollte man aber nicht noch weitere Risiken (die sogenannten unsystematischen Risiken) hinzufügen.

Genau das geschieht aber, wenn man sich – aus welchem Grund auch immer – zu konzentrierten Depotstrukturen hinreißen lässt.

 

 

Fazit für alle Anlegerinnen und Anleger

Vor allen Dingen in kritischen Marktphasen, wenn die Hiobsbotschaften scheinbar nicht abreißen wollen, ist die Versuchung groß, in vermeintlich krisenresistente Anlagen zu flüchten.

So gut wie immer bleiben dabei die wissenschaftliche Diversifizierung und vor allem die Anlagedisziplin auf der Strecke. Doch auch wenn es eine emotionale Herausforderung darstellt, ist es für den langfristigen Anlageerfolg entscheidend, gerade in Krisenzeiten nicht die Nerven zu verlieren und konsequent investiert zu bleiben.

Allerdings in strikt diversifizierter Weise, ohne sich zu irgendwelchen vordergründig plausiblen Schwerpunktsetzungen überreden zu lassen.

Die bisherigen historischen Kursentwicklungen legen es sogar nahe, nicht nur investiert zu bleiben, sondern die Marktschwäche unter Umständen sogar zu nutzen.

Zumindest in der Rückschau waren Krisen bisher auch immer gute Einstiegsgelegenheiten.

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

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