Geldanlage: Diversifikation reduziert Risiko im Portfolio – doch Anleger sollten auf mehr achten!

Quirin Privatbank: Diversifizierung ist einer der wichtigsten handwerklichen Anforderungen im Rahmen eines seriösen Anlagemanagements.

Häufig sind damit jedoch zwei Missverständnisse verbunden, die im Anlagealltag dazu führen können, dass die Bedeutung eines sauber diversifizierten Depots unterschätzt und in der Folge die Diversifizierung selbst vernachlässigt wird.

 

Missverständnis Nr. 1: Diversifizierung bedeutet immer Risikominimierung

Ein korrekt diversifiziertes Depot ist nicht zwangsläufig das Depot mit dem geringstmöglichen Risiko. Stattdessen wird durch die Diversifizierung das Risiko lediglich innerhalb einer bestimmten Anlagekategorie minimiert.

Im Fachjargon bezeichnet man ein in diesem Sinne vollständig diversifiziertes Wertpapierdepot auch als effizientes Portfolio.

Um die Zusammenhänge deutlich zu machen, betrachten wir als Beispiel die Anlagekategorie Aktien. Jede Aktie ist ganz kategoriespezifischen Risiken ausgesetzt.

Die meisten dieser Risiken können durch eine sinnvolle Streuung mehr oder weniger unschädlich gemacht werden.

Risiken, die durch Diversifizierung eliminiert werden können, bezeichnet man auch als unsystematische Risiken.

Nehmen wir als vielleicht markantestes Beispiel die Insolvenz eines Unternehmens. Hat man einen zu großen Teil seines Vermögens in ein solches Unternehmen investiert, dann können die entsprechenden Kursverluste auch das eigene Vermögen nahezu vernichten.

Hält man dagegen am selben Unternehmen lediglich einen Anteil im Rahmen eines extrem breit gestreuten Depots, wird man die Firmeninsolvenz im eigenen Vermögen vermutlich nicht einmal bemerken.

Die negativen Auswirkungen einer flächendeckenden Krise auf den Unternehmenssektor insgesamt – wie beispielsweise eine weltweite Rezession oder ein Kriegsausbruch – können dagegen auch durch die breiteste Risikostreuung nicht verhindert werden.

Diese Art von Risiken nennt man auch systematische Risiken.

 

Diversifikation reduziert Risiko im Portfolio

Ein wissenschaftlich sauber diversifiziertes Wertpapierdepot weist nur noch systematische und damit zugleich geringstmögliche Risiken auf – aber eben immer nur bezogen auf die jeweilige Anlagekategorie.

Das bedeutet aber nicht das absolut gesehen geringstmögliche Risiko.

Dieselben Zusammenhänge gelten auch für Anleihen sowie für jedwede Mischung der beiden Anlagekategorien.

In dieser Lesart stellt also beispielsweise eine Mischung mit 50% Aktien und 50% Anleihen eine eigene Anlagekategorie dar.

Die folgende Darstellung zeigt exemplarisch zu erwartende Renditen und zu erwartende Risiken – Letztere meistens gemessen durch die Volatilität – effizienter Aktien- und Anleihedepots sowie ausgewählter Kombinationen.

Aus portfoliotheoretischer Sicht kann man davon ausgehen, dass die zu erwartenden Renditen von diversifizierten und undiversifizierten Depotstrukturen identisch sind.

Der entscheidende Punkt liegt im unterschiedlichen Risiko, was durch die Grafik beispielhaft verdeutlicht werden soll.

 

 

Wie die Grafik zeigt, hat ein wissenschaftlich einwandfrei diversifiziertes Depot nicht zwangsläufig das geringste zu erwartende Risiko, jedoch in jedem Fall das bestmögliche Verhältnis aus erwartbarer Rendite und Risiko.

Dieser Quotient wird auch als Sharpe Ratio bezeichnet und ist eine sehr gute Kennzahl für die Qualität einer Depotstruktur.

Ein bestmöglich diversifiziertes Depot weist daher im Erwartungswert eine maximale Sharpe Ratio auf. Dies wird auch durch ein zentrales Ergebnis der modernen Kapitalmarktforschung bestätigt, wonach das sogenannte Marktportfolio genau diese Eigenschaft hat.

Dieses theoretische Marktportfolio besteht aus allen börsennotierten Aktien, gewichtet entsprechend ihrer Marktkapitalisierung.

Die optimale Sharpe Ratio wird bei gegebener Renditeerwartung durch eine Minimierung des Risikos erreicht.

 

Missverständnis Nr. 2: Risikokennzahlen bilden das vollständige Risiko ab

Um das bestmögliche zu erwartende Rendite-Risiko-Verhältnis zu erhalten, muss ein Wertpapierdepot so strukturiert sein, dass es innerhalb seiner Anlagekategorie (mit der entsprechenden Renditeerwartung) ein minimales Risiko aufweist.

Das Risiko eines Wertpapierdepots ist jedoch eine vielschichtige Angelegenheit.

Um dieses Risiko greifbar und berechenbar zu machen, wird es in der Anlagepraxis mittels spezieller Kennzahlen quantifiziert.

Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass eine Risikokennzahl etwas anderes ist als das Risiko selbst und immer nur eine bestimmte Facette des komplexen Phänomens beleuchtet.

Genau betrachtet besteht das Risiko einer Wertpapieranlage aus Anlegersicht in der Gefahr, Vermögen zu verlieren und es in absehbarer Zeit nicht wiederzubekommen.

Dies umfasst vier Aspekte:

  • die Wahrscheinlichkeit, einen Vermögensverlust zu erleiden
  • den Umfang dieses Vermögensverlustes
  • die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Verlust wieder wettgemacht wird
  • den Zeitraum, in dem dies geschieht

 

Volatilität allein reicht nicht aus, um das Risiko eines Portfolios zu bewerten

Risikokennzahlen beleuchten zwangsläufig immer nur einen der genannten Aspekte.

Die Volatilität zum Beispiel gibt an, mit welcher Abweichung nach oben und unten vom Erwartungswert der Rendite man durchschnittlich rechnen muss.

Damit konkretisiert sie im Wesentlichen den zweiten der oben genannten Punkte, den möglichen Umfang eines Vermögensverlustes.

Werden nun – was im Anlagemanagement Praxis ist – Renditekennzahlen wie die Volatilität auf Grundlage historischer Daten ermittelt, dann entsteht sehr oft der Eindruck, dass gering diversifizierte Depots ein gleiches oder sogar geringeres Risiko aufweisen als ein wesentlich breiter gestreutes.

So ist zum Beispiel der DAX, als nationaler Aktienindex mit nur 40 Werten, erheblich geringer gestreut als ein weltweiter Aktienindex, wie beispielsweise der MSCI World Index.

Trotzdem gibt es viele historische Zeiträume, in denen die Volatilität des DAX eine ähnliche Größenordnung aufweist wie der MSCI World.

Setzt man nun unzulässigerweise die Risikokennzahl Volatilität dem tatsächlichen Risiko gleich, dann entsteht mitunter der Eindruck, dass das Risiko eines nationalen Aktienmarktes nicht wesentlich größer ist als das eines internationalen.

Zu welchen verheerenden Fehleinschätzungen das führen kann, verdeutlicht die Entwicklung des japanischen Aktienmarktes.

Dieser hatte über Jahre hinweg in etwa dieselbe Volatilität wie wesentlich breiter gestreute weltweite Depots.

Dies und die weit überdurchschnittliche Wertentwicklung des japanischen Marktes vor 1990 verführte viele Anlegerinnen und Anleger dazu, fast ausschließlich in diesen Markt zu investieren.

Wie die folgende Grafik zeigt, folgte daraufhin ein böses Erwachen.

 

 

Bis heute hat der japanische Nikkei-Index seine damaligen Höchstkurse noch nicht wieder erreicht.

Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, bei der Depotstrukturierung alle vier genannten Aspekte des Risikos zu berücksichtigen.

Im Falle Japans wurde vor allem die Wahrscheinlichkeit der Aufholung möglicher Kursverluste sowie der Zeitraum, in dem dies geschehen kann, nicht berücksichtigt.

Die Volatilität allein ist konstruktionsbedingt nicht in der Lage, dies abzubilden.

 

Risikobewertung braucht mehr als Volatilität – ökonomische Faktoren sind entscheidend

Berücksichtigt man jedoch zusätzlich zur Volatilität noch andere Kennzahlen, wie den sogenannten maximalen historischen Verlust vom Höchststand (Maximum Drawdown) und die entsprechende Aufholdauer (Time to Recovery), und ergänzt das Ganze zusätzlich mit ökonomischer und portfoliotheoretischer Logik, dann lassen sich solche Fehleinschätzungen vermeiden.

Ökonomische Logik hätte beispielsweise ausgereicht, um zu erkennen, dass für einen nationalen Aktienmarkt (und generell für spezielle Aktienmarktsegmente) ein so starker Einbruch niemals ausgeschlossen werden kann.

Vor allem aber sagt sie uns, dass es keinerlei Gewähr gibt, dass sich spezielle Märkte nach solch eklatanten Einbrüchen jemals wieder voll erholen.

Für eine breit gestreute internationale Depotstruktur ist eine Entwicklung wie in Japan im Grunde ausgeschlossen; würde es doch bedeuten, dass unternehmerisches Risiko weltweit im Durchschnitt nicht mehr entlohnt wird, was einem Ende der Marktwirtschaft gleichkäme.

Zwar sind auch internationale Aktienportfolios in der Historie um rund 50% eingebrochen, sie haben sich jedoch in relativ überschaubarer Zeit wieder erholt (nach der Wirtschaftskrise 2008 beispielsweise innerhalb von fünfeinhalb Jahren).

 

Fazit

Die Verwechslung des tatsächlichen Risikos einer Wertpapieranlage mit einzelnen Risikokennzahlen verführt dazu, den risikomindernden Effekt einer breitestmöglichen und weltweiten Diversifizierung zu unterschätzen.

Häufig folgen daraus zu stark auf einzelne Märkte, Marktsegmente oder gar einzelne Aktien konzentrierte Depots, von denen man glaubt, ihre Risiken einschätzen und auch tragen zu können.

Dies erweist sich jedoch häufig als Irrtum und führt in manchen Fällen zu dramatischen Vermögensverlusten.

Erst eine Kombination einer Reihe von Risikokennzahlen – von denen jede einen anderen Risikoaspekt beleuchtet – sowie die Berücksichtigung entsprechender ökonomischer und portfoliotheoretischer Zusammenhänge machen den ganzen Wert eines wissenschaftlich korrekt diversifizierten Depots deutlich.

 

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

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