Geldanlage kann man (immer noch) nicht Probe fahren
Heute starten wir mal mit einer Quizfrage: Was unterscheidet den Kauf eines Föhns, eines Geschirrspülers oder eines Autos von einer Geldanlage? Bei Föhn, Geschirrspüler und Auto können Sie sofort nach dem Kauf feststellen, ob das Gerät tut, was es soll: Haare trocknen, Geschirr spülen, Sie zuverlässig von A nach B bringen. Es handelt sich um Gebrauchsgüter – funktionieren diese nicht wie erwartet, können Sie sie zurückbringen oder umtauschen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Geldanlage ist Vertrauensgut – Erfolg zeigt sich erst nach vielen Jahren
- Entgangene Rendite lässt sich kaum aufholen
- Beispiel Riester: nach 30 Jahren 93.000 Euro weniger als bei Aktienanlage
- Riester hat Vertrauen in private Altersvorsorge massiv beschädigt – in Zukunft besser machen mit klaren Leitplanken
- Und: Provisionen verbieten – nur so werden Anleger unabhängig beraten
Vertrauensgüter leben von Vertrauen
Anders ist das bei Vertrauensgütern. Ihr Erfolg, ihre Funktionstüchtigkeit lässt sich im Hier und Heute schwer messen. Ob der Kauf eines Produktes oder eine Beratung gut war, zeigt sich oft erst viele Jahre später (darauf komme ich noch einmal zurück).
Typisch für Vertrauensgüter ist zudem, dass der Anbieter meist deutlich mehr weiß als der Kunde, es herrscht eine Informationsasymmetrie. Daraus ergibt sich eine gewisse Abhängigkeit vom Anbieter – Kunden, Patienten, Klienten sind auf dessen Ehrlichkeit angewiesen.
Vertrauensgüter sind beispielsweise ärztliche Diagnosen, Beratungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Weiterbildungskurse und Coachings, Handwerksleistungen wie Kfz-Reparaturen, Haussanierungen u. v. m.
Geldanlage kann man nicht Probe fahren
Und – Sie ahnen oder wissen es bereits – auch die Geldanlage ist ein Vertrauensgut. Diese kann ich im Gegensatz zum Föhn, Geschirrspüler und Auto jedoch nicht Probe fahren. Ich weiß beim Abschluss eines Finanzproduktes nicht, wie gut es wirklich ist, ich kann es in diesem Moment nicht testen. Vielmehr bin ich darauf angewiesen, dass mein Berater in meinem – und zwar nur in meinem Interesse – handelt.
Oft sparen wir langfristig: für die Kinder, die berufliche Selbstständigkeit, eine Auszeit, das Eigenheim oder die Rente. Über die Jahre kann das Geld wachsen – vorausgesetzt, es ist gut angelegt. Ob das gelingt, zeigt sich jedoch erst spät: wie hoch die Rendite war, wie stark Kosten sie geschmälert haben. Fällt das Ergebnis enttäuschend aus, ist es für eine Korrektur in vielen Fällen zu spät.
Entgangene Rendite lässt sich nicht nachholen
So bleibt einerseits viel Zeit zum Sparen, andererseits zeigt sich eben auch erst nach vielen Jahren, ob das Produkt, das mir verkauft wurde, wirklich gut ist. Wenn dem nicht so ist, lässt sich die vergangene Rendite meist kaum noch aufholen, wie ich Ihnen an einem Beispiel skizzieren möchte:
Nehmen wir an, Sie haben von 2005 bis 2024 jedes Jahr fleißig gespart – 2.100 Euro in einen Riester-Vertrag (inkl. Zulagen) und 2.100 Euro in eine breit gestreute Aktienanlage.
Das Ergebnis 2024:
- Riester-Vertrag (1% Rendite): ca. 46.000 Euro
- Aktienanlage (8% Rendite): ca. 89.000 Euro
Jetzt lassen wir beide Töpfe weitere zehn Jahre (2025 bis 2034) wachsen – beide als Aktienanlage mit 8% Rendite, beide weiterhin mit jeweils 2.100 Euro Sparrate pro Jahr.
Das Ergebnis 2034:
- ehemaliger Riester-Vertrag als Aktienanlage: ca. 130.000 Euro
- Aktienanlage: ca. 223.000 Euro
Das ist ein Unterschied von stolzen 93.000 Euro. Um die entgangene Rendite des ehemaligen Riestervertrages aufzuholen, müssten Sie ab 2025 zusätzlich 537 Euro pro Monat sparen – zehn Jahre lang, Jahr für Jahr, Monat für Monat.
Riester-Rente hat Vertrauen nachhaltig geschädigt
Dieses Beispiel zeigt: schlechte Produkte wie die Riester-Rente kosten wertvolle Rendite, die sich später kaum noch oder nur mit großem Aufwand aufholen lässt. Dass Riester nicht der Weisheit letzter Schluss ist, ist vielen Bundesbürgern mittlerweile bewusst – nicht ohne Grund sind viele der heute noch bestehenden Verträge stillgelegt.
Auch die meisten Verbraucherschützer sind sich einig: zu komplex, zu intransparent, zu bürokratisch, hohe Kosten, wenig Ertrag – so ihr Fazit. Schwer wiegen die langfristigen Folgen aus dem Riester-Desaster:
- Misstrauen in private Vorsorge: Viele Bürger fühlen sich von Politik und Finanzbranche enttäuscht.
- Verunsicherung: Sie fürchten, dass auch neue Vorsorgeprodukte wieder zu teuer oder unattraktiv sein könnten.
- Vorsorgelücke: Menschen sparen lieber gar nicht mehr privat, anstatt erneut „falsch“ zu investieren.
Damit hat die Riester-Rente nicht nur ihr Ziel verfehlt, sondern das Vertrauen vieler Menschen in private Altersvorsorge nachhaltig beschädigt.
Besonderer Schutzbedarf bei Geldanlage
Doch was kann man, was können wir tun, damit das – beispielsweise bei der jetzt zur Diskussion stehenden Frühstart-Rente – nicht erneut passiert? Dafür brauchen wir klare Leitplanken, die im Übrigen nicht nur für die neue Frühstart-Rente, sondern für jede Form der Geldanlage gelten sollten:
- Kostendeckel:
- Kosten sollten vom Gesetzgeber bei 1,5 Prozent gedeckelt werden.
- Qualitätskriterien:
- Transparenz: Anleger müssen verstehen, was sie abschließen.
- Breite Streuung: Eine breit gestreute Anlage, bspw. über mehrere ETFs reduziert Risiken und erhöht die Renditechancen.
- Verzicht auf Prognosen und Market-Timing.
- Zeit als stärksten Hebel nutzen: so zeitig wie möglich beginnen, im Falle der Frühstart-Rente staatliche Förderung gerne schon ab der Geburt, nicht erst zum 6. Lebensjahr.
Zudem sind Geldanlagen Vertrauensgüter, sie erfordern einen besonderen Schutzbedarf. Der lässt sich nur herstellen, wenn Provisionen endlich verboten werden.
Denn solange Banken und Vermittler Provisionen von Produktanbietern kassieren, stehen die Interessen der Kunden hintenan. Es geht dann nicht um die beste Lösung für den Anleger, sondern um den höchsten Provisionssatz.
Unabhängige Beratung seit 2006
Wir beraten unsere Kunden auf Augenhöhe und haben deswegen auch keinerlei Interesse an einem Wissensgefälle, im Gegenteil, auf verschiedenen Kanälen teilen wir unser Wissen und klären über gute Geldanlage auf, hier in Schmidts Tagebuch, in Mays Logbuch, in meinem Podcast „klug anlegen“, in meinem Buch „Geld im Glück“.
Und dieses Quirin-Prinzip wünsche ich mir für alle Anlegerinnen und Anleger in Deutschland. Denn wer spart, vorsorgt, investiert, darf nicht der Willkür von Provisionsinteressen oder intransparenten Produkten ausgeliefert sein. Wenn Anlageprodukte einem besonderen Schutz unterstellt und Provisionen endlich verboten werden, können Anlegerinnen und Anleger sicher sein, dass sie Anlagen bekommen, die gut für sie sind – und dann braucht es auch keine Probefahrt mehr.
Disclaimer & Risikohinweis
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Infos über Quirin Privatbank
Die Quirin Privatbank AG wurde 2006 als erste Honorarberaterbank in Deutschland gegründet – mit der Mission, die Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Die Bank ist Spezialist für professionelle, individuelle Vermögensverwaltung und einen langfristigen Vermögensaufbau.
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