Robotik: So profitieren Anleger vom Megatrend

Credit Suisse: Bei einer Fabrikbesichtigung finden Sie heute wahrscheinlich folgende Situation vor: Menschen arbeiten mit Werkzeugmaschinen und automatisierten Systemen, die Einzelteile von einem Arbeitsplatz zum nächsten befördern. Roboter fehlen fast völlig, und wenn, werden sie keinesfalls flächendeckend eingesetzt.

 

Für viele Beobachter kommt dies überraschend, da Fabrikroboter keine bahnbrechend neue Erfindung sind. Seit jeher sind diese Roboter allerdings teuer, schwierig in der Einrichtung und Programmierung und häufig nur für eine einzige Aufgabe einsetzbar. Dies bedeutet, dass sich der Einsatz von Robotern nur für sehr grosse Hersteller wirtschaftlich auch rechnet.

 

Roboter – Kosten und Komplexität
In den letzten Jahren hat der technologische Fortschritt dieses Bild jedoch verändert. Nicht nur bei den Preisen, sondern auch hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit und Vielseitigkeit hat die Robotik grosse Fortschritte gemacht. Kleine und mittelgrosse Hersteller, die bis jetzt auf Roboter verzichtet haben, testen inzwischen erste Einsatzmöglichkeiten oder spielen zumindest mit dem Gedanken, Roboter einzusetzen.

 

Auch bei grösseren Herstellern werden Robotiklösungen heutzutage allmählich breiter eingesetzt und in unterschiedlichen Fertigungsprozessen angewendet.

Mit der technologisch getriebenen Kostendeflation und Vielseitigkeit von möglichen Robotiklösungen bieten sich weitläufige Chancen für den «Masseneinsatz» von Robotern im produzierenden Gewerbe ebenso wie in anderen Branchen, die sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befinden.

 

Wo sind die Roboter?
Schätzungen der International Federation of Robotics (IFR) zufolge kommen im produzierenden Gewerbe heute weltweit nur 7 Roboter auf 1’000 Fabrikarbeitende. Nicht selten vermitteln Durchschnittswerte ein verzerrtes Bild. Der Grund für diesen tiefen Durchschnittswert liegt darin, dass Roboter heutzutage einzig und allein im Automobilbau und in der Halbleiterfertigung eingesetzt werden.

 

Typisch für diese Industrien ist eine Quote von 100–150 Robotern pro 1’000 Fabrikarbeitende. Insgesamt werden rund 60 % aller derzeit in Betrieb stehenden Industrieroboter hier eingesetzt. Wenige weitere Branchen wie die Metallbauindustrie, die Chemikalienherstellung, die Kunststoffindustrie und die nahrungsmittelverarbeitende Industrie zählen ebenfalls auf Roboter, aber in den meisten anderen Bereichen wird kein einziger Roboter in einem Werk zu finden sein.

 

Sicherheit – Roboter in abgeschirmten Zellen
Das klassische Bild einer Automobilfabrik besteht aus elegant synchronisierten Robotern, die an einer automatisierten Produktionsstrasse tätig sind, wie etwa in Abbildung 1. Dies trägt dazu bei, dass viele Menschen glauben, Automobilfabriken seien gänzlich automatisiert und benötigten nur wenige menschliche Arbeitskräfte.

 

In der Realität sehen die meisten Automobilfabriken ganz anders aus. In dieser Branche kommen tatsächlich rund 120 Roboter auf jeweils 1’000 Fabrikarbeitende – mehr als in jeder anderen Branche des verarbeitenden Gewerbes. Da menschliche Arbeitskräfte im Allgemeinen eine Acht-Stunden-Schicht arbeiten, während Roboter täglich drei solche Schichten fahren, beträgt die effektive Quote jedoch 120 Roboter je 333 Fabrikarbeitende.

 

Selbst dann ist die Anzahl der menschlichen Arbeitskräfte im Werk also immer noch dreimal höher als die Anzahl der Roboter. Die Absenz der Menschen hat einen anderen Grund: Roboter sind gefährlich. Die Roboter bewegen sich in Arbeitszellen, das heisst in Bereichen, die von menschlichen Arbeitskräften abgeschottet sind.

 

Trotz dieser Vorsichtsmassnahmen lassen sich Unfälle nicht vermeiden. Im Jahr 2015 wurde ein Arbeiter in einer deutschen Automobilfabrik von einem Roboter erdrückt und starb an seinen Verletzungen. Im selben Jahr wurde ein Ingenieur in einer US-amerikanischen Fabrik von einer Roboteranlage eingeklemmt und getötet. Die Gefahr, die von Robotern ausgeht, schränkt ihre Verwendbarkeit in der Produktion massiv ein, da zahlreiche Prozesse von menschlichem Input abhängen.

 

In einigen Fällen bestünde die Möglichkeit, einen Prozess gänzlich zu automatisieren, jedoch ist der Einsatz von Menschen möglicherweise billiger oder einfacher. Daher werden Roboter im Allgemeinen nur für Arbeiten eingesetzt, die sie völlig automatisch durchführen können.

 

Symbiose zwischen Roboter und Mensch
Eine neue Generation von Robotern ist mit einer Kombination von verschiedenen Sensoren und intelligenten Algorithmen ausgestattet, die es ermöglicht, dass Roboter dicht mit Menschen zusammenarbeiten, ohne dass besondere Sicherheitsmassnahmen wie Arbeitszellen erforderlich sind.

 

Diese Roboter der neusten Generation werden aufgrund ihrer Nähe zum Menschen als «kollaborative Roboter» oder kurz «Cobots» bezeichnet. Diese Neuerung dürfte hinsichtlich der Anzahl an Robotern in den Industriewerken und deren Arbeitsumfang einen Quantensprung bedeuten.

Tatsächlich lassen sich viele dieser neuartigen Roboter nicht nur gefahrlos zusammen mit Menschen einsetzen, sondern sie sind auch in der Lage, Menschen in Hochrisikoeinsätzen abzulösen.

 

Preis – Einsatz auf breiter Front
Der technologische Fortschritt bei Robotern bringt nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch günstigere Preise und eine gesteigerte Benutzerfreundlichkeit. Heutzutage können sich auch Klein- und Kleinstunternehmen einen Teil derselben Produktivitäts-, Effizienzsteigerungs- und Qualitätssicherungstools zunutze machen, die den Industriegiganten schon seit Jahrzehnten zur Verfügung stehen.

 

Universal Robots, der aktuelle Marktführer im Cobots-Bereich, veröffentlichte vor kurzem die Broschüre «Are you too small for Robotics?». Der Leser wird durch einen Fragenkatalog geführt, der mit folgenden Worten endet:

«Cobots sind die ideale Lösung für kleine und mittelgrosse Hersteller fast aller Arten von Produkten. Erfahren auch Sie, wie Sie Ihr Geschäft ausbauen, Ihre Produktivität und Qualität steigern und den Komfort sowie die Sicherheit am Arbeitsplatz für Ihre Mitarbeitenden erhöhen können.»

Die Preise herkömmlicher Industrieroboter hängen von ihrer Einsatzart und ihrer Grösse sowie vom Umfang der Kundenbestellung ab und können bedeutende Schwankungen aufweisen. Ein einzelner Roboterarm kostet im Allgemeinen zwischen USD 50’000 und USD 150’000. Bis der gekaufte Roboter eingerichtet, kalibriert und programmiert ist, hat sich dieser Preis bereits etwa verdoppelt.

 

Ist ein automatisiertes System zur Versorgung des Roboters erforderlich, kann der Preis durchaus auch noch höher liegen. Zudem fallen Installationskosten für Sicherheitsmassnahmen rund um das System an. Auch wenn ein Roboter installiert ist und eine Weile genutzt wird, heisst das nicht, das der Prozess abgeschlossen ist. Neue Aufgaben, die eine Umprogrammierung des Roboters erfordern, können ebenfalls ein bedeutender Kostenfaktor sein.

 

Roboter werden erschwinglich
Daher waren Roboter für die meisten KMU in der Vergangenheit unerschwinglich. In den letzten Jahren aber hat eine Reihe von Unternehmen Roboter entwickelt, die bereits für USD 20’000 erhältlich sind. Diese neuartigen Roboter nutzen innovative Technologien wie Kraftregelung, industrielle Bildverarbeitung und «program by demonstration» und sind daher für die menschlichen Mitarbeitenden sicher, leicht einzurichten und einfach zu programmieren.

 

Zu Beginn dieses Jahres veröffentlichte Robotiq, ein Hersteller von Roboterwerkzeugen, einen «Einkaufsführer für Cobots», der Systeme in einer Preisklasse zwischen USD 20’000 und USD 40’000 aus über 20 verschiedenen Unternehmen vergleicht. Roboter dieser Preisklasse sind auch für Kleinsthersteller erschwinglich, lassen sich aber ebenso bei Grossfirmen in wesentlich grösserem Umfang einsetzen.

 

Das Unternehmen Rethink Robotics in Boston, das Cobots herstellt, hat einige der wesentlichen Unterschiede seines Cobots «Baxter» im Vergleich zu herkömmlichen Industrierobotern zusammengefasst

Autohersteller investieren schon seit Jahrzehnten in herkömmliche Industrieroboter und wissen genau, welche Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen die Robotik ermöglicht. Sie zählen auch zu den ersten Unternehmen, die diese neuen Technologien eingeführt haben.

 

Die Werke, in denen diese neuartigen Robotertechnologien derzeit erprobt werden, sind auch unter der Bezeichnung «Fabriken der Zukunft» bekannt. Bei Volkswagen unterstützen Cobots die Mitarbeitenden beim Anziehen schwer zugänglicher Schrauben in Antriebssträngen; der Audi R8 wird inzwischen in einem modularen und mobilen Arbeitszellenformat anstatt wie sonst üblich in einer linearen Fertigungsstrasse gebaut.

 

BMW setzt 3-D-Drucker ein, um über 10’000 Teile des Rolls-Royce Phantom herzustellen, und die Belegschaft der Leipziger Panamera-Karosseriewerkstatt von Porsche dürfte derzeit mit die höchste Roboterdichte der Welt aufweisen.

Spatial Economics
Bei niedrigerem Preis und geringerer Komplexität lohnt sich der Einsatz von Robotern auch für Unternehmen mit kleinerem Produktionsvolumen sowie für Unternehmen mit einer breiten Produktpalette. Industriegiganten mit hohen Stückzahlen und wenig diversifizierter Produktpalette sind nicht länger die Einzigen, die Roboter nutzen können. Günstigere Preise machen Robotiklösungen selbst für die kleinsten Hersteller wirtschaftlich tragbar.

Doch damit nicht genug: Die Robotik hat das Potenzial, die Ökonomie des verarbeitenden Gewerbes auch in anderer, grundlegenderer Weise neuzugestalten. Die Wirtschaftstheorie lehrt, dass Fabriken erbaut werden, um die Nutzung des in Maschinen und Anlagen investierten Kapitals zu maximieren.

 

Ein signifikanter Preisrückgang bei diesen Produktionsmitteln könnte einige Hersteller jedoch veranlassen, ihre Fertigungszentren in verschiedene kleinere Standorte verstreut zu verlegen und das Endprodukt so näher zum Kunden zu bringen, die Lieferzeiten zu verkürzen und eine kundenspezifischere Produktgestaltung zu ermöglichen.

Es gibt bereits erste konkrete Beispiele für einen solchen Trend. Laut der Boston Consulting Group2 ist Daimler-Benz der Ansicht, dass Kunden schon in naher Zukunft noch in letzter Minute Änderungen an den individuell für sie gestalteten Fahrzeugen vornehmen können. Das hochgradig automatisierte Werk von Adidas im deutschen Ansbach trägt den Beinamen «Speedfactory».

 

Es ist darauf ausgelegt, Laufschuhe an einem einzigen Tag zu produzieren statt in zwei bis drei Monaten3 in einer traditionellen Fertigungskette. Es wird erwartet, dass die Roboter- und Fertigungskosten in Hochlohnländern wie Deutschland durch die Möglichkeit, kleine Volumen oder sehr zielgruppen- und trendspezifische Schuhe zu produzieren, mehr als kompensiert werden.

 

Fazit
Der technische Fortschritt beschert uns nicht nur günstigere Roboter und Automationssysteme, sondern auch sicherere, intelligentere und benutzerfreundlichere Lösungen. Daher dürften Roboter immer häufiger und in immer grösserem Umfang Verwendung finden, zum Beispiel in Wirtschaftszweigen wie dem Gastgewerbe, dem Gesundheitswesen oder der Dienstleistungsbranche.

 

Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um einen strukturell wachsenden Trend, da die meisten Hersteller und Industriezweige sich dem Potenzial und der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Robotern in ihrer Branche heute noch nicht bewusst sind.

Mit der zunehmenden weltweiten Einführung von automatisierten Systemen und Roboterlösungen zur Steigerung der Produktivität, zur Verbesserung der Lebensqualität oder vielleicht auch zur Erledigung von schmutzigen oder gefährlichen Arbeiten dürfte die Sicherheit dieser Systeme immer entscheidender werden.

 

Zwischen Robotik und Sicherheit besteht eine symbiotische Beziehung: Mehr automatisierte Systeme erfordern mehr Sicherheits- und Kontrollmechanismen. Diese lassen sich wiederum nur mit zusätzlichen automatisierten Steuerungs- und Koordinationsinstrumenten effizient betreiben.

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