Die unterschätzte Kehrseite der Dividendenstrategie – auch Warren Buffett ist bei Dividendenaktien skeptisch!
Dividendenzahlungen gelten unter Privatanlegern als Inbegriff solider Kapitalanlage. Regelmäßige Ausschüttungen suggerieren Stabilität, Verlässlichkeit und einen greifbaren Ertrag — Eigenschaften, die gerade in volatilen Marktphasen beruhigend wirken. Doch hinter der scheinbar attraktiven Fassade verbirgt sich eine finanzielle Realität, die von vielen Marktteilnehmern systematisch missverstanden wird.
Während Banken, Fondsanbieter und Finanzmedien die Vorzüge von Dividendenstrategien hervorheben, warnen erfolgreiche Investoren wie Warren Buffett seit Jahrzehnten vor den strukturellen Nachteilen regelmäßiger Ausschüttungen.
Der fundamentale Irrtum: Dividenden sind keine Zinsen
Anders als bei einem Zins, den ein Kreditnehmer an den Gläubiger zahlt und der tatsächlich einen Mehrertrag darstellt, bezahlen sich Aktionäre ihre Dividenden letztlich selbst.
Der Mechanismus ist mathematisch eindeutig.
Am Tag der Ausschüttung, dem sogenannten Ex-Dividenden-Tag, verringert sich der Aktienkurs um exakt den Betrag der gezahlten Dividende. „Die Summe aus Depotwert und Kontoguthaben bleibt bei sonst gleichen Bedingungen konstant“, erklärt Michael Thaler von TOP Vermögen.
Ein Anleger, der 1.000 Aktien zu je 50 Euro hält und eine Dividende von 6% erhält, findet nach der Ausschüttung 3.000 Euro auf seinem Verrechnungskonto. Gleichzeitig notieren die Aktien nur noch bei 47 Euro — das Gesamtvermögen von 50.000 Euro hat sich nicht verändert.
Diese Tatsache wird in der öffentlichen Diskussion oftmals ausgeblendet.
Warren Buffetts Ablehnung: Ein rentableres Geschäftsmodell
Dass einer der erfolgreichsten Investoren der Geschichte Dividenden kritisch gegenübersteht, sollte zu denken geben. Warren Buffetts Holding Berkshire Hathaway hat seit Ewigkeiten keine Dividenden mehr gezahlt — eine bewusste strategische Entscheidung.
Darüber hinaus investiert Buffett bevorzugt (aber nicht ausschließlich!) in Unternehmen, die ebenfalls auf Ausschüttungen verzichten oder diese minimal halten.
Berkshire Hathaway Chart
Die Logik dahinter ist bestechend einfach. Wachstumsstarke Unternehmen mit hoher Kapitalrendite können das einbehaltene Kapital deutlich rentabler einsetzen, als es auf den Konten privater Anleger der Fall wäre.
Ein Unternehmen, das systematisch 20% Rendite auf sein eingesetztes Kapital erzielt, vernichtet durch eine Dividendenzahlung von 6% faktisch Wertschöpfungspotenzial.
Das Rechenbeispiel ist eindeutig. Ohne Dividende erwirtschaftet ein solches Unternehmen auf 100 Einheiten Kapital eine Rendite von 20 Einheiten — der Gesamtwert steigt auf 120 Einheiten. Bei einer Ausschüttung von 6% verbleiben jedoch nur 94 Einheiten im Unternehmen, die mit 20% rentieren; das Ergebnis beträgt lediglich 112,8 Einheiten. Die Differenz von 7,2 Einheiten entspricht dem Opportunitätsverlust durch die Dividendenzahlung.
„Aus Unternehmenssicht ist eine Dividende nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn keine attraktiveren Investitionsmöglichkeiten existieren“, konstatiert Vermögensverwalter Albrech.
Unternehmen, die regelmäßig hohe Dividenden zahlen, signalisieren implizit, dass sie ihr Kapital nicht gewinnbringend reinvestieren können — unter Umständen ein bedenkliches Signal für wachstumsorientierte Anleger.
Steuerliche Nachteile verstärken den Renditeverlust
Neben den strukturellen Nachteilen kommen steuerliche Belastungen hinzu. Dividendenzahlungen unterliegen in Deutschland der Abgeltungsteuer von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Diese Steuerlast schmälert die verfügbare Ausschüttung sofort — während bei thesaurierenden Investments die Besteuerung erst beim tatsächlichen Verkauf anfällt.
Dieser Steuerstundungseffekt kann über lange Zeiträume erhebliche Auswirkungen haben. Kapital, das nicht sofort versteuert werden muss, kann weiter produktiv arbeiten und selbst Rendite erwirtschaften. Die regelmäßige Versteuerung von Dividenden hingegen entzieht dem Anleger Jahr für Jahr Kapital, das andernfalls hätte reinvestiert werden können.
Für welche Anleger Dividenden dennoch relevant sein können
Trotz der aufgezeigten Nachteile gibt es Situationen, in denen Dividendenstrategien eine gewisse Berechtigung haben. Anleger, die auf regelmäßige Entnahmen angewiesen sind — etwa Rentner, die von ihrem Vermögen leben müssen — können durch Dividenden einen planbareren Cashflow generieren, ohne Anteile verkaufen zu müssen.
Auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle. Viele Anleger empfinden regelmäßige Ausschüttungen als beruhigend und vertrauensbildend; dies kann dazu beitragen, dass sie ihre Investitionen auch in Krisenzeiten halten, anstatt in Panik zu verkaufen.
Dieser Verhaltenseffekt kann die mathematischen Nachteile unter Umständen kompensieren.
Dennoch sollten auch diese Anleger die Opportunitätskosten ihrer Entscheidung verstehen.
Wer in der Entsparphase auf Dividenden setzt, hätte in den Jahrzehnten zuvor mit thesaurierenden Investments ein deutlich höheres Vermögen aufbauen können — was letztlich höhere Entnahmen ermöglicht hätte.
Aber es gibt immer wieder Dividendenaktien, die beides schaffen: Wachstum und Dividende!
Hierzu gehören z.B. Shell und BP:

Die BP-Aktie konnte in den letzten 6 Monaten über 10% zulegen und die Dividende lag bei 5,5%.

Die Shell-Aktie konnte in den letzten fünf Jahren fast genau 100% zulegen und hat eine aktuelle Dividendenrendite von ganz knapp unter 4%.
Fazit: Vermögensaufbau erfordert Verzicht auf regelmäßige Ausschüttungen
Langfristig orientierte Anleger, die Vermögen aufbauen möchten, sind mit thesaurierenden Investments deutlich besser bedient. Der Zinseszinseffekt kann nur dann seine volle Kraft entfalten, wenn Gewinne im Unternehmen verbleiben und dort produktiv reinvestiert werden.
Wachstumsorientierte Unternehmen mit hoher Kapitalrendite meiden Dividendenzahlungen bewusst — sie wissen, dass sie das Kapital rentabler einsetzen können als ihre Aktionäre.
Warren Buffetts Erfolg basiert nicht zuletzt auf der konsequenten Umsetzung dieser Erkenntnis.
Allerdings ist die Aktienauswahl bei Wachstumsaktien nicht ganz einfach!
Disclaimer & Risikohinweis
Die bereitgestellten Informationen und Materialien dienen ausschließlich allgemeinen Informationszwecken und stellen keine Anlageberatung dar. Sie ersetzen nicht die individuelle Beratung durch einen qualifizierten Finanzberater. Leser sollten eigenverantwortlich handeln und sich umfassend informieren, insbesondere durch die Lektüre relevanter Börsenprospekte und anderer offizieller Dokumente. Für weiterführende Informationen wird empfohlen, die jeweilige Webseite des Herausgebers zu konsultieren. Der Autor übernimmt keine Haftung für Verluste oder Schäden, die direkt oder indirekt aus der Nutzung oder dem Vertrauen auf die bereitgestellten Inhalte entstehen.
Offenlegung gemäß § 80 WpHG zwecks möglicher Interessenkonflikte: Der Autor kann in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten investiert sein. Die Autoren der Veröffentlichungen verfassen diese Informationen auf eigenes Risiko. Analysen und Einschätzungen werden nicht in Bezug auf spezifische Anlageziele und Bedürfnisse bestimmter Personen erstellt. Veröffentlichungen, die bestimmte Situationen an den Finanzmärkten kommentieren sowie allgemeine Aussagen hinsichtlich der Finanzmärkte, stellen keine Beratung dar und können nicht als solche ausgelegt werden. Der Autor haftet nicht für Verluste, die direkt oder indirekt durch getroffene Handlungsentscheidungen in Bezug auf die Inhalte der Veröffentlichungen entstanden sind.
Investitionen in Wertpapiere und andere Finanzinstrumente sind mit erheblichen Risiken verbunden, einschließlich des möglichen Totalverlusts des eingesetzten Kapitals. Leser sollten sich der Risiken bewusst sein und vor Investitionsentscheidungen eine unabhängige und professionelle Beratung in Anspruch nehmen.
Bitte beachten Sie, dass vergangene Wertentwicklungen keine Garantie für zukünftige Ergebnisse darstellen. Die dargestellten Informationen können durch aktuelle Entwicklungen überholt sein. Es wird keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der bereitgestellten Inhalte übernommen.
Für weiterführende Informationen wird empfohlen, die jeweilige Webseite des Herausgebers zu konsultieren.
Themen im Artikel









