Private Altersvorsorge: Die eigentlichen Probleme bleiben ungelöst
So empfiehlt es die „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ in ihrem Abschlussbericht auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums.
So weit, so gut.
Doch wie sehen die von der Kommission diskutierten Vorschläge sowie die daraus abgeleiteten Empfehlungen konkret aus?
Ich habe mir das genauer angesehen – und bin ernüchtert. Letztlich ist der Bericht das Ergebnis eines Kompromisses und stellt auf den ersten Blick den kleinsten gemeinsamen Nenner der in der Fokusgruppe vertretenen Interessengruppen dar – Versicherungswirtschaft, Fondsindustrie und Verbraucherschutz.
Bei genauerer Betrachtung spiegelt er aber leider nur die Interessen der Finanzbranche wider.
Empfehlung für Altersvorsorge: Mehr Aktien, aber Defizite in Riester-Verträgen bleiben
Im Wesentlichen hat man sich auf die Empfehlung geeinigt, in Zukunft darauf zu verzichten, die Anbieter zur garantierten Rückzahlung der eingezahlten Beiträge zu verpflichten.
Dies erlaubt es, in Zukunft größere Anteile der angesparten Beträge in Aktien zu investieren, deren Risiken man langfristig für überschaubar hält. Zudem soll zukünftig nicht mehr gelten, dass mit einem geförderten Altersvorsorgeprodukt zwingend eine Rentenzahlung bis ans Lebensende (Leibrente) verbunden sein muss.
Beide Empfehlungen sind meines Erachtens sinnvoll und können von daher nur unterstützt werden.
Manchmal wird argumentiert, die geringen Renditen lägen an der Beitragsgarantie, die einen nennenswerten Aktienanteil verhindere.
Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Insbesondere Riester-Verträge haben sich nicht nur deshalb nicht gelohnt, weil man zu wenig in Aktien investieren durfte, sondern auch, weil meistens in zu teure und ungeeignete Anlagen investiert wurde.
Der Abschlussbericht lässt befürchten, dass sich das auch in Zukunft nicht ändern wird. Der einzige vorliegende Vorschlag, der in der Lage gewesen wäre, dieses Problem ernsthaft anzugehen – nämlich ein von der Verbraucherzentrale angeregter öffentlich verwalteter Fonds –, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Offenbar war man in der Fokusgruppe der Meinung, dass der Wettbewerb von selbst für geeignete und kostengünstige Angebote sorgen werde.
Provisionsgetriebene Verkaufsinteressen schaden dem Vertrauen in Altersvorsorgeprodukte
Es gibt dabei keinen souveränen Konsumenten, der genau weiß, was er will und braucht, und dann – nachdem er objektiv beraten wurde – die für ihn passende Anlage auswählt. Statt diesem Idealbild zu entsprechen, hat dieser Markt mehr Gemeinsamkeiten mit dem Gesundheitswesen, wo sich Patient und Arzt eben nicht auf Augenhöhe gegenüberstehen.
Realität ist, dass der Patient genau das macht, wozu ihm der Arzt rät – im berechtigten Vertrauen darauf, dass dies auch zu seinem Besten ist.
Ein solches Vertrauen ist in der provisionsgetriebenen Finanzbranche allerdings nicht angebracht. Denn hier dominiert das Interesse, möglichst hoch verprovisionierte Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen.
Diese Interessenlage trifft auf Anleger, die letztlich nicht in der Lage sind, die diversen Angebote zu beurteilen, deren eigentlicher Wert sich ja erst nach Jahrzehnten zeigt.
Daher wird gerne mit kurzfristig wirkenden Effekten, die für den langfristigen Erfolg nachweisbar irrelevant sind, ein Qualitätsstandard suggeriert, der tatsächlich nicht vorhanden ist – zum Beispiel mit einer besonders guten Wertentwicklung im zurückliegenden Jahr.
Den Beratern wird dabei nicht selten mehr oder weniger blind vertraut. Auf diese Weise lassen sich ganz einfach überteuerte Produkte verkaufen.
Unzureichende Empfehlungen und hohe Kosten
Angesichts dieser Konstellationen mutet es geradezu weltfremd an, wenn sich die Fokusgruppe in ihrem Bericht über die „geringe Kostensensibilität“ seitens der „Altersvorsorgenden“ wundert und feststellt, dass „mehr als 60% der Personen mit Riester-Vertrag (…) bei Abschluss kein Vergleichsangebot eingeholt“ hatten.
Die traurige Realität der provisionsgetriebenen Anlagewelt ist: Die Produkte sind nicht deshalb teuer, weil sie kompliziert sein müssen, sondern sie sind kompliziert, weil sie teuer sein sollen.
Leider sind die im Abschlussbericht letztlich empfohlenen Maßnahmen nicht geeignet, die Unzulänglichkeiten der privaten Altersvorsorge zu beseitigen.
Dabei gibt es durchaus entsprechende Anregungen, wie die gravierendsten Defizite vermieden werden könnten, ohne dass es hierzu eines von der öffentlichen Hand verwalteten Fonds bedarf.
Wir selbst haben hierzu einen konkreten Vorschlag unterbreitet, der sich an das britische Modell der „Individual Savings Accounts“ anlehnt, das vor allem durch seine Unkompliziertheit sowie eine Einkommenssteuerbefreiung innerhalb gewisser Grenzen die private Altersvorsorge enorm angeregt hat.
Der Abschlussbericht sowie die Tatsache, dass die Innovatoren des Finanzdienstleistungssektors, sprich die Fintechs, Online-Broker und Robo-Advisor, nicht ernsthaft gehört wurden und in der Fokusgruppe nicht vertreten waren, sind ein Beleg dafür.
Deshalb sind die Vorschläge der Kommission, so gut sie auf den ersten Blick wirken mögen, bei genauerer Betrachtung wieder einmal nur ein halbherziges Reförmchen statt einer echten Reform.
Das ist bitter, vor allem für die Millionen Deutschen, die dringend auf eine zukunftsfeste Altersvorsorge angewiesen sind.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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Die Quirin Privatbank AG wurde 2006 als erste Honorarberaterbank in Deutschland gegründet – mit der Mission, die Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Die Bank ist Spezialist für professionelle, individuelle Vermögensverwaltung und einen langfristigen Vermögensaufbau.
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