Schwacher US-Dollar als Balsam für die Seele von Aktien der Schwellenländer

Trotz aktueller Krisen sind die Emerging Markets nicht mehr die anfälligen Sorgenkinder an den Finanzmärkten. Wurden sie früher bei allen Problemen gegenüber den Industrieländern gemieden, so präsentieren sie sich heutzutage bemerkenswert stabil. Vieles spricht für ein „Weiter so“.

Handelskrieger Trump: Raue Schale, weicher Kern?

Trumps Zoll-Androhungen haben auch der konjunkturellen Stimmung in den Schwellenländern zugesetzt.

 

 

Kurz vor Ablauf der von Trump gesetzten Verhandlungsfrist sind konkrete Ergebnisse in puncto Handelsabkommen tatsächlich noch Mangelware. Das nährt die theoretische Gefahr, dass Trump seine reziproken Zölle ab 9. Juli für eine Vielzahl von Schwellenländern wie Thailand (36 Prozent) Taiwan (32 Prozent), Indien (26 Prozent), Südkorea (25 Prozent) und Brasilien (10 Prozent) doch noch verhängt.

Für diese Länder verlöre dann der amerikanische Absatzmarkt dramatisch an Potenzial. Alternativ bietet China mit seinen binnenwirtschaftlichen Schwächen und der strikten Verfolgung eigener Exportanstrengungen keinen schnellen Ausweg. Und Europa erholt sich nur allmählich.

Jedoch zeigen selbst Amerika und China Annäherung über Zwischenlösungen. Auch mit Vietnam wurde bereits eine Übereinkunft erzielt, wonach direkte Exporte in die USA mit einem Zoll von 20 anstatt den angekündigten 46 Prozent belegt werden, während Zölle von 40 Prozent auf Güter fällig werden, die in Vietnam umgeladen werden. So sollen indirekte Exporte Chinas verhindert werden. Im Gegenzug schafft die vietnamesische Regierung Importzölle auf US-Produkte ganz ab. Und auch mit Indien scheint ein Deal vor dem Abschluss zu stehen: Neu-Delhi lockert nichttarifäre Handelshemmnisse und senkt Importzölle auf US-Autos und bestimmte landwirtschaftliche Produkte.

Grundsätzlich sind Trumps Zoll-Androhungen nicht in Stein gemeißelt. Trotz seines harten unorthodoxen Verhandlungsstils ist Flexibilität im Spiel. Es liegt am amerikanischen Eigennutz. Trump ist sich bewusst, dass Amerika aus Schwellenländern Vorprodukte importiert, die im Inland nicht wettbewerbsfähig produziert werden können. Und es geht um intakte Lieferketten bei Rohstoffen.

Ohnehin hat die US-Administration geopolitisch kein Interesse, die Schwellenländer nachhaltig gegen sich aufzubringen. Dies könnte sie zu sehr in die Arme des Erzrivalen China treiben. Sie könnten wirtschaftspolitisch für die USA verloren gehen.

Schwacher US-Dollar als Balsam für die Seele von Aktien der Schwellenländer

Schützenhilfe für Aktien der Schwellenländer kommt ebenso vom US-Dollar. Trumps zoll-, fiskal- und geldpolitische Ideen, die Inflations- und Wachstumszweifel nähren, begünstigen die Schwäche der Weltleitwährung. Über die umgekehrte Stärke der Währungen der Schwellenländer wird der früher so typischen Anlegerangst vor Währungsverlusten mit Kapitalflucht nach Amerika vorgebeugt.

 

Und sobald Trump einen Nachfolger für den Chefposten der Fed benannt hat – den er nur nominieren will, wenn er sich offen zu Zinssenkungen bekennt und vielleicht sogar verstärkten Anleihekäufen taubenhafter gegenübersteht – springt ebenso die Zinssenkungsfantasie wieder an. Diese spricht perspektivisch weiter für einen schwachen Dollar.

Überhaupt verbilligt ein moderater Dollar den Schuldendienst der Schwellenländer, die ihre Kredite mehrheitlich in US-Valuta aufnehmen. Das stärkt die Bindung Asiens und Südamerikas an den US-Dollar und damit finanzwirtschaftlich die Machtbasis Amerikas gegenüber China.

Die Schwellen- rücken wirtschaftlich immer mehr zu den Industrieländern auf

Nicht zuletzt überflügelt das auf 12-Monatssicht erwartete Gewinnwachstum der Schwellenländer trotz absolut nüchterner Erwartungshaltung jenes der Industrieländer im Vergleich deutlich. Hintergrund ist vor allem die ständige Verbesserung der Standortbedingungen. Viele dieser Länder nehmen sich übrigens ein Beispiel an Deutschland zu seinen Wirtschaftswunder-Jahren. Sie wissen, dass Umverteilung am besten gelingt, wenn es etwas umzuverteilen gibt. Heute muss das politische Berlin von Asien lernen.

 

Bewertungstechnisch befinden sich die Aktien der Schwellenländer weiter im „Sonderangebot“. Im Vergleich zu den USA, aber auch Europa und Japan ist ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis klar niedriger. Das ist ihrem Klischee als „Schwellenländer“ geschuldet. Doch passt dieses Etikett immer weniger.

 

 

In Erwartung von Deals steigt der Risiko-Appetit der Anleger insbesondere bei Ländern mit umfangreichen Handelsbeziehungen zu Amerika. Der bei Verhandlungen auf Verständigung setzende Umgang von Mexiko, Brasilien und Indien mindert das Risiko von harten Restriktionen der Trump-Regierung zusätzlich.

Sowieso können diese Länder mit einer wachsenden Mittelschicht und Binnennachfrage den Außenhandelszwängen etwas entgegensetzen. Und die rohstofflastigen Emerging Markets profitieren vom schwachen Dollar über seine preissteigernde Wirkung auf Rohstoffe.

Und in Asien, z.B. in Indien, Taiwan und Südkorea, bietet die stetig wachsende Bedeutung von Zukunftsbranchen wie Internet, E-Mobilität, Digitalisierung und Finanzen anhaltend attraktive Anlagechancen.

 

 

Insgesamt, statt in alte Muster zu verfallen, wonach die Aktienmärkte der Schwellen- bei Unsicherheit deutlich stärker leiden als die Industrieländer, verzeichnen sie gegenwärtig eine Outperformance.

So haben internationale Kapitalzuflüsse zu Kursgewinnen an den Aktienmärkten der Emerging Markets von durchschnittlich 15 Prozent seit Jahresbeginn (Basis MSCI Emerging Markets Index) geführt gegenüber einem Zuwachs der Industrieländer von knapp zehn Prozent.

 

Die vor diesem Hintergrund abnehmende Risikoaversion zeigt sich in einer klar rückläufigen Volatilität von Aktien der Schwellenländer.

Grafik der Woche

Für risikofreudige, spekulative Anleger sind Staatsanleihen der Schwellenländer als Portfoliobeimischung interessant. So bieten beispielsweise 10-jährige Staatspapiere in Indien immer noch Renditen von rund sechs, in Mexiko und Brasilien sogar von neun und 14 Prozent.

Ebenso setzt sich der Trend rückläufiger Inflation in den Emerging Markets fort. Das spricht für anhaltende geldpolitische Entspannung mit positiven Ausstrahleffekten auf Anleihekurse.

Marktlage – Warten auf Handels-Godot

Kurz vor Ablauf der von Trump für den 9. Juli gesetzten Zoll-Karenzzeit zeigen sich die Börsen eher sorglos. Sie freuen sich über jede Deeskalation. Der DAX hat das beste erste Halbjahr seit 2007 hinter sich. Trumps Äußerungen, wonach er z.B. eine Fristverlängerung in den Gesprächen mit Japan klar ausschließt, nehmen die Aktienmärkte weniger ernst. Sie vertrauen auf „Taco“, Trump always chickens out. Bisher erzielte Ergebnisse in Handelsfragen sehen sie als gutes Omen, dass es auch mit anderen wichtigen Handelspartnern zu Rahmenverträgen kommen wird.

Auch die EU signalisiert mit ihrer Bereitschaft, einen US-Basiszoll von zehn Prozent dauerhaft zu akzeptieren, klaren Einigungswillen. Zwar bleibt abzuwarten, ob die USA auch den von Europa geforderten Quoten und Ausnahmen bei Autos sowie Stahl und Aluminium zustimmen. Immerhin, angesichts der alternativ von Trump angedrohten Zölle von 50 Prozent könnten europäische Unternehmen damit im Vergleich besser leben. Und es gäbe wieder Planungssicherheit.

Grundsätzlich ist die Handels-Kuh noch nicht vom Eis. Laut EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bereite sich die EU auch auf die Möglichkeit vor, dass kein zufriedenstellendes Abkommen mit Amerika erzielt werde. Im Falle eines Scheiterns und Einführung heftiger US-Importzöllen seien auch Gegenzölle möglich. Klappern gehört auch bei der EU zum Handwerk. Doch sollte eine Fristverlängerung für Verhandlungen bzw. eine Grundsatzeinigung möglich sein, um den handelspolitischen Casus Belli zu verhindern, bei dem auch Amerika inflations- und wachstumsseitig angegriffen wird.

So oder so, selbst wenn die Welt nicht zur Globalisierungs-Diaspora wird, am Ende wird das Zoll-Niveau auf US-Importe mindestens dreimal so hoch ausfallen wie vor Trumps Amtsantritt. Das perspektivische Gewinnwachstum von US-Unternehmen wird bereits von steigendem Kosten- bzw. Margendruck getrübt. An Wall Street diskutiert man schon das Ende des Gewinnwachstumstrends. Jedoch stapeln Firmenchefs zurzeit sehr tief, was positive Überraschungseffekte erwarten lässt.

Konjunkturstabilisierend wirkt sicherlich auch Trumps „Big Beautiful Bill“. Das Haushaltspaket verlängert zentrale Steuersenkungen aus Trumps erster Amtszeit, schafft Investitionsanreize für Unternehmen, die ihre Fabriken modernisieren wollen und stärkt Militär und Grenzschutz.

Allerdings erhöht sich dadurch auch die ohnehin schon unfassbare US-Staatsverschuldung um etwa 3,4 Bill. US-Dollar über die nächsten zehn Jahre. Umso stärker dürfte Trump nun den Druck auf die US-Notenbank erhöhen, auf deren zinsdrückende Unterstützung er nun noch stärker angewiesen ist.

Tatsächlich deutete Fed-Chef Powell im Rahmen des EZB-Notenbankforums in Sintra an, dass er sich nicht mehr völlig gegen eine Zinssenkung möglicherweise schon im Juli sperrt, wenn es die nächsten Konjunkturdaten nahelegen. Ohne Zollrisiken – so Powell – wären sie schon gesenkt worden. Spätestens im September – wenn klarer ist, wie sich die Zölle entwickeln – wird der Zinssenkungstrend jedoch fortgesetzt.

Auch bei der EZB hält die Zinssenkungsfantasie angesichts einer Inflationsrate von zuletzt 2,0 nach 1,9 Prozent an. Sie stört sich zudem am hohen exportunfreundlichen Euro-Kurs.

Sentiment und Charttechnik DAX – Bei Trump gilt nicht das gesprochene Wort

In den USA mahnt der im Bereich extremer Gier notierende Fear & Greed Index von CNN Business als Kontraindikator zur Vorsicht vor zwischenzeitlichen Abwärtsbewegungen im Sommer.

So könnten mögliche Querschläger aus dem Weißen Haus nach Ablauf der Zoll-Karenzzeit am 9. Juli die optimistischen Anleger auf dem falschen Fuß erwischen und ruckartige Kursrücksetzer auslösen. Dennoch werden Anleger an ihrer Einschätzung festhalten, dass Trumps Zölle weiterhin Mittel zum Zweck sind, die aber tatsächlich keine großen Wunden schlagen. Größere Kursverluste sollten daher für Zukäufe genutzt werden.

  • Charttechnisch liegen im DAX Unterstützungen eng gestaffelt bei 23.800, 23.710, 23.685, 23.630 und 23.620 Punkten.
  • Bei fortgesetzter Aufwärtsbewegung müssen die Widerstände bei 23.925, 23.930, 24.075, 24.120 sowie 24.180 überwunden werden.

DAX Chart

 

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