Auslandsaktien: Gefahr für einen Knick nach unten

Börse FrankfurtNach der jüngsten Rally der internationalen Aktienmärkte sind vor allem an der Wall Street die Anleger beunruhigt. Nach vier Wochen mit überwiegend steigenden Notierungen könnte Verkaufsstimmung aufkommen, weil viele Marktteilnehmer wieder Furcht vor einer früher als geplanten Zinserhöhung der US-Notenbank FED haben.

Zuletzt hatte die FED mit einem moderaten Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm und der Bestätigung weiter niedriger Zinsen für Beruhigung an den Kapitalmärkten gesorgt.

„Die Inflation ist weltweit gestiegen, wofür überall hauptsächlich die Energiepreise verantwortlich waren“, kommentiert Michael Arras von Oddo BHF. Der Preisauftrieb schüre die Zinssorgen. Besonders auffällig sei, dass die Volatilität stark nachgelassen habe.

„Es fehlt den Märkten derzeit an Phantasie für den einen Push, es besteht die reale Gefahr für einen Knick nach unten.“

Darüber hinaus bleibe China ein Unsicherheitsfaktor, weil das Land mit Schließungen von Häfen etc. durchgreife, sobald Corona-Fälle auftreten.

 

Erst Lieferengpässe, dann Margendruck und sinkende Gewinne?

„Auch wenn die Corona-Zahlen an den Börsen wenig berücksichtigt werden, so stehen doch die Folgen derzeit im Mittelpunkt“, denkt Marc Richter von der Baader Bank. „So reichen die Lieferengpässe in der Industrie von Großunternehmen bis zu kleinen Unternehmen und machen viele Produkte und Vorprodukte teuer.“

Das Problem sei, dass verschiedene Branchen Preissteigerungen nicht vollständig an die Kunden weitergeben können, etwas Konsumgüter- und Auto-Hersteller. „Das heißt in der Folge: Margendruck und weniger Gewinn in der Zukunft.“

Die US-Notenbank lasse die Entwicklung zwar noch laufen, doch wenn in acht Monaten das Tapering beendet sein sollte, könne die Ankündigung von Zinserhöhungen erfolgen, möglicherweise erst im dritten, vierten Quartal 2023. Die Aktienmärkte dürften eine Inflation von 5 Prozent aber aushalten.

Die EZB erwarte, dass sich die Inflation wieder der Marke von 2 Prozent annähere, vermutet Richter mit Blick auf den neuen Wirtschaftsbericht der Zentralbank.

„Oft reagiert die EZB ein bis zwei Jahre nach der FED. Vor 2023 dürfte – Stand jetzt – nichts passieren: In Europa ist es noch lange hin bis zur Zinserhöhung.“

 

 

Inflation wie 1990

Die Inflation in den USA ist mit 6,2 Prozent für Oktober so hoch wie zuletzt 1990. Konjunkturbeobachter hatten im Schnitt mit einem Preisauftrieb von 5,9 Prozent gerechnet.

Analysten der Deutschen Bank verweisen in ihrem Tagesausblick darauf, dass neben den USA auch in Tschechien und China die Inflationsraten „überraschend hoch“ ausgefallen seien und Folgen haben könnten: „Allmählich könnte der Schlaf der Fed-Verantwortlichen nun doch vielleicht etwas unruhiger werden und die Märkte frühere oder schnellere Leitzinserhöhungen einpreisen.”

Gleichzeitig sorgten umfangreiche Fördermaßnahmen der Regierung wie die gerade beschlossenen Infrastrukturausgaben über gut eine Billion US-Dollar für eine anhaltend lockere Fiskalpolitik – mit fast 7 Prozent der Wirtschaftsleistung dürfte das öffentliche Defizit 2022 daher immer noch mehr als doppelt so hoch sein wie im langfristigen Durchschnitt.

“Hohe Staatsausgaben in Kombination mit einer laxen Geldpolitik führten in der Vergangenheit häufig zu steigender Inflation.”

In den vergangenen vier Wochen war der Dow Jones um mehr als 2.000 Punkte gestiegen und hatte mehrmals neue Rekordstände erreicht, ebenso der S&P 500 und der Nasdaq Composite. Inzwischen korrigieren die Märkte deutlich. Der Nikkei 225 gehörte erneut zu den schwächsten Indizes. Der Shanghai Composite gab zwischenzeitliche Gewinne wieder ab.

In Europa fällt das Bild hingegen sehr durchwachsen aus. Der WIG-20 in Polen und der ungarische BUX konnten bei der internationalen Rally nicht mithalten, er verliert auf Monatssicht fast 4 Prozent. Die Standardwerte in Stockholm, Wien, Athen zogen hingegen mehrheitlich an.

Am wenigsten beeindruckt vom inflationären Umfeld waren der CAC-40 in Paris, der auf Monatssicht um gut 7 Prozent stieg und der OMX in Kopenhagen mit 10 Prozent Plus. Auch der DAX in Frankfurt hält hohe Notierungen und erreichte mit 16.068 Punkten einen neuen Rekordstand.

In den Vorwochen hatten das Infrastruktur-Paket der USA und eine erfolgreiche Berichtssaison die Stimmung an den Börsen gehoben.

Wie real die Problematik unterbrochener Lieferketten in verschiedenen Branchen ist, zeigte sich indessen ebenfalls zur Berichtssaison: So meldete Adidas Absatzprobleme im wichtigsten Markt China, während Europa und die USA zulegten. Die Aktie, die zuletzt gewonnen hatte, ist wieder deutlich abgesackt.

„Die Märkte sind relativ anfällig im Moment“, findet Richter. Viele Indizes seien am Rekordhoch. „Doch es gibt wenige Nachrichten, die die Märkte weiter nach oben bringen können. Korrekturpotential ist da.“

 

Positive Unternehmensergebnisse – Viele Ausblicke angehoben

Die Berichtssaison verlief dennoch weiterhin überwiegend positiv, wie beispielsweise die jüngsten Zahlen von Siemens zeigten, fasst Arras zusammen. GE meldete bei Vorlage des Zahlenwerkes, sich in drei Bereiche aufzuspalten. „GE vollzieht das, was Siemens bereits vorgemacht hat“, kommentierte er.

Biontech-Aktien gewannen an Wert in Folge der jüngsten Quartalszahlen. Allerdings war die Aktie zuvor von 240 auf unter 200 Euro gesunken. Das Mainzer Unternehmen erzielte im dritten Quartal mehr als 3 Milliarden Euro Gewinn und erwartet nun deutlich bessere Zahlen für das gesamte Jahr als bisher.

Hans-Jürgen Delp von der Commerzbank kommentierte die Berichtssaison mit Blick auf die Unternehmen des S&P 500 positiv: „Zwar konnte das außerordentlich gute Ergebnis des Vorquartals, eine Gewinnsteigerung zum Vorjahr von 84 Prozent, mit einem Gewinnplus von aktuell knapp 42 Prozent nicht wiederholt werden, doch das war angesichts der sehr niedrigen Basis im zweiten Quartal auch nicht erwartet worden.”

Der Trend bleibe dennoch sehr positiv, trotz der beschränkenden Problembereiche Kostenanstiege und Engpässe bei Vorprodukten.

In der Breite seien die Ausblicke für das Gesamtjahr erfreulicherweise angehoben worden. Der Anteil von Unternehmen mit höheren Prognosen falle fast so hoch wie im Rekordquartal Anfang 2018 aus.

In Europa sei die Berichtssaison noch nicht so weit fortgeschritten, „es lässt sich dennoch deutlich ablesen, dass das Niveau ähnlich hoch wie in den USA anzusiedeln ist“.

„In Europa dürften keine großen Überraschungen mehr kommen“, glaubt auch Richter.

 

 

Rivian: Der größte Börsengang des Jahres

Schlagzeilen kamen vor allem aus dem Automobil-Sektor: So gelang dem Hersteller von Elektroautos Rivian, an dem Amazon und Ford beteiligt sind, der größte Börsengang des Jahres: Die Aktie, die zu 78 US-Dollar ausgegeben worden waren, was eine Bewertung von 93 Milliarden US-Dollar ergab, zog zeitweise bis auf 119 US-Dollar an. Zum Handelsende notierte Rivian bei 100,73 US-Dollar.

„Damit ist Rivian die zweitwertvollste Automarke der Welt hinter Tesla geworden“, kommentierte Arras. Das Unternehmen schreibt noch Verluste, hat aber mit seiner Bewertung Konkurrenten wie GM hinter sich gelassen.

Tesla-Aktien waren mehrfach auf neue Rekorde gestiegen, verloren dann aber wieder an Boden. Tesla-Gründer Elon Musk verkaufte eigene Aktien im Wert von 5 Milliarden US-Dollar, mit deren Erlös er Einkommensteuern zahlen wolle.

Musk hatte zuvor auf Twitter die Nutzer darüber abstimmen lassen, ob er 10 Prozent seiner Tesla-Aktien verkaufen soll. 58 Prozent der 3,5 Millionen Teilnehmer waren dafür. Allerdings habe Musk einen relativ kleinen Anteil an Tesla abgegeben, relativierte Arras.

 

Inflation: Gold und Kryptos im Fokus

Die Sorge vor der Inflation hilft Vermögenswerten, die als Inflationsschutz gelten: Mit dem Anstieg des Goldpreises auf ein Fünfmonatshoch errangen Goldminen-Betreiber zuletzt deutliche Kursgewinne.

Auch Kryptowährungen stehen auf den Kauflisten. Mit neuen Rekorden von Bitcoin und Ethereum legten Kryptos der zweiten Reihe in den vergangenen Wochen ebenfalls zu, darunter Cardano und Solana.

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