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Interview mit Thomas Vittner über die Faszination des Tradings

broker-test.de sprach mit Thomas Vittner, Trader, Buchautor und Referent, über die Faszination des Tradings, seine ersten Schritte auf dem Trading-Parkett, warum er auch unsaubere Chartbilder handelt und wie er erkennt, ob jemand das Zeug zum Trader hat.

Herr Vittner, warum ist Trading eigentlich so faszinierend?

Thomas Vittner: “Mich fasziniert dieses Geschäft aus vielen Gründen. Zum einen, weil es eine Beschäftigung ist, die wirklich selbständig und unabhängig macht. Ich merkte selbst erst nach einigen Jahren, dass bei mir der wahre Antrieb nicht das Geld sondern die Freiheit ist, und erfolgreiches Trading macht das möglich.

Was mich noch so reizt ist die Tatsache, dass Trading einerseits einfach, anderseits hoch komplex ist. Um diese Unterschiede herauszuarbeiten, muss man überlegen, woraus ein einzelner Trade besteht. Für mich besitzt jedes Spekulationsgeschäft zwei Seiten: die eine ist das „richtige Handeln“. Dahinter verbirgt sich die mechanische Seite des Geschäfts wie zum Beispiel die Signalsuche, die Ordereingabe oder die Positionsgrößenbestimmung.

Bei der anderen Seite geht es um das „richtige Denken“ und dabei in erster Linie um Disziplin und Gelassenheit. Beides sind Tugenden und Talente, die ein jeder Trader mitbringen oder erlernen muss. Betrachtet man nun das richtige Handeln und das richtige Denken, fällt auf, dass das Handeln an sich einfach ist. Mein Tradingsystem versteht von den Abläufen her ein 12 – jähriges Kind und ich rate jedem Trader, es ähnlich simpel zu halten.

Das Trading als Ganzes gesehen, und jetzt kommen wir zum richtigen Denken, ist jedoch komplex, und diese Seite des Geschäfts ist diejenige, die uns Tradern die meisten Probleme bereitet. Sie merken es ja ohnehin in der täglichen Handelspraxis. Der Trader bereitet sich akribisch auf den Handelstag vor, macht seine Buchhaltung und sein Controlling, und wartet geduldig die Eröffnung an der Börse ab. Wenig später wird Trade No. 1 gestartet, und ab diesem Zeitpunkt wird alles anders. Anstelle des richtigen Handelns zählt plötzlich das richtige Denken, und nun gilt es, die offene Position gelassen zu betreuen.

Das richtige Denken entscheidet also über Sieg oder Niederlage, und das macht Trading für mich so faszinierend. Das Trading und das Verhalten des Traders sind ein Abbild des täglichen Lebens, denn so wie wir im Alltag ständig mit unserer Umwelt kommunizieren, tun wir das natürlich auch an den Märkten.”

Wie hat bei Ihnen alles begonnen? Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Trade?

Thomas Vittner: “Ich wurde in einem Lebensversicherungsseminar meines damaligen Arbeitgebers im Jahr 2001 auf die Börsen so richtig aufmerksam. Versicherungen hatten mir jedoch eine zu lange Laufzeit, denn ich wollte rasch reich werden, wie wohl jeder angehende Spekulant. So investierte ich wenig später eigenständig an den Aktienmärkten, und erlebte bald mein blaues Wunder. Nach einem Jahr hatte ich aufgrund sehr schwacher Börsen gut die Hälfte meines Kapitals verloren, und verkaufte alles entnervt fast am Tief des Marktes. So kam ich vom Investing, das ich heute übrigens parallel mit wesentlich mehr Erfolg wie damals betreibe, zum Trading.

Nach meinen ersten negativen Erlebnissen dachte ich, mir durch den kurzfristigen Handel mein Geld zurückholen zu können. Zu dieser Zeit waren die Märkte sehr volatil und rückblickend sah es einfach aus, aus den Kursschwankungen einen Vorteil zu erzielen. Doch bei diesen Versuchen musste ich meine nächste Niederlage einstecken, und meine Verluste wurden noch größer. An meinen ersten Trade erinnere ich mich nicht, doch insgesamt haben diese Jahre ihre Spuren bei mir hinterlassen. Trotzdem wurde mein Ehrgeiz geweckt, und so etwas wie Aufgeben kannte ich nie. Mittels Fachliteratur versuchte ich mich weiterzubilden, und dabei lernte ich zunächst, wie wichtig es ist, Stopps zu verwenden. Vieles klappte bei mir von Anbeginn natürlich nicht, doch Stopp 1 wurde immer konsequent eingehalten. Deswegen blieb ich stets im Spiel, weil ich mein Kapital durch diese Risikokontrolle beschützen konnte. Mit den Monaten wurde mein Handeln konstanter und ruhiger, und schließlich schaffte ich es, beständige Profite aus den Märkten zu holen. Seit einem guten Jahr bin ich nun selbständiger Trader, der seinen Lebensunterhalt an den Märkten verdient.”

Ab wann wussten Sie: Ich will Trader werden?

Thomas Vittner: “Ich glaube es war 2004, als ich ein Buch mit dem Namen „Rich Dad – Poor Dad“ las. Darin wurde der bürgerliche Mensch beschrieben, der in einer Art Hamsterrad gefangen ist. Er läuft und läuft und merkt nicht, dass er sich nicht von der Stelle bewegt. Die Grundaussage dieses Buches lautet stark vereinfacht wiedergegeben: Reiche lassen ihr Geld für sich arbeiten und genießen das Leben. Der Durchschnittsmensch arbeitet hingegen für Geld und anstatt Werte anzuschaffen, die eigenständig Einkommen generieren, konsumiert er unnütze Sachen, die im Regelfall in der Erhaltung weiteres Kapital benötigen.

Nach dem Lesen dieses Buches bekam ich eine ganz andere Einstellung zum Arbeitsleben. Auch der Blickwinkel auf unsere Gesellschaft änderte sich, und ich wusste, die Börsen boten mir eine Möglichkeit, aus dem Hamsterrad auszusteigen. Nach einigen harten Jahren kann ich sagen: ich habe meinen Traum verwirklicht und lebe heute ein Leben, wie ich es immer wollte. Frei und ungebunden, ohne Leute die einem sagen, was zu tun ist. Ich lebe das Leben eines Traders und bin sehr froh darüber und auch ein kleinwenig Stolz, es geschafft zu haben.”

Wie viel Prozent des Trading-Erfolgs sind Psychologie?

Thomas Vittner: “Ich denke, gut 80 oder mehr Prozent sind es die mentalen Faktoren, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Natürlich braucht man ein stimmiges System, aber ich denke, dass es weniger auf die Methode selbst als auf die saubere Umsetzung dieser Methode ankommt, was uns wiederum zu den Themen Disziplin und Gelassenheit bringt.”

Sie sind Daytrader. Was genau handeln Sie?

Thomas Vittner: “Ich würde mich nicht als Day- sondern als Positionstrader bezeichnen. Ich handle CFDs auf Einzelaktien (USA & Europa) und die Haltedauer eines Trades schwankt zwischen einem und 10 Tagen.”

Nach welcher Methode handeln Sie?

Thomas Vittner: “Ich betreibe eine Art des Swingtradings am Tageschart, wobei ich bei der Auswahl des Chartbildes nicht besonders wählerisch bin. Damit meine ich, dass ich optisch auch sehr „unsaubere“ Chartbilder handle, weil ich stets vor Augen habe, dass die Wahrscheinlichkeit, ob ein Kurs nach dem Kaufzeitpunkt um 1% steigt oder fällt genau bei 50/50 liegt. An der Börse handeln wir eine ungewisse Zukunft und daher macht es nach meinem Denken keinen Sinn, stundenlang über den Charts zu brüten, und die vermeintlich besten Signale zu finden. Ich suche lediglich eine gewisse Duplizierbarkeit in meinem Handeln, und wenn ich einen Swing zu sehen glauben, wird ein Trade gestartet. Ich arbeite also, wenn Sie so wollen mit den Charts, glaube aber nicht an sie.”

Herr Vittner, Sie geben auch Seminar. Wie schnell spüren Sie, anhand der Persönlichkeit, dem Auftreten eines Menschen, ob er sich eignet zum Trader?

Thomas Vittner: “Ich denke, dass grundsätzlich jeder das Zeug zum Trader hat, wenn er seine Nische und seinen Vorteil findet. Die Methode muss zum Trader passen, und wenn er darüber hinaus das richtige Denken verinnerlicht, wird er es auch schaffen. Was ich aber in den Gesprächen mit vielen Tradern immer wieder bemerke, ist die Tatsache, dass viele nicht genügend vorbereitet sind auf dieses Geschäft. Wenn Leute zu mir kommen, eine Coaching Ausbildung durchlaufen wollen, aber nicht einmal grundlegende PC Kenntnisse besitzen, dann meine ich damit, dass Sie nicht vorbereit sind. Oder wenn angehende Trader mich fragen, ob ich nun zwei oder drei Cent über oder unter dem aktuellen Tageshoch eine Position eröffne, dann denke ich, dass auch sie nicht gewappnet sind. Sie wissen nicht mal in Ansätzen, worauf es beim Trading ankommt, und suchen die Antworten in den Charts anstatt in sich selbst.

Danke für das Gespräch!

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