Geldanlage, Aktien, Zinsen & Co.: was bringen Prognosen wirklich?
Quirin Privatbank: Als regelmäßiger Leser unseres Logbuchs wissen Sie, dass wir uns immer sehr nachdrücklich dafür aussprechen, prognosefrei zu investieren – auch wenn das manchen zunächst befremden mag.
Üblicherweise führen wir als Begründung dafür an, dass Prognosen als Grundlage für Anlageentscheidungen einfach nicht zuverlässig funktionieren: Weder die Richtung noch das Ausmaß der Kursveränderungen an den Finanzmärkten kann einigermaßen verlässlich vorhergesagt werden.
Aber auch bei den maßgeblichen volkswirtschaftlichen Kennzahlen funktioniert die korrekte Vorhersage meistens nicht.
Und sollte doch mal jemand eine bestimmte Entwicklung richtig vorhersagen, ist das purer Zufall oder schlichtweg Glück.
Die Zukunft ist ungewiss – insbesondere die Börsen-Zukunft.
Prognosen wechseln schnell, oft folgen sie den Märkten statt umgekehrt
Vor allem die letzten Wochen waren dafür ein Paradebeispiel, nicht nur was das erratische Auf und Ab der Aktienmärkte anbelangt, sondern auch hinsichtlich der ökonomischen Prognosen.
Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass es nicht die Kapitalmärkte sind, die sich an veränderte volkwirtschaftliche Einschätzungen anpassen, sondern dass umgekehrt die Prognosen den Marktentwicklungen folgen.
Lassen Sie als Beleg dieser These einfach mal die zurückliegenden Wochen Revue passieren: Zunächst sackte Anfang August der japanische Leitindex Nikkei 225 um über 12% in den Keller.
Anschließend wurden auch die weltweiten Aktienbörsen teils heftig nach unten gezogen, allen voran die US-Technologiewerte.
Krisenszenarien dominierten, doch schnell kehrte Optimismus dank neuer Daten zurück
Nun sind Katastrophenszenarien für die Finanzmärkte weder etwas Ungewöhnliches noch neu.
Immerhin sind sie die Geschäftsgrundlage vieler entsprechender Finanzmarktpublikationen, so dass man sich über den Sturm im Blätterwald nicht zu wundern braucht.
Was aber dann doch überraschte, war, wie schnell sich auch die volkswirtschaftlichen Einschätzungen veränderten, insbesondere hinsichtlich des weiteren BIP-Wachstums und der Entwicklung der Leitzinsen.
Denn plötzlich gab es nicht nur aus Japan, sondern auch aus der größten Volkswirtschaft der Welt, den USA, besorgniserregende Nachrichten: Schwache Daten vom US-Arbeitsmarkt und aus dem verarbeitenden Gewerbe ließen plötzlich erstmals seit langer Zeit die Gefahr einer Rezession in den USA greifbar werden.
Letztlich kam dann doch wieder mal alles anders: Neuere Konjunkturdaten ließen wieder mehr Optimismus aufkommen, die Konjunkturängste lösten sich schnell in Luft auf und auch die noch kurz vorher aufgekommenen Zweifel am Gewinnpotenzial der KI-Unternehmen waren plötzlich wie weggewischt.
US-Zinsprognosen 2024: Von Senkungen zu möglichen Erhöhungen in 6 Monaten.
Noch wilder ging es an der Zinsfront zu. Bleiben wir der Einfachheit halber mal in den USA, die auch in Sachen Leitzinsen weltweit den Takt vorgeben.
Zum Start des Jahres 2024 herrschte die Überzeugung, dass im Laufe des Jahres die US-Zentralbank das Leitzinsniveau in sechs bis sieben Schritten (à 0,25 Prozentpunkte) massiv absenken würde.
Diese Erwartung korrigierte man anschließend auf nur noch drei mögliche Senkungen bis Jahresende, um dann zur Jahresmitte aufgrund der anhaltend hartnäckigen Inflation nur noch von einem Zinssenkungsschritt auszugehen.
Manche hielten es sogar für möglich, dass Zinssenkungen in 2024 sogar komplett ausfallen könnten, und wir erinnern uns an mindestens eine Stimme, die sogar wieder Zinserhöhungen ins Spiel brachte.
Innerhalb von nur einem halben Jahr gab es somit höchst erstaunliche Wendungen in der Einschätzung einer für die Kapitalmärkte so immens wichtigen Größe wie der US-Leitzinsen.
Diese werden immerhin von einer Institution festgelegt, die eigentlich für Kontinuität und Berechenbarkeit stehen sollte.
Aber selbst von der US-Notenbank gab es im bisherigen Jahresverlauf widersprüchliche Aussagen, wie es denn nun mit den Leitzinsen weitergeht.
Das Zinsprognosekarussell dreht sich weiter: Von 3 Senkungen auf Stabilität
Aktuell bildet sich auch diese Erwartung (aufgrund einer Entwarnung an der Konjunktur- und Börsenfront) schon wieder zurück.
Ein wildes Hin und Her, das sich sehr anschaulich auch in der Entwicklung des Fed-Funds-Future-Kontraktes widerspiegelt, die in nachfolgender Grafik dargestellt ist.
Der besagte Future spiegelt die jeweils aktuellen Erwartungen der Marktteilnehmer für das US-Leitzinsniveau per Jahresende 2024 wider.
So wurde noch Ende Januar ein Leitzinsniveau von 3,75% in den Future-Kontrakt eingepreist, aktuell sind es bereits wieder rund 4,6%.
Nun stellen Sie sich bitte angesichts des skizzierten Prognosekarussells einmal vor, Sie würden all diese Volten mitschlagen und in schneller Abfolge entsprechende Kauf- und Verkaufsorders in Auftrag geben.
Selbst wenn sich die eine oder andere der vielen Prognosen im Nachhinein als richtig erweisen sollte, wären Sie am Ende ärmer, als wenn Sie nichts unternommen hätten … und hätten vermutlich ein zerrüttetes Nervenkostüm.
Fazit
- Gerade in turbulenten Börsenzeiten ist es besonders wichtig, den Verlockungen kurz- und mittelfristiger Prognosen zu widerstehen, auch wenn sie noch so überzeugend klingen.
- Das Vernünftigste ist, Ruhe zu bewahren und vor allem investiert zu bleiben.
- Zwar folgt nach jedem Börsenaufschwung irgendwann unweigerlich eine Korrektur.
- Nur: Wann genau diese kommt, wie stark sie ausfällt und wie lange sie andauert, weiß im Vorhinein niemand … wirklich niemand.
- Solange die Weltwirtschaft und mit ihr die Unternehmensgewinne wachsen, werden sich die Aktienmärkte aber per saldo erfahrungsgemäß positiv entwickeln.
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Infos über Quirin Privatbank AG
Die Quirin Privatbank AG wurde 2006 als erste Honorarberaterbank in Deutschland gegründet – mit der Mission, die Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Die Bank ist Spezialist für professionelle, individuelle Vermögensverwaltung und einen langfristigen Vermögensaufbau.
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