Russland-Ukraine-Krieg: Kampf um Seltene Erden, Kritische Rohstoffe und Co. – die geostrategische Bedeutung der ukrainischen Rohstoffe unter der Lupe
Die Ukraine verbirgt unter ihrer Oberfläche einen außerordentlichen Reichtum an Bodenschätzen, der weit über ihre geografische Größe hinausreicht. Obwohl das Land nur etwa 0,4 Prozent der Erdoberfläche bedeckt, verfügt es über rund 5 Prozent der weltweiten Mineralressourcen.
Dieser Rohstoffreichtum spielt im aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eine bedeutsame Rolle und wird von Experten als einer der wesentlichen Faktoren für die gegenwärtige Situation betrachtet.
Verborgene Schätze auf umkämpftem Boden
Die geologische Vielfalt der Ukraine bildet die Grundlage für ihre beeindruckende Rohstoffausstattung.
Das Land ist in verschiedene geologische Strukturen unterteilt, die jeweils unterschiedliche Mineralvorkommen beherbergen, wie die nachfolgende Karte illustriert:

Geologische Strukturen der Ukraine. Quelle: Geologenverband der Ukraine, veröffentlicht auf www.icog.es
Besonders der Ukrainische Schild (im Bild rosa dargestellt) zeichnet sich durch eine enorme Vielfalt an metallischen Vorkommen aus. Insgesamt wurden auf ukrainischem Territorium etwa 20.000 Minerallagerstätten und Vorkommen von 117 verschiedenen Mineralarten identifiziert.
Die Rohstoffe verteilen sich über verschiedene Regionen des Landes, wobei ein beträchtlicher Teil im Osten und Süden konzentriert ist – also genau in jenen Gebieten, die schon seit drei Jahren besonders umkämpft sind.
Laut aktueller Analysen befinden sich mindestens 40% der metallischen und mineralischen Ressourcen der Ukraine in von Russland kontrollierten Gebieten, basierend auf Schätzungen ukrainischer Think‑Tanks und Kapitalmarktexperten.
Kohle, Öl und Gas: Fossile Energieträger im Osten
Die Ukraine besitzt die größten Kohlevorkommen in Europa. Verschiedenen Schätzungen zufolge belaufen sich die nachgewiesenen Gesamtkohlereserven auf etwa 38 Milliarden Tonnen. Etwa 92,4 Prozent dieser Kohlevorkommen befinden sich im Steinkohlebecken von Donezk (Donbass).
Die Ukraine verfügt zudem über bedeutende Erdgasreserven – mit bis zu 719 Milliarden Kubikmetern die drittgrößten in Europa. Etwa 76,5 Prozent der Erdgasreserven befinden sich in der östlichen Region, besonders in den Oblasten Charkiw und Poltawa.
Schlüsselrohstoffe für Energiewende und Hochtechnologie
Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen kritischer Rohstoffe, die für Zukunftstechnologien unerlässlich sind. Die Ukraine verfügt über Vorkommen von mindestens 21 der 30 von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffe, darunter Lithium, Kobalt, Scandium, Graphit, Tantal und Niob.
Diese Mineralien sind nicht nur für die zivile Industrie von Bedeutung, sondern auch für die Rüstungsindustrie und militärische Anwendungen unverzichtbar.
Die folgende Karte zeigt die Lagerstätten ausgewählter strategisch wichtiger Rohstoffe:

Lagerstätten ausgewählter für die Ukraine strategisch wichtiger Rohstoffe. Quelle: Ukraine: Investment Opportunities in Exploration & Production, Ukrainian Geological Survey, 2022/Germany Trade & Invest
Lithium beispielsweise – ein Schlüsselelement für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge und Energiespeicher – kommt in der Ukraine in beträchtlichen Mengen vor. Nach vorläufigen Schätzungen beläuft sich das Gesamtpotenzial der ukrainischen Lithiumvorkommen auf etwa 500.000 Tonnen Lithiumoxid, was die Ukraine potenziell zu einem bedeutenden Lithiumlieferanten machen könnte.
Von besonderer Bedeutung sind auch die Vorkommen Seltener Erden, die in komplexen Lagerstätten und Erzvorkommen innerhalb des Ukrainischen Schildes gefunden wurden:
Ein weiterer strategischer Rohstoff ist Titan, bei dem die Ukraine weltweit zu den zehn Ländern mit den größten nachgewiesenen Reserven gehört und mehr als 6 Prozent der weltweiten Produktion liefert.
Titan und seine Legierungen sind für die Luft- und Raumfahrttechnik, den Schiffbau, die Medizintechnik und zahlreiche weitere Hochtechnologieanwendungen unverzichtbar.
Die „Kornkammer Europas“ und ihre Bedeutung für die globale Ernährungssicherheit
Neben mineralischen Rohstoffen verfügt die Ukraine über eine der fruchtbarsten Böden der Welt. Das Land besitzt (je nach Quelle) zwischen 30% und 40% der weltweiten Schwarzerdevorkommen und ist ein weltweit bedeutender Exporteur von Agrarprodukten:
Die landwirtschaftliche Bedeutung der Ukraine für die globale Ernährungssicherheit ist kaum zu überschätzen. Die fruchtbaren Schwarzerdeböden sind besonders im südlichen Teil des Landes konzentriert, wie diese Karte zeigt:

Verteilung der Schwarzerdeböden in der Ukraine. Quelle: Ministerium für Agrarpolitik und Ernährung der Ukraine
Vor dem Konflikt erfolgte der Getreideexport vor allem über die großen Seehäfen am Schwarzen Meer – Mykolajiw, Pivdenny (Juschne), Odessa und Chormomorks (Tschornomorsk).
Die Blockade dieser Häfen hat erhebliche Auswirkungen auf die weltweiten Nahrungsmittelpreise und die Versorgung besonders in importabhängigen Ländern in Afrika und im Nahen Osten.
Der Wettlauf um die Rohstoffe der Zukunft
In den Jahren vor dem Konflikt hatte die Ukraine begonnen, ihre Rohstoffpotenziale stärker zu erschließen und strategische Partnerschaften zu entwickeln. So unterzeichnete das Land mit der Europäischen Union eine strategische Partnerschaft für Rohstoffe, um die Abhängigkeit der EU von anderen Lieferanten zu diversifizieren.
Für die USA, die EU und andere westliche Industrieländer stellen die ukrainischen Rohstoffvorkommen eine potenziell wichtige Alternative zu bestehenden Lieferketten dar.
Besonders im Hinblick auf die kritischen Mineralien für die Energiewende und Digitalisierung könnte die Ukraine eine Schlüsselrolle bei der Verringerung der Abhängigkeit von China spielen, das bei vielen dieser Rohstoffe marktbeherrschend ist.
Gleichzeitig sind die Rohstoffvorkommen für Russland von strategischem Interesse. Die Kontrolle über diese Ressourcen würde nicht nur den eigenen Zugang zu wichtigen Materialien sichern, sondern auch die Möglichkeit bieten, Einfluss auf globale Lieferketten auszuüben.
Auswirkungen auf die ukrainische Wirtschaft
Die fehlende Kontrolle über bedeutende Rohstoffvorkommen hat erhebliche Auswirkungen auf die ukrainische Wirtschaft. Wichtige Industrieregionen wie Dnipro, Donezk und Saporischschja, die zusammen fast 40 Prozent der ukrainischen Industrieproduktion ausmachten, sind vom Konflikt betroffen.
Der Verlust der Vorkommen schlägt sich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung nieder, obwohl der Dienstleistungssektor weiterhin den größten Anteil am BIP ausmacht:

Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Ukraine von 2012 bis 2022. Quelle: Statista
Besonders schwerwiegend ist der Verlust der Kohlelagerstätten im Donbass.
Dies hat dazu geführt, dass die Ukraine, einst Kohleexporteur, nun auf Importe angewiesen ist, was angesichts der blockierten Seehäfen hohe Kosten verursacht.
Ausblick: Rohstoffe als Schlüssel zum Wiederaufbau
Experten sind sich einig, dass die ukrainischen Rohstoffvorkommen eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau des Landes spielen werden. Die derzeit umkämpften Gebiete sind weit mehr als nur ein Prozentsatz der Landesfläche – sie bilden eine unersetzliche Basis für den industriellen und wirtschaftlichen Wiederaufbau.
Laut aktueller Analysen erwartet der Internationale Währungsfonds ein reales Wirtschaftswachstum der Ukraine von 2-3% für 2025 – allerdings gibt es viele Analysrenstimmen, die die wirtschaftliche Lage aufgrund der andauernden Kriegssituation deutlich schlechter sehen.

Statistik: Ukraine: Bruttoinlandsprodukt (BIP) in jeweiligen Preisen von 1992 bis 2023 und Prognosen bis 2030 (in Milliarden US-Dollar) | Statista
Ukraine – wirtschaftlicher Ausblick
Ein wesentlicher Faktor für diese vorsichtig optimistische Prognose ist das wirtschaftliche Potenzial, das in den Rohstoffvorkommen des Landes liegt. Die ukrainische Regierung setzt weiterhin auf diese Ressourcen und bietet Lizenzen und Konzessionen für die Exploration und Produktion wichtiger Mineralien an.
Die Sicherung des Zugangs zu diesen strategisch wichtigen Ressourcen wird daher eine zentrale Herausforderung für die Ukraine bleiben – nicht nur für die unmittelbare wirtschaftliche Erholung, sondern auch für die langfristige Entwicklung des Landes in einer Welt, in der der Wettbewerb um kritische Rohstoffe zunehmend an Bedeutung gewinnt.
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