Interview mit Grit Beecken, Capital: Latenter Interessenkonflikt
Einige Staaten der Welt haben den Derivate-Markt für sich entdeckt, um dort hochkomplexe Finanzgeschäfte mit der Hilfe von Swaps abzuwickeln. Dies geht aus einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital hervor. Diese Derivate erwirken einerseits Zinsersparnisse, andererseits ist eine so enge Verwicklung von Staat und Banken kritisch. Auch lädt die Intransparenz dieser Gebaren dazu ein, davon ganz anders Gebrauch zu machen, wie Griechenland oder Italien bewiesen. Dem ist David Ernsting, Herausgeber von broker-test.de, im Gespräch mit Grit Beecken, Redakteurin Capital/G+J Wirtschaftsmedien, tiefer auf den Grund gegangen.
Wenn man bedenkt, dass Politiker eine Regulierung des Derivate-Marktes fordern, dann liefern solche Nachrichten kein gutes Bild ab. Sind die möglichen Einsparungen von 750 Millionen nur ein vorgeschobenes Argument? Gibt es denn nicht weitere Konsequenzen?
Grit Beecken: „Grundsätzlich sind Swaps ein geeignetes Instrument um Zinskosten einzusparen. Daher ist das Argument vermutlich nicht vorgeschoben. Allerdings stellen viele Investoren und Wissenschaftler infrage, ob Staaten überhaupt Derivate einsetzen sollten. Schließlich handeln sie große Volumina – allein aus Deutschland kommen pro Jahr Neugeschäfte in Höhe von bis zu 80 Milliarden Euro. Kritisch ist, dass viele Staaten kaum Informationen über ihre Geschäfte bereitstellen. Die Öffentlichkeit weiß beispielsweise nicht, ob die Bundesrepublik mit Swaps Geld verbrennt oder spart. Sie kennt zudem weder die Swappartner noch das Gesamtvolumen der staatlichen Derivate.“
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Kritisch ist sicherlich, dass diese Informationen selten an die Öffentlichkeit dringen, beispielsweise auch, dass der Rechnungshof bereits seit 2004 keine etwaigen Ausweitungen der Geschäfte mehr ausweist. Überhaupt werden diese ohnehin von einer Firma abgewickelt – der „Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH“. Beschränkte Haftung! Wohin soll das denn führen?
Grit Beecken: „Die Finanzagentur firmiert zwar als GmbH, die Bundesrepublik haftet aber für die Geschäfte. In der Finanzagentur arbeiten Spezialisten wie Mathematiker, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler, die ihr Handwerk vermutlich sehr gut beherrschen. Das Ausgliedern der Schuldenverwaltung an eine Agentur ist ein gängiger Weg, den viele Staaten gehen und der sicher sinnvoll ist.
Es stellt sich aber die Frage, ob Staaten an den Derivatemärkten überhaupt als Player auftreten sollten. Wenn sie sich dafür entscheiden, sollten sie transparent sein und zumindest im Nachhinein veröffentlichen, welche Geschäfte sie gemacht haben. Die Skandinavier können dabei als Vorbild dienen: Sie setzen in großem Stil Derivate ein, veröffentlichen aber viele Fakten und weisen vor allem auf bestehende Interessenkonflikte hin. Die USA und Japan hingegen setzen meiner Kenntnis nach im Schuldenmanagement gar keine Swaps ein.“
Sicherlich verdient die eine oder andere Bank an diesen Derivate-Geschäften. Zusätzlich macht sich der Bund auch als Geschäftspartner abhängig. Dabei wurden Teile des Geldes ja in die Hand genommen, um Banken zu retten! Ist das nicht schizophren? Wie soll unter solchen Vorzeichen jemals eine harte Regulierung vorangetrieben werden?
Grit Beecken: „Das ist sicher eins der größten Probleme der Swap-Geschäfte. Aufgrund der millionen- bis milliardenschweren Geschäftsverbindungen besteht ein latenter Interessenkonflikt. Man könnte einem Staat unterstellen, dass eine Bankenrettung nur deswegen erfolgt ist, weil man seinen Swapkontrahenten retten wollte. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, bleibt ein bitterer Geschmack zurück, wenn eine Regierung sich so beharrlich ausschweigt, wie es derzeit der Fall ist.“
Welche Folgen haben solche Gebaren für die Zukunft? Ist mit weiteren Krisen und Pleiten zu rechnen?
Grit Beecken: „Die Zinsswaps der Bundesrepublik werden vermutlich keine weiteren Krisen oder Pleiten auslösen. Kritisch sehe ich eher solche Geschäfte, mit denen ein Staat seine Verschuldung auf dem Papier drücken kann und so beispielsweise die Maastricht-Kriterien erfüllt. Italien und Griechenland haben in der Vergangenheit mithilfe großer Investmentbanken ihr Zahlenwerk aufpoliert. Sie haben Währungsswaps abgeschlossen, bei denen der Wechselkurs oberhalb des Marktpreises lag und auf diese Weise einen versteckten Kredit erhalten, der in der Statistik nicht auftauchte. Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass auch Polen im Vorfeld des Eurobeitritts durch Swaps die Defizitquote drückt. Die öffentliche Aufregung über solche Geschäfte hält sich meiner Wahrnehmung aber nach erstaunlicherweise in Grenzen.“
Welches Handeln empfiehlt sich am Ende dem kleinen Mann? Einfach weghören?
Grit Beecken: „Grundsätzlich kann sich jeder mit Fragen oder Kritik an den Petitionsausschuss des Bundestages wenden. Allerdings sind außerbörsliche Derivate eine komplexe Materie, die nur schwer zu durchdringen ist. Wer „hinhören“ will, muss sich daher gut informieren. Und der Staat macht es ihm nicht leicht.“
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
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