Taiwan, Chips und Zölle: Drei Szenarien im eskalierenden Handelskrieg zwischen China und den USA

Der Handelskrieg zwischen China und den USA ist zurück – härter, globaler und komplexer denn je. Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus Anfang 2025 dominieren Strafzölle und geopolitische Drohkulissen die Schlagzeilen.

Im Zentrum der Auseinandersetzung mit China steht dabei zunehmend die Insel Taiwan – wirtschaftlich essenziell, sicherheitspolitisch hochbrisant.

Wie konnte es so weit kommen? Und wohin steuert dieser Konflikt?

Wir blicken auf drei wahrscheinliche Szenarien.

 

Eskalation mit strategischer Tiefe

Kaum im Amt, setzte US-Präsident Donald Trump ein deutliches Zeichen: Auf nahezu alle chinesischen Importwaren wurden drastische Zölle erhoben – in der Spitze bis zu 125 Prozent.

Auch Taiwan war betroffen, mit einem pauschalen Zollsatz von 32 Prozent auf seine Exporte in die USA.

China reagierte umgehend mit Gegenzöllen in Höhe von 84 Prozent auf sämtliche US-Waren.

Die Volksrepublik warf Washington vor, einseitig zu agieren, und versprach: „China habe den festen Willen und die ausreichenden Mittel, die notwendigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen und bis zum Ende zu kämpfen.“

Doch die wirtschaftliche Eskalation ist nur die sichtbare Oberfläche eines tiefer werdenden Machtkampfes.

Der Konflikt um Handelsbilanzen und Marktanteile ist längst verwoben mit geopolitischen Fragen, technologischer Rivalität und militärstrategischen Spannungen – allen voran um Taiwan.

 

„Chimerica“ am Ende: Vom Handelsmodell zur Systemkonkurrenz

Jahrzehntelang galten China und die USA als ökonomisch unzertrennlich.

Das bilaterale Modell – China produziert und Amerika konsumiert – wurde als Garant globaler Stabilität angesehen.

Doch spätestens seit dem Amtsantritt Trumps 2017 wandelte sich das Verhältnis von Kooperation zur Konfrontation.

Die US-Handelspolitik zielte nun auf die Rückverlagerung industrieller Kapazitäten und den Schutz kritischer Technologien – insbesondere im Bereich der Halbleiterindustrie.

Taiwan spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Der dort ansässige Chipriese TSMC ist Weltmarktführer bei Hochleistungshalbleitern.

Die technologische Vormachtstellung Taiwans macht die Insel zur begehrten wie verwundbaren Schachfigur im geopolitischen Kräftemessen – ein Umstand, der weitreichende Folgen für die regionale Sicherheit hat.

 

Der Fall Taiwan: Chips, Diplomatie und Sicherheitsdilemma

Während China und die USA in einer Zollspirale gefangen sind, reagierte Taiwan mit bemerkenswerter diplomatischer Zurückhaltung.

Präsident Lai Ching-te kündigte an, keine Gegenzölle auf US-Waren zu erheben.

Stattdessen wolle man amerikanische Produkte stärker importieren, in den USA investieren und so das bilaterale Handelsdefizit abbauen.

Das Ziel: Die USA als politischen und wirtschaftlichen Partner enger zu binden.

Hinter dieser Strategie steht ein machtpolitisches Kalkül. Taiwan weiß um seine prekäre Sicherheitslage.

Ein offener Bruch mit Washington – wirtschaftlich oder politisch – würde die militärische Abschreckung gegenüber Peking gefährlich schwächen.

Dass rund 60 Prozent der taiwanischen Exporte in die USA aus Halbleitern bestehen, die von den Strafzöllen explizit ausgenommen wurden, verdeutlicht ihre strategische Bedeutung.

 

Der „heilige Berg, der das Land schützt“

TSMC wird in Taiwan oft als „heiliger Berg, der das Land schützt“ bezeichnet.

Der Konzern fungiert als informeller Sicherheitsfaktor: Ein Angriff Chinas auf Taiwan würde die weltweite Chipversorgung gefährden – ein Risiko, das auch Peking nicht leichtfertig eingehen dürfte.

Doch dieser Schutzmechanismus könnte ins Wanken geraten.

Durch massive politische und wirtschaftliche Anreize drängt die Trump-Regierung TSMC, seine Produktion in die USA zu verlagern.

In Arizona entstehen derzeit fünf neue Werke – ein Projekt mit einem Gesamtvolumen von rund 100 Milliarden US-Dollar.

Kritiker in Taiwan warnen: Wenn die USA unabhängiger von taiwanischen Chips werden, sinkt der sicherheitspolitische Anreiz, Taiwan im Ernstfall zu verteidigen.

 

Technologischer Systemwettstreit: Chips als geopolitische Waffe

Der Zugang zu Hightech-Chips entscheidet über militärische Kapazitäten, KI-Entwicklung und industrielle Wertschöpfung.

Deshalb haben die USA nicht nur Exportkontrollen verschärft, sondern auch internationale Partner wie Japan und die Niederlande eingebunden, um Chinas Zugang zu Fertigungstechnologie zu blockieren.

China versucht unterdessen, durch massive staatliche Investitionen eigene Kapazitäten aufzubauen.

Doch bei Chips mit unter sieben Nanometern bleibt das Land abhängig von Importen.

Die Sanktionen treffen daher einen neuralgischen Punkt – und erhöhen gleichzeitig das Risiko von Vergeltungsschlägen gegen Lieferstaaten wie Taiwan.

 

Drei Szenarien für die Zukunft

Angesichts dieser Entwicklungen lassen sich drei denkbare Szenarien für die weitere Entwicklung des Konflikts skizzieren:

 

Szenario 1: Eskalation – vom Handelskrieg zum militärischen Ernstfall

In diesem Szenario verschärfen sich die wirtschaftlichen Maßnahmen weiter.

Die USA erhöhen ihre Zölle, China kontert mit Investitionsbarrieren, Lieferketten werden zerschlagen.

Taiwan gerät wirtschaftlich und politisch zunehmend unter Druck.

Sollte Washington seine Sicherheitsgarantien relativieren – wie Trump es im Wahlkampf angedeutet hat – könnte Peking eine militärische Lösung in Erwägung ziehen.

Ein Angriff auf Taiwan würde zum globalen Krisenszenario mit unübersehbaren Folgen für Märkte, Allianzen und das Völkerrecht.

 

Szenario 2: Strategische Spaltung – Decoupling auf allen Ebenen

Hier etabliert sich eine bipolare Weltwirtschaft: USA und China verfolgen konsequent die Entkopplung ihrer Märkte.

Technologische Systeme, Lieferketten, Kapitalströme – alles wird getrennt organisiert.

Taiwan bleibt ökonomisch relevant, verliert aber sicherheitspolitisch an Bedeutung.

In diesem Szenario droht Europa zwischen die Blöcke zu geraten: Einerseits politisch an die USA gebunden, andererseits wirtschaftlich von China abhängig.

Ein Kraftakt, der angesichts des Ukraine-Kriegs die europäische Wirtschaft erheblich schwächen würde.

 

Szenario 3: Koexistenz im Wettbewerb – kontrollierte Rivalität

Im günstigsten Fall gelingt es, den Konflikt zu institutionalisieren.

Handel wird wieder reguliert, es gibt Mindeststandards für Technologietransfer und Krisenmanagement.

Taiwan bleibt ein umstrittener, aber geschützter Akteur.

Europa kann in diesem Szenario eine vermittelnde Rolle spielen – sowohl politisch als auch wirtschaftlich.

Die Voraussetzung: multilaterale Formate und strategische Geschlossenheit des Westens.

 

Folgen für Börsen und Anleger

Der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA und China sorgt für deutliche Ausschläge an den Märkten.

Als US-Präsident Trump am 9. April 2025 die frisch eingeführten Strafzölle für fast alle Länder – mit Ausnahme Chinas – für 90 Tage aussetzte, legten die US-Börsen sprunghaft zu.

Der Nasdaq stieg um über 12 Prozent, S&P 500 und Dow Jones gewannen ebenfalls zweistellig.

Besonders Technologiewerte wie Apple (+15 %) und Nvidia (+19 %) profitierten, nachdem sie zuvor stark unter Druck geraten waren.

Zuletzt erreichte der Goldpreis mit 3.175 Dollar ein neues Rekordhoch.

Anleger suchten Schutz vor wachsender Unsicherheit – auch ausgelöst durch einen schwächelnden Dollar.

Analysten sprechen von gezielten Umschichtungen aus US-Staatsanleihen in Edelmetalle, während die Renditen langlaufender Bonds deutlich anzogen.

Auch die Sorge vor einem möglichen „Finanzkrieg“ durch chinesische Anleiheverkäufe trieb die Märkte um.

 

Worauf ist zu achten?

  • Technologieaktien sind besonders volatil, können aber bei Entspannung überproportional profitieren. Für aktive Investoren ergeben sich hier Chancen günstig nachzukaufen.
  • Gold hat sich erneut als Krisenbarometer bewährt – bleibt aber abhängig vom Dollarkurs und den Zinserwartungen.
  • US-Staatsanleihen verlieren an Status als sicherer Hafen – Bond-Investoren müssen mit erhöhter Volatilität und Zinsrisiken rechnen.
  • Rohstoffmärkte könnten vom geopolitischen Umfeld profitieren – vor allem bei Öl nach der Erholung, Gold und Agrarprodukten.
  • Langfristig bleibt die Entwicklung unklar: Eine weitere Entkopplung der Wirtschaftsräume würde strukturelle Unsicherheit schaffen, aber auch neue Chancen durch Regionalisierung und strategische Diversifizierung.

Gerade für europäische Anleger heißt das: wachsam bleiben, Risiken streuen – und geopolitische Faktoren stärker in die Portfoliostrategie einbeziehen.

 

Fazit: Taiwan als Nadelöhr der Weltwirtschaft

Die aktuelle Zuspitzung im Handelskrieg zeigt, dass wirtschaftliche Verflechtung nicht automatisch Stabilität garantiert.

Taiwan steht exemplarisch für die neue Weltordnung: eine kleine Demokratie, eingebettet in globale Lieferketten, mit enormem strategischem Gewicht – und hohem Eskalationsrisiko.

Wie es weitergeht, hängt nicht nur von politischen Entscheidungen in Washington und Peking ab.

Auch Europa muss sich neu positionieren – als wirtschaftliche Macht, als technologischer Akteur und als diplomatischer Vermittler.

Der Konflikt um Taiwan zeigt exemplarisch, wie eng wirtschaftliche Interessen, technologische Abhängigkeiten und geopolitische Machtfragen heute miteinander verwoben sind – und wie fragil das Gleichgewicht der globalen Ordnung geworden ist.

Themen im Artikel

Infos über justTRADE

  • Online Broker
  • Daytrade Broker
  • ETF Broker
  • Zertifikate Broker
  • Krypto Broker
justTRADE:

justTRADE ist ein Service der Sutor Bank und bietet als Online Broker den Wertpapierhandel mit 0 Euro Orderprovision (zzgl. marktüblichem Spread) an. Ferner fallen dabei auch keine Depotgebühren an.​ Für börsliche Orders werden pauschal 1 Euro Fremdkosten je Trans...

Disclaimer & Risikohinweis

Der Service justTRADE wird von der Sutor Bank erbracht und wurde an die JT Technologies GmbH ausgelagert. Alle Tätigkeiten, die eine aufsichtsrechtliche Zulassung erfordern, insbesondere das Einlagen- und Finanzkommissionsgeschäft, werden von der Sutor Bank erbracht.

justTRADE News

Weitere Trading News