Geld, Macht, Emotionen – warum Erbstreitigkeiten eskalieren
Erbstreitigkeiten zählen laut „Streitatlas 2019“ zu den häufigsten privaten Rechtskonflikten – direkt hinter Scheidungen. Mit stetig wachsenden Vermögenswerten, vor allem bei Immobilien, steigt auch das Streitpotenzial.
Hinzu kommen komplexe Familienstrukturen wie Patchwork-Familien, unverheiratete Paare oder kinderlose Erblasser, die die Nachlassregelung erschweren.
Schließlich ist Streit unter Angehörigen oft allzu menschlich: Wo Trauer, Emotionen und materielle Werte aufeinandertreffen, können Konflikte leicht eskalieren.
Erbstreitigkeiten entstehen aus den unterschiedlichsten Gründen. Doch einige Ursachen treten immer wieder auf.
Erbstreitigkeiten: Typische Ursachen und wie man sie vermeidet
Situation: Rund 50 Prozent der über 55-Jährigen haben kein Testament. Dann greift die gesetzliche Erbfolge – oft mit unerwarteten Konsequenzen.
Beispiel: Herr und Frau Becker sind seit 20 Jahren verheiratet und kinderlos. Er glaubt, seine Frau erbe automatisch alles. Doch nach seinem plötzlichen Tod fällt ein Viertel des Nachlasses an seine Geschwister, die prompt den Verkauf des gemeinsamen Hauses fordern.
Ein einfaches Testament hätte Frau Becker abgesichert und den Verkauf verhindert.
2. Pflichtteilsansprüche.
Situation: Das sogenannte Berliner Testament (gegenseitiges Alleinerbe) ist beliebt, kann aber ungewollt zu Streit führen.
Beispiel: Herr und Frau Lehmann setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein. Die Kinder sollen erst nach dem Tod des Letztversterbenden erben. Nach Herrn Lehmanns Tod drängt allerdings ein Schwiegersohn seine Ehefrau, den Pflichtteil zu fordern. Frau Lehmann muss nun hohe Beträge auszahlen oder gar eine Immobilie verkaufen.
Eine frühzeitige Beratung zum Pflichtteil hätte die finanzielle Belastung minimiert.
3. Ungleichbehandlung.
Situation: Werden einzelne Nachkommen – zum Beispiel ein Kind aus erster Ehe oder ein Kind mit mehr Unterstützung – anders behandelt, ist Streit oft programmiert.
Beispiel: Herr Peters hat zwei Kinder, Anna und Paul. Während ihres Studiums erhält Anna viel finanzielle Hilfe. Paul hingegen fast nichts, da er früh auf eigenen Füßen steht. Im Testament bekommen dennoch beide dieselbe Erbquote. Nach dem Tod des Vaters hält Paul dies für ungerecht – es kommt zum Konflikt.
Eine klare Anrechnung bereits geleisteter Zuwendungen hätte den Streit verhindert.
Es geht nicht nur ums Geld
Situation: Geld und Immobilien sind wertvoll, doch oft sorgen ideelle Erbstücke für den größten Familienzwist.
Beispiel: Frau Schneider hinterlässt neben Haus und Barvermögen ein antikes Familienerbstück. Ihre drei Kinder können sich nicht einigen, wer es bekommen soll. Der Streit eskaliert, weil es für alle einen hohen ideellen Wert hat.
Eine genaue Zuordnung besonderer Erinnerungsstücke sorgt für klare Verhältnisse.
5. Erbengemeinschaft und Immobilien.
Situation: Wertsteigerungen bei Immobilien machen die Erbteilung kompliziert. Eine einstimmige Entscheidung aller Miterben ist oft erforderlich.
Beispiel: Nach dem Tod von Herrn Gruber erben seine drei Kinder ein Mehrfamilienhaus, dessen Wert stark gestiegen ist. Sarah möchte das Haus als Familienerbe behalten, Jonas will es gewinnbringend verkaufen und Lisa kann keinen der beiden auszahlen. Da alle zustimmen müssen, blockieren sich die Geschwister gegenseitig.
Ein Testament oder eine Teilungsanordnung hätte eine klare Regelung für den Immobilienbesitz geschaffen.
Nachfolgeregelungen beugen Konflikten vor
Wer Erbstreitigkeiten vorbeugen will, sollte sich frühzeitig mit seinen Erbangelegenheiten befassen – idealerweise im Gespräch mit potenziellen Erben.
Eine durchdachte Nachfolgeregelung verhindert Konflikte, bevor sie entstehen.
In einem Testament lassen sich Erben klar benennen und weitere Personen per Vermächtnis berücksichtigen.
So behalten Sie die Kontrolle, wie Ihr Vermögen verteilt wird. Wer sicherstellen möchte, dass sein letzter Wille tatsächlich umgesetzt wird, kann zudem einen Testamentsvollstrecker einsetzen.
So lassen sich etwa durch Schenkungen Erbschaftssteuern reduzieren.
Ein Beispiel: Nachfolgepolicen bei Geldschenkungen. Hier behält der Schenker die Kontrolle über das Vermögen, während die Auszahlung abgeltungs- und einkommensteuerfrei erfolgt.
Wer frühzeitig plant, kann solche Instrumente optimal nutzen und Konflikte vermeiden.
Gastautor Stefan Brähler ist Geschäftsführer der Confidema GmbH und Spezialist für Nachfolgeplanung, Vermögensstrukturierung und Investmentpolicen bei vermögenden Privatkunden, vornehmlich als B2B-Partner von Vermögensverwaltern, Versicherern und Private Banking.
Themen im Artikel
Infos über DIA
Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) versteht sich als geistige Plattform eines umfassenden Diskurses über Altersvorsorge und Generationengerechtigkeit. Es fördert unabhängig und neutral den Meinungsbildungsprozess zu Vorsorgethemen in der Öffentlichkeit. Die seit 1997 bestehende Den...