DAX: Gefährlicher Mix für Bullen und Bären
Ayondo Markets: Auf den ersten Blick sieht die Lage für den DAX noch recht gut aus. Zuletzt wurde der Markt wiederholt an der stark beachteten 200-Tage-Linie gekauft, die Konsolidierung verläuft bisher vergleichsweise harmlos. Auch die Bewertung spricht für den deutschen Aktienmarkt. Dennoch sollten Anleger in den kommenden Wochen ganz besonders aufmerksam sein.
Langfristig gesehen ist die Sache klar: Aktien werfen die höchste Rendite ab. So kletterte der DAX in der Bullenphase von 1982 bis 1990 um gut 300 Prozent und von 1992 bis 2000 um 470 Prozent. Auch die laufende Rally kann sich sehen lassen: Seit dem letzten Rezessions-Tief im März 2009 legte der DAX um rund 230 Prozent zu.
In dieser Zeit kam es nur fünf Mal zu Verlusten von mehr als zehn Prozent ausgehend vom zuvor erreichte Hoch. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann – zugleich aber auch zunehmend mehr Pessimisten auf den Plan ruft.
An Gründen für eine längere Schwächephase mangelt es nicht: Die Nordkorea-Krise spitzt sich seit Wochen zu, der weitere Verlauf ist vollkommen offen. Neben geopolitischen Risiken wird die Bewertung des Marktes kritisch hinterfragt. Zwar verlief die Berichtssaison zum zweiten Halbjahr recht gut: Neun DAX-Unternehmen erhöhten die Prognose, auf der anderen Seite gab es nur eine Gewinnwarnung.
Dennoch bleiben die Herausforderungen groß: Mehr als drei Viertel ihres Umsatzes erzielen die DAX-Konzerne im Ausland. Auch wenn ein Großteil der Erlöse in den europäischen Ländern erwirtschaftet wird, hinterließ die Euro-Rally seit Jahresbeginn bereits erste Bremsspuren in den Bilanzen.
Sollte das Währungspaar EUR/USD nachhaltig über die Barriere bei 1,20 – 1,23 Dollar steigen, würde dies den DAX wohl noch stärker belasten. Schon jetzt liegt der international vergleichbare DAX Kursindex mit plus drei Prozent seit Jahresbeginn nur auf den hinteren Rängen in der Performance-Liste. Folgt in den kommenden Monaten hingegen eine Dollar-Aufwertung, dürfte der DAX sein Nachholpotenzial ausspielen.
Günstig – auf den ersten Blick
Aber nicht nur die Entwicklung am Währungsmarkt wird wesentlich die Richtung des Marktes im Herbst bestimmen. Überzeugen kann der DAX mit einer hohen Dividendenrendite von rund 2,8 Prozent, die deutlich über dem Niveau zehnjähriger Bundesanleihen von 0,3 Prozent liegt. Zur Einordnung: Die Dividendenrendite des S&P 500 liegt bei zwei Prozent, ähnlich viel werfen zehnjährige US-Anleihen ab.
Auch klassische Bewertungsverfahren des Value Investing wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis überzeugen zunächst. Auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate wird der Markt mit einem KGV von 12,6 bewertet. Der Aufschlag gegenüber dem Zehn-Jahres-Durchschnitt von 11,5 liegt bei rund zehn Prozent und zeigt keine Übertreibung an.
Im Gegensatz dazu weisen US-Aktien einen Aufschlag von 20 Prozent auf und sind wesentlich teurer (KGV 18). Ähnlich verhält es sich mit dem Kurs-Buchwert- und Kurs-Cashflow-Verhältnis.
Allerdings muss ein Sondereffekt berücksichtigt werden. Die stark gewichteten Auto-Aktien weisen nach der langen Talfahrt ungewöhnlich günstige Bewertungsrelationen auf. Ohne die Auto-Branche würde das DAX-KGV auf rund 15 schnellen und einen ähnlichen Aufschlag auf den langfristigen Bewertungsdurchschnitt aufweisen wie der S&P 500.
Sollten die Auto-Aktien hingegen wieder an Beliebtheit gewinnen und auf ähnliche KGVs steigen wie im Frühjahr 2015, könnte der DAX bei rund 13.300 Punkten stehen.
Fundamental bietet der deutsche Leitindex für internationale Investoren somit durchaus gute Kaufargumente, zumindest solange die Euro-Stärke nicht ungebremst weitergeht. Technisch gesehen besteht ebenfalls Potenzial nach oben und unten, eine Richtungsentscheidung steht unmittelbar bevor.
Zyklen mahnen zur Vorsicht
Solange der DAX die 200-Tage-Linie bei rund 12.060 Punkten behauptet, überwiegen die Chancen. Frische Aufwärtsfantasie kommt aber erst auf, wenn der zähe Verkaufsbereich bei 12.320 überwunden wird. Darüber wäre Luft bis 12.500, 12.700 und 12.840. Die Wahrscheinlichkeit für einen bevorstehenden Höhenflug ist allerdings eher gering.
In den vergangenen zehn Jahren legte der DAX im September in sieben Fällen zu. Im Durchschnitt rückten die Kurse aber nur um rund 0,2 Prozent vor, hier schlagen die kräftigen Verluste aus 2008, 2011 und 2015 durch.
Auch von den US-Märkten droht Gegenwind: In „7er“-Jahren verzeichnen die Börsen oft zwischen Ende August bis Ende Oktober Verluste, ähnlich negative Vorgaben liefert der Präsidentschaftszyklus.
Einen weiteren Schwächeanfall kann sich der DAX aber nicht erlauben. Fällt der Index unter die 200-Tage-Linie, müssen spätestens am August-Tief bei 11.900 wieder die Käufer das Ruder übernehmen. Andernfalls sind weitere Verluste bis 11.650 und später bis an die Januar-Umkehrpunkte bei 11.400 möglich.
Auch die Marktbreite ist angeschlagen: Nur noch 50 Prozent der DAX-Aktien behaupten ihren 200-Tage-Durchschnitt. Ausgehend von dieser Quote kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu einer Erholung – oder einer kräftigen Korrektur. Die Entscheidung darüber dürfte sehr bald fallen.
Autor: Feingold Research
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