2024 – erneut ein guter Jahrgang für die Kapitalmärkte?

Quirin Privatbank: Erfreulicherweise konnten die Börsen dem nach wie vor angespannten Marktumfeld im letzten Jahr deutlich besser trotzen als im Jahr 2022, auch wenn es über weite Strecken gar nicht danach aussah.

Im vierten Quartal kam es dann aber zu einem gehörigen Schluss-Spurt – getrieben von einer überraschend robusten US-Wirtschaft, der starken Nachfrage nach US-Technologiewerten (KI lässt grüßen) und einer großen Portion Zinssenkungsphantasie.

Letztere sorgte auch im Anleihebereich und bei Goldanlagen für eine starke Jahresbilanz.

Obwohl es nicht sinnvoll ist, Anlageentscheidungen auf Prognosen abzustellen, halten wir gewisse Markteinschätzungen dennoch für hilfreich.

Diese Einschätzungen – gepaart mit einer Einordnung der aktuellen Rahmenbedingungen – fungieren als inhaltliche Leitplanken, damit man sich von einem womöglich stärkeren Börsen-Auf-und-Ab und dem üblichen Medien-Getöse nicht aus dem (Anlage-)Konzept bringen lässt.

Auch wenn im Rahmen unserer Analysen einzelne Marktsegmente ausdrücklich positiv besprochen werden, sollten diese in Ihrem Vermögen kein übermäßiges Gewicht erhalten.

Die starke Konzentration auf einige wenige Anlagebereiche oder womöglich sogar nur einen speziellen ist letztlich reine Spekulation und führt zu völlig unkalkulierbaren Anlageergebnissen.

Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung unserer Kapitalmarkteinschätzungen.

Bevor es um die einzelnen Anlageklassen geht, zunächst einige Ausführungen zu den – Stand heute – aus unserer Sicht marktbestimmenden Themen.

 

Leitplanken für die Kapitalmärkte im Jahr 2024

Im Fokus: Inflation & Zinspolitik

Diese beiden untrennbar miteinander verbundenen Faktoren dürften auch das dritte Jahr in Folge maßgeblichen Einfluss auf das Kapitalmarktgeschehen haben.

Nach der Corona-Pandemie begann 2022 angesichts deutlich anziehender Inflationsraten die Zinswende.

Die zentrale Frage lautete damals: Wann und wie schnell werden die Leitzinsen angehoben?

2023 rückte dann das Ende des Zinsanhebungszyklus in den Fokus.

2024 stellt sich nun die zentrale Frage: Wie schnell und wie stark werden die Leitzinsen gesenkt?

 

Leitzinsen: 2002 & 2023 kraeftig rauf - 2024 kraeftig runter?

 

Die Erwartungen des Marktes sind angesichts des mittlerweile merklichen Inflationsrückgangs und klarer Bekundungen zu Leitzinsreduzierungen (zumindest seitens der US-Notenbank) durchaus hoch.

Wenn nun ein (durchaus möglicher) stockender Rückgang der Inflation dazu führen sollte, dass die Notenbanken etwas langsamer und weniger deutlich zur Tat schreiten als vom Markt erwartet, könnte das im Jahresverlauf temporär für Unruhe an den Börsen sorgen.

Insgesamt halten wir es für recht wahrscheinlich, dass in den USA zumindest die angekündigten drei 0,25%-Schritte erfolgen und die EZB, vermutlich zeitlich nachgelagert, zwei Zinsschritte nach unten vollführt – ein letztlich stützendes Umfeld für die Kapitalmärkte.

 

Abstieg vom Inflationsgipfel duerfte sich (verlangssamt) fortsetzen

 

Fraglich: weiche Landung oder Rezession?

Die weltweite Konjunkturschwäche dürfte sich im Jahr 2024 fortsetzen, denn die aggressiven Leitzinserhöhungen der Notenbanken wirken weiter nach. Gestiegene Zinsen verteuern Kredite für Unternehmensinvestitionen.

Zudem werden auch private Kredite kostspieliger, was die Nachfrage nach Konsumgütern, Autos und Immobilien dämpft. Und der Konsum leidet auch, wenn angesichts der zurückgekehrten Zinsen wieder mehr gespart wird.

Angesichts nach wie vor robuster Arbeitsmärkte in den USA und der Euro-Zone, die den Druck auf die Konsumneigung spürbar mindern, gehen wir aber von einer weichen Konjunkturlandung dies- und jenseits des Atlantiks aus.

Sollten sich die Konjunkturaussichten doch stärker eintrüben, dürften die Notenbanken entsprechend deutlich gegensteuern, sofern es die Inflation zulässt.

 

Schmerzlich: geopolitische Eskalationen

Der eskalierte Nahostkonflikt, der Krieg in der Ukraine und ggf. der schwelende Taiwan-Konflikt bleiben auch im neuen Jahr erhebliche Unsicherheitsfaktoren auf den verschiedensten Ebenen – die Kapitalmärkte zählen auch dazu.

Jeder Krieg ist selbstredend eine Tragödie – dennoch gilt: Der Einfluss von kriegerischen Auseinandersetzungen auf die Aktienmärkte wird meist überschätzt, auch wenn das damit verbundene Leid erschreckend ist.

 

Brisant: US-Wahl im November

Im neuen Jahr wird wahrscheinlich die US-Wahl relativ früh ihre Schatten vorauswerfen. Speziell die mögliche Wiederwahl von Donald Trump dürfte die Aktienmärkte bewegen.

Zwar konnten die Aktienkurse in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 trotz seines welthandelsfeindlichen Vorgehens per saldo ordentlich zulegen (MSCI World knapp 50%), es könnte aber im Rahmen der neuen Wahl dennoch zu zwischenzeitlichen Kurskorrekturen kommen.

Schließlich ist zu befürchten, dass er den Protektionismus erneut forcieren wird, womöglich mit noch schärferer Klinge als zuvor und mit stärkeren Blessuren für die Weltwirtschaft.

Nach unserer Überzeugung würde aber selbst ein solches Szenario den langfristigen Aufwärtstrends der Weltwirtschaft und des Aktienmarkts keinen Abbruch tun.

 

Kurzeinschätzung relevanter Anlageklassen

Aktien

Das konjunkturelle Umfeld bleibt auch im Anlagejahr 2024 herausfordernd, wobei die von uns erwartete ausbleibende Rezession in der Euro-Zone und in den USA den Aktienkursen Stabilität verleihen sollte.

Wie in allen anderen Anlagebereichen auch wird performancetechnisch auch bei Aktien vieles davon abhängen, ob die Inflationsentwicklung genügend Spielraum für Leitzinssenkungen lässt.

Wir gehen zur Stunde davon aus, dass die Inflationsraten dies- und jenseits des Atlantiks Richtung Jahresende zwar weiter rückläufig sein werden, dies aber in etwas gemäßigterem Tempo als zuletzt.

Das könnte die Aktienmärkte phasenweise belasten.

Höhere Schwankungen dürften auch aufgrund der anhaltenden geo- und handelspolitischen Spannungen entstehen, die sich noch einmal merklich verstärken könnten, sofern Donald Trump in den USA erneut das Regierungszepter erhält.

Auch wenn es zwischenzeitlich zu stärkeren Korrekturen kommen sollte – die es im Übrigen ja auch im sehr erfolgreichen Aktienjahr 2023 gab –, sind wir zuversichtlich, dass wir am Jahresende erneut ein Plus sehen, wobei wir davon ausgehen, dass wir uns dieses Mal eher im einstelligen Prozentbereich bewegen werden.

Ein Zeichen der Stärke ist es aus unserer Sicht, dass sich Aktien im Jahr 2023 trotz starker Konkurrenz durch Anleihen und Festgelder sehr gut behaupten konnten.

Den Käufen liegt also offenbar die Überzeugung in die langfristige Wirtschaftskraft zugrunde und nicht der Mangel an Anlagealternativen.

 

Anleihen

Voraussichtlich weiter rückläufige Inflationsraten, anstehende Leitzinssenkungen und eine schwächelnde Konjunktur sind eigentlich gute Voraussetzungen für ein erfreuliches Anleihejahr 2024.

„Eigentlich“, denn es gibt einen Wermutstropfen: Auf dieses in Aussicht stehende Umfeld haben die Anleihemärkte in Vorfreude bereits Ende 2023 mit starken Kursanstiegen und in der Folge kräftig fallenden Anleiherenditen reagiert.

 

Anleihmaerkte angesichts erwarteter Leitzinssenkungen bereits Ende 2023 in Feierlaune

 

Dieser Umstand begrenzt im neuen Jahr das Potenzial von weiteren Renditerückgängen bzw. Kurssteigerungen nicht gänzlich, aber doch erheblich. Folglich erwarten wir 2024 ein solides, aber kein überragendes Anleihejahr.

Die erzielbare Jahresperformance der einzelnen Anleihesegmente dürfte mehr oder weniger ihrem aktuellen Renditeniveau entsprechen.

Dieses bewegt sich – je nach Risikograd und Laufzeit der aus unserer Sicht sinnvollen Anleihesegmente – zurzeit zwischen rund 2 und rund 6% p. a.

 

Gold

Die anhaltenden geopolitischen Konflikte und Sorgen geben dem Goldpreis ebenso einen gewissen Halt wie das verstärkte Interesse diverser Notenbanken an Goldkäufen zum Abbau der Abhängigkeit vom US-Dollar.

Die sehr wahrscheinlich anstehenden Leitzinssenkungen der US-Notenbank Fed und der EZB sind grundsätzlich ebenfalls positiv für unverzinste Goldanlagen, weil damit die Konkurrenz von festverzinslichen Anlagen wieder kleiner wird.

Die Anleihemärkte haben die wahrscheinlich anstehenden Zinssenkungen in Form von Kurssteigerungen und entsprechend gefallenen Renditen aber bereits merklich antizipiert.

Gleiches dürfte für die Goldmärkte gelten, was einen weiteren Preisanstieg eher unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Nach einer starken Entwicklung im Jahr 2023 sehen wir der weiteren Goldpreisentwicklung vorerst verhalten entgegen.

Wir gehen nicht davon aus, dass der Goldpreis kurzfristig aus seinem langjährigen Seitwärtstrend ausbricht.

 

Rohstoffe allgemein

Da die Weltwirtschaft im Jahr 2024 sehr wahrscheinlich weiter kraftlos bleiben wird (und sich auch noch keine markante konjunkturelle Erholung für das Jahr 2025 abzeichnet), fehlen dem Rohstoffmarkt vorerst die positiven Impulse.

 

Fazit

Auch im neuen, sicherlich wieder sehr ereignisreichen Anlagejahr gilt es, die Ruhe zu bewahren, wenn die Börsen einmal stärker ins Schaukeln geraten sollten.

Was nie unterschätzt werden darf: Die Zeit schlug in der Vergangenheit alle anlagetaktischen Erwägungen.

Spekulationen bringen an den Aktienmärkten keinen Mehrwert, sondern verhindern, dass die Renditepotenziale der Märkte vernünftig ausgeschöpft werden.

Geduld und Nervenstärke sind nicht immer einfach aufzubringen, werden aber am Ende belohnt.

 

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

 

Themen im Artikel

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