Das Inflationsgespenst geht um: 2,5%

Helaba: Die Inflationsrate im Euroraum ist im Mai auf 2% gestiegen, in Deutschland sogar auf 2,5%. Aus geldpolitischer Perspektive ergeben sich zwei unterschiedliche Sichtweisen: Einerseits ist es gut ist, dass das Inflationsziel erreicht wurde und damit das Deflationsgespenst hoffentlich endgültig in der Mottenkiste verschwindet. Andererseits, so befürchten einige, könnte gerade erst der Inflationsspuk losgehen und nachhaltig wirken.

Unabhängig von der besonderen Angebots-Nachfrage-Konstellation durch die Pandemie läuft angesichts der Kombination aus massiv ausgeweiteten Notenbank-Bilanzsummen und spürbar steigender Staatsverschuldung nicht nur schwäbischen Hausfrauen derzeit ein kalter Schauer über den Rücken.

Wenn der EZB-Rat am 10. Juni zusammenkommt, dürfte das Thema Inflation ganz oben auf seiner Agenda stehen. Wobei weniger die Überlegungen eine Rolle spielen dürften, wie man die Inflationsrisiken eindämmt, sondern vielmehr, wie man die aktuell sehr lockere Geldpolitik legitimiert.

Ausgangspunkt der Argumentation wird wohl das Eingeständnis sein, dass die Inflationsprognosen der EZB für 2021/2022 mit 1,2% bzw. 1,4% bislang viel zu niedrig waren. Die quartalsmäßige Anpassung dürfte daher zwar deutlich ausfallen. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass kritische Niveaus von über 2% ausgewiesen werden.

Daraus wird dann vermutlich abgeleitet, dass ein veränderter geldpolitischer Kurs angesichts immer noch hoher Pandemie-Unsicherheiten und zahlreicher Sondereffekte bei der Teuerungsentwicklung nicht notwendig ist.

 

 

Zudem dürfte auf die mit 0,9% immer noch recht niedrige Kernrate ohne die volatilen Energiepreise verwiesen werden. Bei der beliebten Frage-Antwortrunde mit den Pressevertretern wird es für EZB-Präsidentin Lagarde vor allem darauf ankommen, die oben beschriebene positive Interpretation des Inflationsanstiegs zu vermitteln.

 

Im Hintergrund dürften die südeuropäischen Mitglieder im EZB-Rat Druck machen. Der italienische Notenbankchef hat angekündigt, dass ungerechtfertigte Anstiege der Kapitalmarktzinsen von der EZB gekontert werden. Dabei soll das Kaufprogramm im vollen Ausmaß genutzt werden.

Zuletzt konnte Ignazio Visco aber wieder ruhig schlafen. Die Renditen 10-jähriger italienischer Staatsanleihen, Mitte Mai noch bei über 1%, sanken zuletzt wieder auf 0,8% und damit deutlich stärker als bei Bunds. Zudem notiert die Rendite in Italien erstmals seit 40 Jahren über der Inflationsrate.

Die Zielfunktion vieler Mitglieder des EZB-Rats ist nicht schwer zu erraten: Nichts soll die derzeit anlaufenden schuldenfinanzierten Investitionsprogramme gefährden. Dieses gewaltige Sanierungsprojekt der krisengeplagten Volkswirtschaften im Euroraum ist vermutlich entscheidend für die langfristige Stabilisierung der Währungsunion.

Wieso sollte die EZB, die wie kaum eine andere Institution ein existenzielles Interesse am Fortbestand des Euro hat, ein am nordeuropäischen Horizont erscheinendes und aus der Sicht vieler ihrer Notenbanker eher harmloses Inflationsgespenst bekämpfen?

 

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